Kardinal Marx sieht bei Jahresempfang des Erzbistums Christentum als eine „Religion der Zukunft“
München, 2. Juli 2024. Kardinal Reinhard Marx hat beim Jahresempfang des Erzbistums München und Freising am Dienstag, 2. Juli, in München betont, dass das Christentum eine „Religion der Zukunft“, des Fortschritts und der Möglichkeiten sei. Das Christentum habe sich in der Vergangenheit nicht ausgebreitet, weil es „von oben befohlen wurde“, sondern weil die Menschen den Eindruck hatten, sie gingen mit dem „Evangelium einen Schritt nach vorn, in die Weite. Da öffnen sich Horizonte, da spüren wir Rückenwind, nicht Niederdrücken“, sagte der Erzbischof von München und Freising.
In seiner Ansprache verwies der Kardinal im Hinblick auf das Bistumsjubiläum „1300 Jahre Korbinian“ auf die enge Verbindung zwischen Europa und dem Christentum. „Was damals im achten Jahrhundert in der Mitte Europas entstanden ist, hat eine eigene Geschichte, die man nicht voneinander lösen kann und die auch in Zukunft miteinander verbunden ist, auf welche Weise auch immer.“ Man könne sich die Kirche nicht ohne die Entwicklung der Theologie, der Universitäten, der Suche nach Wissen vorstellen.
Zugleich unterstrich der Kardinal: „Das europäisch-christliche Projekt ist nicht zu Ende.“ Es brauche aber Mut „zu einem neuen kreativen Miteinander von Kirche und einer Gesellschaft“, die vor großen Herausforderungen stehe wie der Klimakrise, dem Krieg oder der Digitalisierung. Mit der Botschaft Christi habe die Kirche der Welt etwas zu sagen: „Das Evangelium hält jedem Denken stand.“ Es bedürfe der Anstrengung, sich immer wieder neu zu fragen, welchen Beitrag der Glaube für die gesamte Gesellschaft leiste. Die Kirche verstehe sich als eine Gemeinschaft, die mitten in der Welt sei und für die Welt da sei, nicht für sich selbst. „Die Frage ist: Was wird aus der Welt? Mit den Menschen, mit denen wir zusammen sind? Mit den Armen, Kranken, Einsamen? Diesen Dreh im Kopf müssen wir immer wieder neu in Gang bringen.“ Dabei werde auch die Frage des Missbrauchs nicht ausgeblendet. „Die Geschichte der Kirche ist nicht nur eine der Heiligen, sondern auch von Fehlern. Wir lassen in der Aufarbeitung nicht nach, stellen uns dem Thema und werden damit nicht aufhören“, erklärte Marx.
Wichtige Themenfelder für das Wirken der Kirche sieht der Kardinal insbesondere auch in den Bereichen Jugendarbeit und Caritas. Viele hätten als junge Menschen wichtige und gute Erfahrungen in der Kirche gesammelt, zugleich sei der „Blick auf die Wunden der Welt, die Schwachen und Kranken“ entscheidend. Dabei seien alle eingeladen, in der Kirche mitzuwirken und auch mitzugestalten. Die Kirche müsse eine „synodalere Kirche werden unter Einbeziehung aller, die mittun wollen, in der Beratung, in der Entscheidung und im Handeln“. Alle, „die das Evangelium mitverkünden und dabei sein wollen“, seien eingeladen: „Redet mit, aber handelt auch mit. Tut etwas!“
In Bezug auf die Debatte um eine Ablösung der Staatsleistungen wiederholte der Kardinal, die Kirche sei „offen für alle Diskussionen, wir verweigern uns nicht“. Zugleich müsse aber der gesamte Zusammenhang in den Blick genommen werden. Es gehe zum einen nicht um „Privilegien der Kirche. Wir reden über rechtsstaatliche Zusammenhänge“. Zum anderen würden die Staatsleistungen „um ein Vielfaches übertroffen durch die Kirchensteuern, die in Projekte gehen, die allen Menschen zur Verfügung stehen. Ohne Kirchensteuer könnten wir vieles nicht machen. Da müsste der Staat ein Zigfaches der Staatsleistungen aufbringen“. Marx verwies beispielsweise auf das aus Kirchensteuern finanzierte Engagement der Kirche in den Bereichen Erziehung, Bildung, soziale Beratung und Betreuung oder Kultur.
Schließlich stellte der Erzbischof die Frage, „was fehlt, wenn Menschen fehlen, die vom Evangelium geprägt sind, die inmitten einer säkularen Welt ein Gebet sprechen, die helfen, auch wenn man dafür kein Geld bekommt? Was fehlt da? Da fehlt einiges. Deshalb ist es wichtig, dass Religion auch in Zukunft präsent ist.“
Rund 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik nahmen an dem traditionellen Jahresempfang des Erzbischofs von München und Freising und dem Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising im Kardinal-Wendel-Haus in München-Schwabing teil. Neben Marx sprach auch der Vorsitzende des Diözesanrats Armin Schalk. Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, sprach ein Grußwort. (hor)