Erzbistum trauert um Papst Franziskus

Kardinal Marx: „Wegweisender Papst, mutiger Denker und überzeugender Botschafter der Barmherzigkeit Gottes“
München, 21. April 2025. Das Erzbistum München und Freising trauert um Papst Franziskus, der heute im Alter von 88 Jahren gestorben ist. Er hatte über 12 Jahre das höchste Amt in der katholischen Kirche inne und hat in dieser Zeit mit seinem Denken und Handeln die Kirche nachhaltig geprägt. Sein Wort fand weit über ihre Grenzen hinaus Anerkennung.
Zum Tod von Papst Franziskus erklärt der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx:
 
„Mit großer Trauer haben wir die Nachricht erhalten, dass Papst Franziskus heute gestorben ist. Papst Franziskus war ein wegweisender Papst, ein mutiger Denker und ein überzeugender Botschafter der Barmherzigkeit Gottes. In den Jahren seines Pontifikats hat Papst Franziskus sehr wichtige Impulse für einen lebendigen Glauben in unserer Zeit und ebenso zur Erneuerung der Kirche gegeben. Mahnend und ermutigend zugleich hat er Stellung genommen zu zentralen Fragen von Theologie, Kirche und Gesellschaft. Gemäß dem Vorbild des heiligen Franziskus, dessen Namen er sich gegeben hatte, hat er immer die Sorge um die Armen und Schwachen, die Menschen an den Rändern der Gesellschaft, in den Mittelpunkt gestellt. Mit seiner Enzyklika „Laudato si“ (2015) und deren Fortschreibung „Laudate Deum“ (2023) zu sozialen Fragen und Umweltfragen, die für ihn unbedingt zusammengehören, hat Papst Franziskus einen entscheidenden Akzent zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit“ gesetzt, der weit über sein eigenes Leben hinausreichen wird. Franziskus war ein Mann des Glaubens, der stets auf die Kraft des Gebets vertraut hat und auch immer wieder zum Gebet ermutigt hat. Sein Gebet auf dem menschenleeren Petersplatz während der Corona-Pandemie im März 2020 hat viele Menschen tief bewegt.
Persönlich trauere ich um einen Papst, den ich über die gemeinsamen Jahre in großer Nähe erleben durfte. Gerne habe ich Papst Franziskus im Kardinalsrat in Fragen der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche gemeinsam mit anderen beraten, und die Aufgaben übernommen, die er mir übertragen hat. Wir haben in vertrauensvoller Weise eng zusammenarbeiten können. Wir konnten immer in großer Offenheit miteinander sprechen. Seine Ideen, seine klare Sicht der Dinge und seine herzliche Offenheit werden nicht nur mir fehlen. So wie viele Menschen, die ihm begegnet sind, war auch ich immer wieder neu davon berührt, dass er ganz da war, ganz im Augenblick der Begegnung sein konnte, zugewandt, aufmerksam, wertschätzend. Das ist eine besondere Gabe, durch die er viel Positives bewirken konnte – auch in den letzten Wochen seiner eigenen schweren Erkrankung war es ihm wichtig, für die Menschen da zu sein und die Hoffnung des Auferstandenen zu verkünden. Es war bewegend, dass er gestern noch einmal den Segen Urbi et Orbi gespendet hat.
Dieser Papst war ein großes Geschenk für die Kirche und die Welt. Wir dürfen in Dankbarkeit auf sein Pontifikat blicken. Sein Vermächtnis wird bleiben und uns weiter herausfordern.
 
Ein zentrales Motiv des Pontifikats von Papst Franziskus war der Gedanke der Barmherzigkeit, die nach seiner Überzeugung das Handeln der Kirche leiten müsse. Franziskus setzte sich für die Stärkung des Gewissens ein und betonte die Notwendigkeit der jesuitischen Tugend der „Unterscheidung“, auch bei Reform- und Klärungsprozessen in der Kirche. Er kritisierte Klerikalismus und Machtstreben in der Kirche; denn statt um sich selbst zu kreisen, so seine Forderung, müsse die Kirche die Verkündigung der Heilsbotschaft immer neu in den Vordergrund stellen und sich dabei an den Menschen orientieren, die nach dem Heil in ihrem Leben suchen. Diese Überzeugung vertrat er deutlich 2013 in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“, in dem er eine pastorale und missionarische Neuausrichtung der gesamten Kirche forderte. Bereits wenige Monate zuvor hatte Franziskus mit seiner ersten Enzyklika „Lumen fidei“, die auf einer nicht vollendeten Enzyklika seines Vorgängers Benedikt XVI. basiert, den Glauben als positive Kraft für das menschliche Leben dargestellt, der sich auch auf das gesellschaftliche Handeln auswirken müsse.
 
Im Anschluss an die viel beachtete Amazonassynode, bei der 2019 über ökologische und soziale Fragen sowie neue Wege der Seelsorge im Amazonas-Gebiet beraten wurde, formulierte Papst Franziskus eine umfassende soziale, kulturelle, ökologische und kirchliche Vision für Amazonien, die weltweit wichtige Impulse setzte. In seinem Schreiben „Querida Amazonia“ 2020 beklagte er die Ungerechtigkeiten und Verbrechen, unter denen insbesondere die indigene Bevölkerung zu leiden habe, warb für eine Wertschätzung der Kulturen Amazoniens, benannte die Amazonasregion als einen Kristallisationspunkt der Bemühungen um einen Schutz von Umwelt, Klima und Artenvielfalt und rief schließlich zu einer missionarischen, inkulturierten und engagierten „Kirche mit einem amazonischen Gesicht“ auf. So wie auch in dieser Akzentsetzung hat Papst Franziskus immer wieder neu skizziert, was die weltweite kirchliche Gemeinschaft ausmachen soll und während seines gesamten Pontifikates entscheidend geprägt, was Universalität bedeutet. Für die stark europäisch geprägte Sicht auf die Weltkirche war und ist das ein wohltuender Perspektivenwechsel, für den wir ihm sehr dankbar sind.
 
Mit Nachdruck setzte sich der auffallend bescheiden auftretende Papst, der persönlich einen einfachen Lebensstil pflegte, in besonderer Weise für die Menschen in der Peripherie unserer alltäglichen Wahrnehmung ein, für die Armen, Ausgegrenzten, Übersehenen und Schwachen. Immer wieder betonte er die Verantwortung der Kirche, zu den Menschen an den sogenannten Rändern der Gesellschaft, eben an den Rändern unserer üblichen Wahrnehmung zu gehen. Vor allem die Situation von Flüchtlingen bewegte Franziskus tief. So führte ihn seine erste Reise als Kirchenoberhaupt auf die italienische Insel Lampedusa, wo er an das Schicksal der tausenden Menschen erinnerte, die bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben waren. Jährlich erinnerte Papst Franziskus an diesen Besuch in Lampedusa und lenkte damit immer wieder den Blick der Weltgemeinschaft auf die Not der Flüchtlinge.
Auch bei anderen Gelegenheiten wie einer Rede vor dem EU-Parlament in Brüssel 2014 mahnte er eine humane Flüchtlingspolitik an. Und er erwies auch immer wieder, dass er nicht nur ein Mensch kluger Worte war, sondern auch ein Mensch, der konsequent handeln konnte, so wie bei seinem Besuch in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos 2016: Von dort nahm der Papst zwölf muslimische Flüchtlinge aus Syrien mit nach Rom und holte später weitere Flüchtlinge von der Insel nach Italien.
 
In seiner Enzyklika „Laudato si‘“, deren Titel den Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi zitiert, rief Papst Franziskus 2015 mit klarem Blick auf soziale Ungerechtigkeiten und die Erschöpfung natürlicher Ressourcen zu einem tiefgreifenden weltweiten Bewusstseinswandel auf. Die gesamte Menschheitsfamilie sei verantwortlich für ihren Planeten, heißt es in dem Dokument, das den Untertitel „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ trägt. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse nannte er den Menschen als Hauptverursacher vieler Umweltprobleme und sprach sich auch für konkrete Veränderungen aus, unter anderem für eine nachhaltige Energiegewinnung. Die von Menschen verursachte Zerstörung der Umwelt kritisierte der Papst immer wieder, so auch bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung im September 2015, in der er die Verantwortlichen auch aufforderte, Verbrechen wie Menschenhandel, Drogen- und Waffenhandel und Terrorismus zu bekämpfen. Papst Franziskus hat die Themen, die in „Laudato si‘“ gebündelt vorliegen, im Verlauf seines Pontifikates immer wieder aufgegriffen und wurde nicht müde aus seinem tiefen Glauben heraus, die Menschen zu ermahnen und zu ermutigen, die Sorge für das gemeinsame Haus mit höchster Priorität anzugehen. So wie „Laudato si“ wohl Einfluss genommen hat auf die Weltklimakonferenz in Paris 2015 und von vielen Menschen weltweit als bedeutsame Botschaft anerkannt wurde, hat sich Papst Franziskus auch mit der Fortschreibung „Laudate Deum“ 2023 erneut gezielt an die politisch Verantwortlichen gerichtet, die zur Weltklimakonferenz in Dubai zusammentrafen. Zum ersten Mal überhaupt war geplant, dass ein Papst an der Weltklimakonferenz teilnimmt und dort spricht. Es fiel Papst Franziskus schwer, zu akzeptieren, dass eine akute Erkrankung ihn letztlich davon abhielt, dort zu erscheinen. Es ging ihm nicht um die große Bühne, sondern um die überragende Möglichkeit, die politisch Höchstverantwortlichen aus aller Welt darin zu bestärken, dass jetzt die Zeit gekommen sei, konsequent zu handeln, um die Schöpfung zu retten. Einen besonderen Blick richtete Papst Franziskus auch in diesem Zusammenhang auf diejenigen, die von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen sind. Für Franziskus war immer wieder der Gedanke leitend, dass „alles mit allem zusammenhängt“. Das ist ein Auftrag, den wir auch als Kirche weitertragen müssen – sowohl in unserem innerkirchlichen Handeln, aber mehr noch in unserer Sendung für die Welt und zum Heil der Menschen. Es geht nicht um uns als Kirche, sondern um nichts weniger als um alles Leben dieser Schöpfung. Papst Franziskus war überzeugt, dass der christliche Glaube geradewegs dazu verpflichtet, sich für den Erhalt der Schöpfung einzusetzen.
 
Auch die Fortsetzung des ökumenischen und interreligiösen Dialogs im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils war ein wichtiges Anliegen für Papst Franziskus. Erinnern möchte ich etwa daran, wie er im schwedischen Lund 2016 mit dem Lutherischen Weltbund das Gedenkjahr zum 500. Jahrestag des Beginns der Reformation eröffnete.
Ein weiteres historisches Moment war zweifelsohne 2016 auf Kuba die Begegnung mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Es war die erste Begegnung von Oberhäuptern der katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche. Dass sich durch den Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 und die Positionierung von Patriarch Kyrill I. auf Seiten der russischen Regierung das Verhältnis zwischen den Kirchen wieder verschlechterte, ist unzweifelhaft, und die Verbindung erwies sich nicht als so tragfähig wie erhofft. Dennoch gab es immer wieder Angebote des Vatikan als Vermittler in diesem Krieg.
Papst Franziskus hatte für sich den Auftrag der Einheit als zentrale Aufgabe des Papstamtes erkannt und angenommen, von dem er nicht einfach absehen konnte. Das hat ihn nicht nur im Kontext des Ukrainekrieges immer wieder vor herausfordernde Positionierungen gestellt. Papst Franziskus wurde nicht müde, immer wieder auf den Krieg in der Ukraine und die Gräueltaten aufmerksam zu machen und für alle Opfer und einen baldigen Frieden zu beten. Ganz ohne Zweifel waren sein Mitfühlen und sein Gebet und seine Sorge bei den Menschen in der Ukraine, ebenso wie bei allen Menschen, die durch Krieg und Terror, durch Gewalt und Verbrechen bedroht und getötet wurden.
Auch bei seinen Auslandsreisen und diplomatischen Vermittlungsversuchen förderte er eine Kultur der Begegnung und Verständigung auch im interreligiösen Gespräch. Seine Reise im September 2023 in die Mongolei, ein demokratisches, mehrheitlich buddhistisches Land, in dem Katholiken als kleine Minderheit leben und das zugleich gekennzeichnet ist von einem harmonischen Zusammenleben verschiedener Religionen und Weltanschauungen, ist beispielhaft für die über 40 Auslandsreisen in mehr als 60 Länder, die Papst Franziskus bis zuletzt trotz nachlassender Gesundheit unternahm. Denn auf diese Weise brachte er unmittelbar zum Ausdruck, wie wichtig es ist, den Blick zu weiten und an die sogenannten „Ränder“ zu gehen – innerhalb einer Gesellschaft ebenso wie in entferntere Länder.
 
Bei einer Reise ins Heilige Land 2014 war Franziskus für Versöhnung im Nahen Osten. An der Klagemauer in Jerusalem umarmte er in einer historisch symbolischen Geste dreier Weltreligionen einen Rabbiner und einen Imam. In Yad Vashem gedachte er der Opfer des Holocaust. Zwei Wochen später trafen sich auf Einladung von Franziskus die Präsidenten Israels und Palästinas bei einem Friedensgebet im Vatikan. Wiederholt betonte der Papst die gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Judentum und erklärte, Juden und Christen seien Geschwister. Jegliche Form von Antisemitismus verurteilte er mit Nachdruck. In einer Rede an die Mitglieder der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) im Vatikan im November 2023 betonte Papst Franziskus die Nähe von Christentum und Judentum. Zu Beginn seiner Ansprache bezog er Stellung zu dem wenige Wochen zuvor erfolgten Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel und verurteilte Hass, Gewalt, Brutalität und Krieg „in diesem vom Allerhöchsten gesegneten Land“ scharf, ebenso wie die weltweit zu beobachtende Verbreitung antisemitischer Parolen und Haltungen.
 
Auch der Dialog mit dem Islam hatte für Franziskus eine besondere Bedeutung. Wiederholt rief er zum gegenseitigen Respekt zwischen Christen und Muslimen auf. Bei Reisen in verschiedene islamische Länder, 2014 etwa in die Türkei, 2019 in die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko, 2021 in den Irak und 2022 nach Bahrain, verstärkte er die bestehenden Beziehungen zwischen beiden Religionen.
 
Es ist gerade eine Aufgabe der Religionen und ihrer höchsten Vertreter, immer wieder klarzumachen, dass Krieg und Terror keine Sprachen Gottes sind. Papst Franziskus hat immer wieder zum Waffenstillstand, zu Versöhnung und Frieden aufgerufen – und vor allem mit unzähligen Menschen für Frieden auch im Heiligen Land gebetet. Dieser Papst war auch ein Papst des Gebetes, und glaubte selbst unbedingt an die Kraft des Betens, die den Frieden schaffen kann.
 
Für sein Engagement für Frieden und Verständigung in Europa wurde Franziskus 2016 mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet. Diese Auszeichnung bedeutet einen bleibenden Auftrag und eine deutliche Mahnung für die Kirche, immer auf der Seite des Friedens zu stehen, den Dialog zu fördern und die Gemeinsamkeiten der einen Menschheitsfamilie zu betonen. Denn: Wir sind alle Geschwister und schulden uns unbedingte Menschlichkeit!
 
Ein schmerzliches Thema während der Amtszeit von Papst Franziskus war der Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Ein entscheidender Schritt war die Einrichtung einer Päpstlichen Kinderschutzkommission zur Vorbeugung und Aufarbeitung 2014. Bei einer von Franziskus einberufenen internationalen Kinderschutz-Konferenz berieten 2019 in Rom die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen und weitere Teilnehmer und Teilnehmerinnen über den Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Ende 2019 hob Franziskus das sogenannte päpstliche Geheimnis bei Missbrauchsverfahren auf. Durch einen päpstlichen Erlass sind nun in allen Teilen der Weltkirche alle Fälle von Missbrauch und Vertuschung anzeigepflichtig; in Deutschland galt dies bereits zuvor.
Die Wahrnehmung, Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt und sexuellem Missbrauch ist eine bleibende Anfrage an die gesamte Kirche und an die Theologie. Viele Fragestellungen, die darin gründen, haben die synodalen Prozesse der letzten Jahre aufgegriffen, intensiv behandelt und dadurch nachhaltig wichtige Impulse für das Selbstverständnis und die Sendung der Kirche gesetzt. Papst Franziskus hat immer wieder den Raum für die Auseinandersetzung mit diesen zentralen Fragen geschaffen und sich nicht davor gescheut, auch unbequeme Fragen anzugehen. Damit hat er gerade auch für die Amtsträger in der Kirche die Sendung ihres Amtes geschärft. Gerade auch als Bischöfe stehen wir in der Verantwortung für die Institution Kirche als Ganze. Papst Franziskus hat meinen darin begründeten Verzicht auf das Amt als Erzbischof von München und Freising 2021 abgelehnt. Das habe ich als Herausforderung angenommen, mich noch stärker einer synodalen Kirche zu verpflichten und in der Einheit mit dem Papst Wege der Erneuerung zu gehen.
 
Die bedeutendsten Wegmarken setzte Papst Franziskus auch beim Umgang mit sexuellem Missbrauch insbesondere in der Begegnung mit Betroffenen. Das haben auch die Betroffenen und ihre Begleiterinnen und Begleiter sehr berührend geschildert, die mit ihm am Ende ihrer Radpilgerreise 2023 von München nach Rom über ihre Not und ihre Hoffnungen gesprochen haben. Papst Franziskus hat sie verstanden, und ihre Appelle, dass Missbrauch nie wieder geschehen darf und die Kirche sich selbst verändern muss, als ernsthaften Auftrag mitgenommen. Die Übergabe einer Herz-Skulptur des Künstlers Michael Pendry mag symbolisch für diese Begegnung von Mensch zu Mensch, von Herz zu Herz stehen. Denn das vermochte Papst Franziskus in unnachahmlicher Weise. Und diese Art, Menschen zu begegnen und darin die Menschenfreundlichkeit Gottes zu bezeugen, bleibt als großes Vermächtnis für alle weiteren Nachfolger auf dem Stuhl Petri bestehen.
 
Es gab viele theologische und kirchliche Debatten, die Papst Franziskus während seines Pontifikates angestoßen hat. Auf breite Aufmerksamkeit stieß die intensive mehrjährige Debatte zu theologischen und pastoralen Fragen im Kontext von Ehe und Familie. Gemäß seinem Bekenntnis zu mehr Dialog in der Kirche veranlasste Papst Franziskus 2013 in den Bistümern eine Umfrage unter allen Gläubigen. Die Ergebnisse gingen in die Beratungen einer Bischofssynode im folgenden Jahr ein. Dieses Vorgehen markiert eine Neuerung, hinter die auch künftige Synoden nicht zurückfallen können. Erst im Anschluss an eine weitere Synode im Folgejahr veröffentliche Franziskus 2016 sein Nachsynodales Schreiben „Amoris laetitia“. Darin plädierte er für mehr Barmherzigkeit in der Anwendung der kirchlichen Morallehre, hielt aber zugleich an den kirchlichen Lehren über Ehe und Familie fest. In dem Dokument, das innerkirchlich heftige Debatten auslöste, äußerte er sich auch zur kirchlichen Sexualmoral, zum Umgang mit Homosexualität und mit wiederverheirateten Geschiedenen. Die intensive und breite Beschäftigung mit diesen Fragen hat auch dazu geführt, dass Papst Franziskus das Schreiben „Fiducia supplicans“ genehmigte, das den Segen für homosexuelle und unverheiratete Paare möglich machte. Bei alldem blieb Papst Franziskus der Tradition der kirchlichen Lehre treu, und zeigte zugleich immer wieder, dass es darum geht, der Barmherzigkeit Gottes den Weg zu allen Menschen zu eröffnen und keine Wege zu verbauen.
 
Zu den vordringlichen Aufgaben von Papst Franziskus zählte auch die Weiterführung einer umfassenden Kurienreform. Wenige Woche nach seiner Wahl, im April 2013, benannte Franziskus einen Kreis von Kardinälen, der ihn bei einer Umgestaltung der römischen Kurie beraten sollten. Auch in dieser Kurienreform ging es Papst Franziskus darum, dass sich die Kirche mit ihrer Organisation und Struktur am Dienst des Evangeliums für die ganze Welt ausrichtet. Mit der Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ 2022 stellte Papst Franziskus entscheidende Weichen dafür, dass die Kurie ihren Dienst für die Weltkirche entsprechend den Erfordernissen unserer Zeit weiterhin sinnvoll und zukunftsfähig erfüllen kann. Eines der bedeutenden Anliegen war für ihn die Förderung von Frauen im Dienst der Kirche und er sorgte dafür, dass das Amt der Leitung eines Dikasteriums künftig auch von Frauen übernommen werden kann. Unter dem Pontifikat Franziskus‘ erhöhte sich die Ernennung von Frauen in Führungspositionen in verschiedenen vatikanischen Strukturen.
Auch die wechselnde Zusammensetzung etwa des Kardinalsrates zeigt, dass es Papst Franziskus primär darum ging, möglichst viele Perspektiven aus der Weltkirche einzubeziehen und in der Gestaltung der Organisationsform der Kirche dynamisch zu bleiben und dabei dem Auftrag Jesu zur Sendung in die Welt treu zu bleiben.
 
Davon künden auch herausragende geistliche Ereignisse während Franziskus‘ Amtszeit, wie unter anderem die Heiligsprechung seiner Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. im April 2014, das Heilige Jahr der Barmherzigkeit 2015/2016 und die Weltjugendtage 2013 in Rio de Janeiro, 2016 in Krakau, 2019 in Panama und 2023 in Lissabon. Bedeutend ist ohne Zweifel das Heilige Jahr, das Papst Franziskus unter dem Leitmotto „Pilger der Hoffnung“ am Heiligabend 2024 eröffnete. Damit sprach er viele Gläubige in aller Welt an und rief zugleich dazu auf, Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung zu sein!
 
Papst Franziskus hatte stets die Kirchen in allen Teilen der Welt im Blick und nahm aufmerksam wahr, was in den einzelnen Ortskirchen jeweils bedeutend war.
Nach dem Anschlag am Münchner Olympia-Einkaufszentrum, bei dem im Juli 2016 neun Menschen getötet wurden, übermittelte Franziskus in einem Telegramm sein Mitgefühl. Der Papst „nimmt Anteil an der Trauer der Hinterbliebenen und bekundet ihnen seine Nähe in ihrem Schmerz“, hieß es in dem Schreiben, in dem er auch den Rettungs- und Ordnungskräften für ihren Einsatz dankte. Es war für Papst Franziskus stets ganz selbstverständlich, die Menschen in den Mittelpunkt aller Sorge zu stellen und den Einzelnen in ihrer und seiner ganz konkreten Freude und Not zu sehen. Für ihn war jeder Mensch wichtig. Die Fähigkeit zur ungeteilten Aufmerksamkeit für die Einzelnen und für besonders verletzliche Gruppen von Menschen zeichnete Papst Franziskus in ganz besonderer Weise aus.
Auch zentrale Ereignisse in der Kirche in Deutschland begleitete der Papst aufmerksam. So begrüßte er zu Beginn des Synodalen Wegs der deutschen Katholiken 2019 in einem Schreiben deren Engagement und bat zugleich darum, keine ortskirchlichen Sonderwege zu beschreiten, sondern die Erfahrungen in den weltweiten synodalen Prozess einzubringen. Mit diesem vierjährigen weltweiten Prozess der Bischofssynode, die sich mit der Synodalität selbst befasste, markierte Papst Franziskus eine deutliche Veränderung des Verständnisses von Synodalität – sowohl im Miteinander der Synodalen als auch in den behandelten Fragen. Im Herbst 2021 eröffnet, fand diese Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode im Herbst 2024 ihren Abschluss nach einer breiteren Beteiligung aller Ortskirchen. Es ging um nichts weniger als um die Frage, „wie wir eine missionarisch-synodale Kirche sein können“, so das Leitwort der abschließenden Generalversammlung. Papst Franziskus hat schließlich die Synodalität selbst zur Wirkung gebracht, indem er das Abschlussdokument der Bischofssynode als ordentliches Lehramt anerkannt hat, ohne nochmals eine eigene Einordnung vorzunehmen. In der begleitenden Note zum Abschlussdokument hatte Papst Franziskus im November 2024 das Wesentliche zusammengefasst: „Indem sie [die Bischofssynode] sich vom Heiligen Geist leiten ließ, wurde die gesamte Kirche eingeladen, ihre eigene Erfahrung zu reflektieren und die Schritte zu identifizieren, die nötig sind, um Gemeinschaft zu leben, die Teilnahme zu verwirklichen und die Mission zu fördern, die Jesus Christus ihr anvertraut hat. […] Der synodale Weg der katholischen Kirche, der auch vom Wunsch inspiriert ist, den Weg zur vollen sichtbaren Einheit der Christen fortzusetzen, ‚bedarf der Begleitung der Worte durch Taten‘.“ Mit diesem weltweiten Prozess hat Papst Franziskus einen entscheidenden Beitrag geleistet für eine stets lernende und sich stets verändernde Kirche, die gerade darin ihrer Sendung und ihrem Ursprung Ausdruck verleiht. Dass die Kirche jetzt und zukünftig eine „chiesa synodale“ ist, verdanken wir diesem großen Pontifikat.
 
Schon sein bischöfliches Wirken in Buenos Aires hatte Jorge Mario Bergoglio unter ein vielsagendes Wort aus dem Matthäus-Evangelium gestellt: „Durch Erbarmen auserwählt.“ Eben nicht auserwählt aus eigenem Antrieb und Machtstreben, noch aufgrund eigener Fähigkeiten oder der Gunst anderer, sondern aus Erbarmen auserwählt von Gott, um dessen Erbarmen, seine Barmherzigkeit den Menschen nahe zu bringen. Am Abend seiner Wahl hat Papst Franziskus die Menschen auf dem Petersplatz demütig gebeten, für ihn zu beten. Und das hat er bei jeder Begegnung gesagt: Bete für mich. Das wollen wir auch jetzt im Angesicht seines Todes tun und für ihn beten. Erbitten wir Gottes Barmherzigkeit und Freundschaft für unseren Bruder Jorge Mario Bergoglio – für unseren verstorbenen Papst Franziskus.“
 
 
Der am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires in Argentinien als Sohn italienischer Einwanderer geborene Jorge Mario Bergoglio trat nach einem Abschluss als Chemietechniker in den Jesuitenorden ein. Er studierte Geisteswissenschaften, Theologie und Philosophie und wurde am 13. Dezember 1969 zum Priester geweiht. Er war Provinzial der argentinischen Provinz der Jesuiten und lehrte Theologie an der Hochschule des Ordens in San Miguel. 1986 forschte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen der Jesuiten in Frankfurt am Main zu dem deutschen Theologen Romano Guardini. Eine geplante Dissertation zu Guardini blieb unvollendet. 1992 wurde er Weihbischof des Erzbistums Buenos Aires. 1997 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Koadjutorerzbischof der Erzdiözese, 1998 zum Erzbischof. 2001 folgte die Aufnahme in das Kardinalskollegium. Von 2005 bis 2011 war Bergoglio Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz. Nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. vom Papstamt im Februar 2013 wurde er am 13. März zu dessen Nachfolger gewählt und gab sich den Namen des heiligen Franz von Assisi. Franziskus blieb regelmäßig mit seinem Vorgänger im Gespräch und Austausch, und feierte auch das Requiem für den emeritierten Papst Benedikt XVI. am Beginn des Jahres 2023 – ein für die katholische Kirche einzigartiger Moment. (ps)