München, 4. Oktober 2023. Am 12. Oktober 2023 jährt sich die Hinrichtung Willi Grafs, des Widerstandskämpfers und Mitglieds der „Weißen Rose“, durch das NS-Regime in der Haftanstalt München-Stadelheim zum 80. Mal. Aus diesem Anlass erinnert die Erzdiözese München und Freising mit einer internationalen wissenschaftlichen Fachtagung unter dem Leitwort „Jeder einzelne trägt die ganze Verantwortung“ am
Mittwoch und
Donnerstag,
11. und
12. Oktober 2023 in der
Katholischen Akademie in Bayern,
Mandlstraße 23,
80802 München an Leben, Denken und Wirken Willi Grafs im Kontext seines Widerstands gegen die Nationalsozialisten.
Ausgerichtet wird die Tagung vom Erzbischöflichen Ordinariat München gemeinsam mit dem Weisse Rose Institut e.V. Der Abendvortrag
am
Mittwoch,
11. Oktober 2023 um
19 Uhr zum Thema „Ist ,Widerstand΄ das richtige Wort? Die katholische Kirche im ,Dritten Reichʾ. Über Widerstand, Distanz, Anpassung und Kollaboration“ von Michael Kißener, Professor für Zeitgeschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, ist öffentlich und kostenlos. Zum Abschluss der Tagung feiert Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising, am
Donnerstag,
12. Oktober 2023,
dem 80. Todestag von Willi Graf, zu dessen Todesstunde um
16.45 Uhr in der
Münchner Pfarrkirche St. Sylvester einen
Gottesdienst. Graf wohnte während seines Studiums der Medizin ab 1942 an der Ludwig-Maximilians-Universität unweit der Kirche und besuchte dort regelmäßig Gottesdienste. Für den Gedenkgottesdienst wird jenes Kreuz aus Stadelheim ausgeliehen, vor dem Willi Graf und die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ vor ihrer Hinrichtung gebetet haben. Zur Aufführung gelangt als europäische Erstaufführung die Vertonung des ins Englische übertragenen letzten Briefs von Willi Graf, gesetzt für Tenor und Violine durch die amerikanische Komponistin Jennifer Rosenfeld eigens zum 80. Todestag des Widerstandskämpfers. Die Ausführenden sind der amerikanische Tenor Jon Lee Keenan und Korbinian Altenberger, Konzertmeister der 2. Violinen im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Den Leitgedanken der Tagung „Jeder einzelne trägt die ganze Verantwortung“ hat Willi Graf, geboren am 2. Januar 1918 im rheinländischen Euskirchen und aufgewachsen in Saarbrücken, am 6. Juni 1942 in seinem Tagebuch notiert. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit der Herkunft der Familie Graf aus dem Saarland und dem dort praktizierten Katholizismus´ mit einem Fokus auf die damaligen christlichen Jugendbewegungen, denen auch Willi Graf angehörte. Diesem geistigen Umfeld seiner Bildungsgeschichte sowie dem Einfluss von Hans Scholl (1918-1943) in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ widmen sich die beiden Vorträge von Denise E. Heap, Direktorin des Center White Rose Studies in Gettysburg (Pennsylvania, USA), und Stephani Richards-Wilson, Associate Professor für Business und Management am Alverno College in Milwaukee (Wisconsin, USA).
Von zentraler Bedeutung war darüber hinaus die liturgische Bewegung, die der Religionsphilosoph Romano Guardini (1885-1968) prägte und damit Willi Graf inspirierte, wie Lucia Scherzberg, emeritierte Professorin für Systematische Theologie an der Universität des Saarlandes, und der Theologe Helmut Zenz
in einem Panel-Vortrag ausführen. Maßgeblich in diesem Zusammenhang war der Dogmatiker Michael Schmaus (1897-1993), den Thomas Marschler, Professor für Dogmatik an der Universität Augsburg, in den Mittelpunkt seines Referats stellt. Einblicke in die Lektürepraxis der Mitglieder der „Weißen Rose“ gibt der Vortrag von Veit Neumann, Professor für Pastoraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. im österreichischen Heiligenkreuz. Am Tag seiner Hinrichtung schreibt Willi Graf in einem letzten Brief, gerichtet an seine jüngste Schwester Anneliese (1921-2009), man müsse „weitertragen, was wir begonnen haben“. Johannes Modesto, Postulator und Referent für diözesane Seligsprechungsverfahren im Erzbischöflichen Ordinariat München, nimmt dieses Vermächtnis zum Ausgangspunkt für Überlegungen zu einer Wirkungsgeschichte Willi Grafs.
Aus Anlass des 100. Geburtstags von Willi Graf am 2. Januar 2018 eröffnete das Erzbistum München und Freising eine Voruntersuchung, um zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Seligsprechung besteht. Die Tagung findet im Vorfeld der möglichen Eröffnung eines Seligsprechungsprozesses statt und trägt, vollkommen unabhängig vom Ausgang eines solchen Verfahrens, wesentlich zum Verständnis des Lebens und Wirkens der Person Willi Grafs bei. (cs)
Hinweise: Detaillierte Informationen zur Tagung finden sich im Internet unter
https://www.erzbistum-muenchen.de/erwachsene/fachtagung-willi-graf und
https://weisserose.info/. Medienvertreterinnen und -vertreter werden gebeten, sich bei der Pressestelle über die E-Mail-Adresse
pressestelle@erzbistum-muenchen.de anzumelden.