Kardinal Marx besucht Minenarbeiter im Urwald Ecuadors

Münchner Erzbischof verweist auf soziale und ökologische Folgekosten der Gewinnmaximierung
Universität von Azuay ernennt Marx zum Ehrenprofessor
Kardinal Marx mit Pfarrer Schlachtbauer und Präfekt Quispe
Kardinal Marx im Gespräch mit Präfekt Quispe (re), ©EOM
Herradura/Cuenca, 7. September 2017. Im entlegenen Urwaldgebiet im Süden des Partnerlandes Ecuador hat Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, eine Goldmine besucht und sich mit Minenarbeitern, ihren Familien und dem Präfekten der Region Zamora über die prekäre Situation der Bevölkerung und die Verschmutzung der Umwelt durch den Abbau von Bodenschätzen ausgetauscht. An der Universität von Azuay fand zu dem im ganzen Land virulenten Thema am Mittwoch, 6. September (Ortszeit), eine Tagung statt, bei der Marx einen Impulsvortrag hielt.

Kardinal Marx besuchte am Dienstag, 5. September, das Dorf Herradura, in dem 400 Minenarbeiter mit ihren Familien leben, die in Dutzenden in den Berg geschlagenen Stollen Gold abbauen.
 
Mit hochgiftigem Quecksilber lösen die Männer dort das Edelmetall aus den Steinklumpen, die sie von Hand aus dem Fels herausschlagen. So schürft jeder von ihnen für einen Verdienst von 10 US-Dollar etwa ein Gramm Gold pro Tag. Das Edelmetall verkaufen sie selbst an Händler weiter. Die Menschen wohnen in kleinen, mit Stelzen in den steilen Hang gestellten Holzhütten, die vom Staub der Minen und dem Matsch der Straßen überzogen sind. Einige Frauen haben kleine Läden eröffnet, sie verkaufen Dinge wie Getränke, Schokolade oder Seife.
 
Die Minenarbeiter schilderten dem Kardinal, dass es ihnen gelingt, mit ihrem Verdienst ihre Familien durchzubringen. Im Alter von 18 Jahren fangen sie damit an, in den Berg zu steigen, acht Stunden jeden Tag, so lange sie es körperlich schaffen. Eine Rente bekommen sie nicht. Sie sagen, es reiche ihnen zum Leben. Doch eine multinationale Firma will jetzt mit großen Maschinen und moderner Technik die Arbeit erledigen, die sie mit ihren Händen machen. Der Konzern hat eine Konzession zum Goldabbau vom ecuadorianischen Staat bekommen – die  Goldwäscher von Herradura, die sich seit vier Jahrzehnten in den Berg unter ihren Häusern bohren, dagegen nicht.
 
„Die ausländischen Großkonzerne schürfen aus Sicht der Behörden legal, die Arbeit der Dorfbewohner gilt als illegal“, sagt Salvador Quispe, der als demokratisch gewählter Präfekt der Provinz Zamora auf Seiten der Minenarbeiter steht und will, dass die Bergbaudörfer sich gegen die Konzerne verbünden und die Bevölkerung an deren Stelle zum Zuge kommt. Die Zentralregierung in der Hauptstadt Quito indessen verfolge überall im Land eine andere Politik. So leben Menschen in Herradura in der ständigen Angst, dass die Armee anrückt und sie aus ihren Häusern verjagt.
 
Dieses und andere Beispiele wurden bei einer akademischen Stunde an der Universität von Azuay zum Thema „Laudato Si‘ und Megaminen“ angesprochen. Kardinal Marx kritisierte das technokratische Paradigma, wonach alles, was technisch machbar sei und wirtschaftlichen Gewinn abwerfe, auch gemacht werde. „Das kann nicht akzeptiert werden, nicht nur aus moralischen Gründen, sondern weil es langfristig soziale und ökologische Kosten verursacht, die kurzfristige Berechnungen nicht berücksichtigen. Diese Kosten werden weitergegeben an zukünftige Generationen oder an die Steuerzahler.“
 
Überraschend wurde Marx von der Universität von Azuay zum Ehrenprofessor ernannt. Der Rektor der Hochschule, Francisco Salgado, würdigte die Verdienste des Kardinals als Sozialethiker und Vertreter der Katholischen Soziallehre. Er erinnerte auch an das Buch „Das Kapital“, in dem Marx Auswüchse des Finanzkapitalismus analysiert und für einen weltweiten Ordnungsrahmen plädiert. (kel)