Marx: „Weg in neue Epoche der kirchlichen Wirklichkeit“

Kardinal thematisiert bei Vollversammlung des Diözesanrats synodale Elemente in der Kirche
München, 17. Oktober 2021. Kardinal Reinhard Marx hat dazu aufgerufen, einen „Weg zu gehen in eine neue Epoche der kirchlichen Wirklichkeit, mit Mut, mit einem Blick nach vorne, aber auch nicht auszublenden, was war“. Zugleich warnte Marx davor, die aktuelle kirchliche Krise von der Reformdebatte zu trennen: „Viele denken, dass wir natürlich administrativ alles tun müssten, um bessere Wege zu finden, aber das habe nichts mit der Reform der Kirche zu tun. Da bin ich dezidiert anderer Meinung“, betonte der Erzbischof von München und Freising bei der Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken am Samstag, 16. Oktober, in München. Mit Blick auf sein weiteres Wirken als Erzbischof stellte Marx fest: „Ich möchte mit großer Freude, mit Zuversicht mit Ihnen zusammen weiterarbeiten an einer Kirche, die Zukunft hat“.
 
Als Bestandteile des Weges in die Zukunft der Kirche nannte Kardinal Marx den laufenden Gesamtstrategieprozess der Erzdiözese mit seinen synodalen Elementen, den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland wie auch den weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus am 10. Oktober eröffnet hat. Kardinal Marx betonte, dass der Begriff synodal als „Adjektiv für die gesamte Kirche“ verstanden werden solle. In diesem Fall gelte: „Kirche kann nur synodal sein, wenn dies auf Priester, Seelsorger und Gremien zutrifft. Das haben wir noch nicht gefüllt.“ Der synodale Weg sei ein gemeinsamer Auftrag dazu. Was dies für ihn als Person bedeute, müsse er noch lernen: „Was kann ein synodaler Bischof sein für die Zukunft?“ Der Erzbischof betonte gegenüber der Vollversammlung auch, dass es für Kirche nicht darum gehen könne, „Räume zu besetzen und zu verteidigen, sondern Prozesse in Bewegung zu setzen. Darauf möchte ich mich mit Ihnen als synodaler Bischof einlassen.“
 
Für sein künftiges Wirken als Bischof hätten ihn nach seinem Rücktrittsangebot an Papst Franziskus im Sommer mehrere hundert – meist sehr positive und bestärkende – Zuschriften ermutigt, so Marx: „Es waren Briefe aus der Mitte der Kirche, von Menschen, die darum ringen, wie es mit der Kirche weitergehen kann.“ Der Erzbischof äußerte den Wunsch, „dass die Krise nicht dazu führt, dass wir aufgeben, sondern lernen, dass wir weiter gehen, dass wir tiefer schauen. Das Projekt des Mannes aus Nazareth ist größer als wir, ist größer als die Kirche. Leisten wir unseren Beitrag dafür, dass dieses Projekt gelingt!“ Für ihn persönlich bedeute dieser Auftrag: „Es geht nicht um eine One-Man-Show. Für einen Bischof ist wichtig, was er tut, welche Zeichen er setzt.“ Die Tagesordnung dazu gebe „uns die Welt vor, die Menschen, die Zeichen der Zeit, das Evangelium“.
 
Insbesondere benannte der Kardinal hier die Missbrauchskrise, die nicht einfach verschwinden werde und in einen größeren Zusammenhang gestellt werden müsse. Das von der Erzdiözese in Auftrag gegebene neue Missbrauchsgutachten sei dabei „ein unverzichtbarer Baustein, aber es ist nicht die Aufarbeitung. Es muss weiter gehen.“ Der Synodale Weg in Deutschland wie auch der „Gesamtweg der Kirche“ im Rahmen des synodalen Prozesses der Weltkirche seien wichtige Teile davon. Auch die ansteigende Diskussion um geistlichen Missbrauch wolle Marx vertiefen, zusammen mit den Betroffenen. Viele Menschen hätten in der Kirche auch „Orte der Verängstigung und der Bedrohung erfahren“, obwohl durch Seelsorge, in der Predigt und im Leben der Pfarreien sichtbar werden müsse: „Seht her, hier sind für euch alle Orte des Heils und der Hoffnung.“
 
 
Der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan, hat die Vollversammlung des Diözesanrats über den aktuellen Stand des laufenden Gesamtstrategieprozesses für die Erzdiözese informiert. Das Ziel sei, „Leitlinien zu entwickeln, mit denen wir als Erzdiözese unser kirchliches Handeln für die Zukunft wirksam ausrichten können“, sagte Klingan. Um dem Titel des im September 2020 begonnenen Gesamtstrategieprozesses, „Wirkung entfalten, Kirche gestalten“ gerecht zu werden, brauche es die Vergewisserung, „was sind unsere inhaltlichen Ziele? Was wollen wir einbringen, um die Welt mitzugestalten?“, so Klingan. Hierzu seien im Rahmen der Handlungsfelder des Gesamtstrategieprozesses „Zieldimensionen“ in den Blick genommen worden, die unter anderem inhaltliche Orientierung, Angebote in der Fläche, Zielgruppenorientierung, Innovation, die Rolle des Ehrenamtes sowie finanzielle und personelle Ressourcen und Immobilien betreffen. Im Rahmen von Workshops seien diese jeweils zu „Zielbildern“ verdichtet worden, die im nächsten Schritt des Projekts in ein ganzheitliches strategisches Zielbild zusammengeführt und im Anschluss in Pilotprojekten erprobt werden sollen.
 
Der Generalvikar betonte, dass es für ein zielgruppenorientiertes Handeln, das sich an der Frage nach Wirkung ausrichte, Evaluation und innovatives Denken brauche, wobei „Innovation nicht heißt: alles neu und das Alte weg. Eine Erkenntnis kann auch sein, bestehende Angebote anders auszurichten, auszuweiten oder zu konzentrieren“. Um in Zeiten begrenzterer Ressourcen weiter gut wirken zu können, sei etwa im Bezug auf bestimmte Immobilien die Frage nach Kooperationen mit anderen Trägern oder Nutzungserweiterungen zu stellen: „Es gibt Pfarrsäle, die nur die Hälfte der Woche genutzt werden. Da ist zu überlegen, ob man sinnvolle Synergien schaffen kann.“ In diesem Zuge müsse auch „ehrlich diskutiert werden, ob wir alle Kirchen und weiteren Immobilien in dieser Weise erhalten können“. Solche Fragen müssten unter Einbeziehung von Pastoralkonzepten vor Ort bedacht werden, die stetig weiterentwickelt werden müssten. Generalvikar Klingan wies im Rahmen eines Ausblicks darauf hin, dass ein Gottesdienst am 11. Dezember einen formalen Schlusspunkt des laufenden Projektes bilden soll. In einem nächsten Schritt gelte es, die Ergebnisse in der Praxis für das konkrete Handeln auszugestalten und die erarbeiteten Kriterien bei Entscheidungen anzuwenden. Informationen zum Gesamtstrategieprozess können laufend unter www.erzbistum-muenchen.de/strategieprozess abgerufen werden.
 
Im Mittelpunkt der Versammlung mit dem Titel „200 Jahre Erzbistum sind noch nicht genug!“ standen Umbrüche, Aufbrüche und Herausforderungen während des 200-jährigen Bestehens des Erzbistums München und Freising. Aktuelle Entwicklungen im Erzbistum und darüber hinaus thematisierten neben Kardinal Marx und Generalvikar Klingan auch der Diözesanratsvorsitzende Hans Tremmel und der Leiter des Ressorts Grundsatzfragen und Strategie des Erzbischöflichen Ordinariats München, Armin Wouters.
 
Zum Abschluss der Versammlung feierte Marx in der Haidhauser Pfarrkirche St. Wolfgang einen Gottesdienst. Dieser eröffnete zugleich die diözesane Phase des weltweiten synodalen Prozesses auf dem Weg zur Weltbischofssynode 2023. Am Anfang dieses Prozesses müsse laut Kardinal Marx die Frage stehen, „ob uns bewusst ist, mit wem wir unterwegs sind“, denn Christus habe eine andere, weitere Blickrichtung „als wir, die wir in der Kirche oft mit uns selbst beschäftigt sind“. Für den weltweiten und den deutschlandweiten synodalen Weg sowie auch für den diözesanen Gesamtstrategieprozess wünschte sich der Erzbischof: „Wir sollten zuerst auf Christus hören, darauf lauschen, was seine Vorstellungen, was seine Wege sind.“ Am Ende des Prozesses werde es nicht darum gehen, „wer gewonnen hat – wir sind keine Aktionsgruppe, die ihre Interessen vertritt, keine Partei“. Etwas Neues könne nur in Gang gesetzt werden, wenn viele wie Christus bereit seien, „ihr Leben zu geben, sich selbst zu geben, und wenn sichtbar wird, was Gott uns in dieser Zeit zu sagen hat“. (kbr/hs)