„Das katholische Bayern braucht Kardinal Reinhard Marx“

Landeskomiteevorsitzender Unterländer zum angebotenen Amtsverzicht
des Erzbischofs von München und Freising
München, 5. Juni 2021. Nachdem Kardinal Reinhard Marx Papst Franziskus seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising angeboten hat, erklärt der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Joachim Unterländer:  
 
Mit großem Bedauern habe ich als Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern die Mitteilung von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx zur Kenntnis genommen, Papst Franziskus seinen Rücktritt vom Amt des Erzbischofs von München und Freising anzubieten. Es ist aber auch ein starkes persönliches Zeichen der Mahnung, dass sich die Aufarbeitung nicht nur auf eine Verbesserung der Verwaltung reduzieren darf. Die engagierten Ehrenamtlichen in der katholischen Kirche haben mit Kardinal Marx in großer Offenheit und gegenseitigem Respekt hervorragend zusammengearbeitet und hoffen auch in Zukunft auf sein Wirken in Kirche, Gesellschaft und Staat. Er verkündet in einzigartiger Weise das Evangelium und ist ein herausragender, unverzichtbarer Vertreter der Kirche, wenn es nun um die Realisierung von systemischen Veränderungen geht.
 
Zugleich setzt er mit diesem Schritt aber auch ein sehr wichtiges Zeichen dafür, dass Weiterentwicklung und Aufarbeitung in der katholischen Kirche nicht stehen bleiben dürfen und die Lebenswirklichkeit der Menschen dabei berücksichtigt werden muss. Sein Eintreten für Geradlinigkeit und das Ringen um den richtigen Weg setzen Maßstäbe für die Zukunft. Deshalb gilt für uns: die katholische Kirche in Bayern braucht Kardinal Reinhard Marx. Der Vorsitzende der Bayerischen Bischofskonferenz hat sich seit Bekanntwerden der zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in einem Maß für die Aufklärung und Aufarbeitung der untragbaren Zustände eingesetzt, das man sich von Anfang an von allen Beteiligten gewünscht hätte. Kardinal Marx hat nicht nur alles daran gesetzt, dass diese Fälle neu aufgerollt werden, sondern dass endlich die Perspektive der Opfer in den Mittelpunkt gerückt wurde.
 
In der Pressekonferenz zu seinem veröffentlichten Rücktrittsangebot machte er zudem noch einmal deutlich, dass es keineswegs mit der juristischen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle getan ist. Das wäre für eine menschenfreundliche Kirche in der Tat zu wenig. Vielmehr machte der Münchner Erzbischof in seinem Brief an Papst Franziskus ein „systemisches Versagen“ in der katholischen Kirche für die jahrelange Verschleppung der gerechten und menschenwürdigen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle verantwortlich. Dieses systembedingte Grundproblem war nicht zuletzt verantwortlich dafür, dass es überhaupt zu diesen unsäglichen Fällen von Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch kommen konnte – eine Erkenntnis, die die so genannte MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz von 2018 unmissverständlich zu Tage förderte.
 
Jeder Versuch, diese Zusammenhänge immer noch leugnen zu wollen, kann und muss endlich als untauglich verworfen werden. Vor diesem Hintergrund rief Erzbischof Reinhard Kardinal Marx als damaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken den so genannten „Synodalen Weg“ aus, mit dessen Hilfe die systemischen Ursachen für falsch verstandene Loyalität und für die zunehmend erschreckende Entfremdung von Amtsträgern und Gläubigen in der katholischen Kirche angegangen werden sollen. Aus diesem Grund bitte ich Papst Franziskus, das Rücktrittsgesuch von Erzbischof Reinhard Kardinal Marx zumindest bis zum Abschluss des „Synodalen Weges“ nicht anzunehmen. Die Ausrufung eines weltkirchlichen synodalen Prozesses just zu der Zeit werte ich als Signal des Papstes, jetzt erst recht den synodalen Weg in Deutschland konsequent weiterzugehen. Er kann und wird auch wichtige Erkenntnisse für den weltweiten synodalen Prozess liefern. Es wäre fatal, in dieser Phase des Übergangs geeignete Führungspersönlichkeiten suchen zu müssen, um eine Reform in Gang zu setzen, mit deren Hilfe die Kirche die zahlreichen Begabungen ihrer Mitglieder endlich ernst nimmt und Ungerechtigkeiten beseitigt.