Erklärung der Freisinger Bischofskonferenz

Frühjahrsvollversammlung der bayerischen Bischöfe in Beilngries von 2. bis 3. April 2019
1. Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde  

Das auf Beschluss der Freisinger Bischofskonferenz im vergangenen Frühjahr gegründete Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde wurde in seinem ersten Jahr mit zahlreichen Angeboten zu einem wichtigen Ort, an dem sich Kirche und Gesellschaft gegen extremistische und populistische Strömungen positionieren. Wie sozialwissenschaftliche Studien der jüngsten Vergangenheit belegen, stellen menschenverachtende Einstellungen keine Randerscheinungen in unserer Gesellschaft dar. Das an kirchliche Bildungseinrichtungen in Nürnberg und Freising angegliederte Kompetenzzentrum erhält seit seiner Gründung großen Zuspruch und viele positive Rückmeldungen. Mit den Tätigkeitsfeldern Bildung, Vernetzung, Vermittlung und Beratung leistet es gute Dienste für den Zusammenhalt und gegen das Abdriften und Auseinanderfallen der Gesellschaft in ideologische und menschenverachtende Extreme. Gerade angesichts der bevorstehenden Europawahlen und zahlreicher populistischer Strömungen in den europäischen Mitgliedsstaaten sehen es die Bischöfe als notwendig an, dass sich Christen für Werte wie Solidarität und Nächstenliebe einsetzen, gegen Angriffe auf die Würde jedes Einzelnen und für eine freiheitlich verfasste Gesellschaft eintreten. Als ein Baustein der vielfältigen Bildungsarbeit der Bistümer im politischen und sozialethischen Bereich leistet das Kompetenzzentrum dazu einen wichtigen Beitrag.   


2. Katholische Jugendverbände
  

Die bayerischen Bischöfe würdigen die Arbeit der katholischen Jugendverbände und betonen ihre Bedeutung für die Zivilgesellschaft. Die Arbeit, die hier geleistet wird, ist integraler Bestandteil der demokratischen Bildung. Als Mitglieder des bayerischen Jugendrings treten die katholischen Jugendverbände für Werte wie Vielfalt, Toleranz und Nächstenliebe ein, sie ermutigen zum Engagement für Demokratie und sensibilisieren für Gefährdungen der demokratischen Ordnung. Junge Menschen lernen, sich aktiv in eine plurale Gesellschaft einzubringen, sich wertschätzend mit unterschiedlichen Meinungen und Haltungen auseinanderzusetzen, konstruktiv zu streiten und sich auf Kompromisse zu einigen. Diese Arbeit, die einen wesentlichen Beitrag zu einer demokratischen und von christlichen Werten geprägten Gesellschaft leistet, gilt es zu fördern und weiter zu unterstützen statt durch Mittelkürzung zu verhindern.  
 
Als deutliches Zeichen gelebten Glaubens begrüßen die bayerischen Bischöfe die Ende Mai stattfindende Sozialaktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend „Uns schickt der Himmel – die 72-Stunden-Aktion des BDKJ“. Daran beteiligen sich wie bereits in der Vergangenheit zehntausende junge Menschen und rücken so das ehrenamtliche Engagement in den Fokus.
 
 
3. Katholische Stiftungshochschule München
 
Die Katholische Stiftungshochschule München hat der Freisinger Bischofskonferenz im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung über jüngste Entwicklungen der Hochschule berichtet und künftige Schwerpunkte und Perspektiven vorgestellt. Mit 2400 Studierenden und rund 500 Absolventen pro Studienjahr, 70 Professorinnen und Professoren, 87 Mitarbeitenden in der Verwaltung und Forschung und 300 Lehrbeauftragten an den zwei Standorten Benediktbeuern und München ist die Katholische Stiftungshochschule größter hochschulischer Anbieter für Studiengänge in den Bereichen Soziale Arbeit und Pflege in Bayern. Mit einer Schwerpunktbildung in den Bereichen Gesundheits-, Bildungs- und soziale Berufe besetzt die Hochschule entscheidende Zukunftsthemen und kann sich mit diesen thematischen Akzenten klar profilieren innerhalb einer äußerst dynamischen Hochschullandschaft. Die Etablierung eines Studiengangs Hebammenkunde an der Fakultät Gesundheit und Pflege ist ein deutliches Signal, sich dieses Themas inhaltlich und professionell anzunehmen, und stärkt die Katholische Stiftungshochschule als „die“ Hochschule für angewandte Wissenschaften in Bayern für Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Kindheits- und Religionspädagogik. Damit liefert die Hochschule auch einen Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels in wesentlichen Bereichen. Pionierarbeit leistete die Stiftungshochschule auch mit der Entwicklung ihres Skills- und Simulationslabors, in dem die Studierenden in vorgegebenen Szenarien mit einer Simulationspuppe oder mit Simulationspatienten an praxisnahe berufliche Anforderungen der Pflege herangeführt werden. Verstärkt wird die Bündelung der Expertise durch den Aufbau von weiteren Kompetenzzentren, die strategischen Kooperationen mit weiteren kirchlichen Hochschulen, die internationale Vernetzung sowie die Gestaltung der digitalen Transformation. Die lange Tradition der Hochschule in Forschung und Entwicklung wird in direktem Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Digitalisierung, Alter, Migration, Wohnungslosigkeit und Gesundheit mit bundesweiten und regionalen Projekten sowie Zentren fortgeführt, etwa dem Kompetenzzentrum „Zukunft Alter“, das sich in besonderer Weise der Würde des Menschen am Lebensende widmet. Die Arbeit in diesen Projekten und Zentren fließt wiederum unmittelbar in gesellschaftliche Debatten und die professionelle Praxis ein. Als erste Hochschule für angewandte Wissenschaften hat die Katholische Stiftungshochschule eine interdisziplinäre Ethikkommission eingerichtet.
 
 
5. Seelsorge in Ankerzentren
 
In Bayern entstanden seit dem vergangenen Jahr in allen Regierungsbezirken Ankerzentren zur Beschleunigung von Asylverfahren und anschließenden Abschiebungen. Dort gelten eng gefasste Regelungen, die für wenige Wochen zumutbar erscheinen, aber bei einem Aufenthalt von mehreren Monaten oder gar Jahren Herausforderungen darstellen. Mitarbeitende in der Asylsozialberatung berichten von mangelnden Möglichkeiten für die Geflüchteten zur Teilhabe an der Gesellschaft, von unzureichenden Schutzkonzepten für besonders vulnerable Gruppen und fehlender altersgerechter Förderung der Kinder. Mangelnde Rückzugsmöglichkeiten belasten insbesondere Familien mit Kindern stark, die Ressourcen für Flüchtlingsberatung sind eingeschränkt. Auch Seelsorger haben nur eingeschränkten Zugang, so dass es für die im Schnitt rund 20 Prozent Christen unter den Geflüchteten kaum Gottesdienste oder Möglichkeiten zum Sakramentenempfang gibt. Die bayerischen Bischöfe erkennen den großen Bedarf an Seelsorge für Menschen in den Ankerzentren. Es sollen Gespräche mit den zuständigen staatlichen Verantwortungsträgern geführt werden, um in den Einrichtungen ein entsprechendes Angebot sowohl für die Geflüchteten als auch für die Mitarbeitenden zu schaffen. Diese Seelsorge wendet sich an alle in den Einrichtungen lebenden und arbeitenden Menschen, unabhängig von Konfession oder Religionszugehörigkeit, und erfolgt auf Grundlage der unantastbaren, in der Gottesebenbildlichkeit begründeten Würde aller Menschen. Die Seelsorge in den Ankerzentren muss potentiellen Traumatisierungen der Geflüchteten Rechnung tragen und vor Ort präsent sein.
 
 
6. Kirchenasyl
 
Die bayerischen Bischöfe halten an der Tradition des Kirchenasyls fest. Die entsprechende Vereinbarung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird von den Priestern, Ordensleuten und Hauptamtlichen, die in den bayerischen Bistümern Schutzsuchende aufnehmen, konsequent eingehalten. Das Kirchenasyl ist kein Instrument, um die Asylfrage grundsätzlich zu lösen, aber ein Mittel, um Grenzfälle nochmals genauer zu überprüfen. Kirchenasyl bedeutet Hilfe für Menschen in humanitären Härtefällen.
 
 
7. Sonn- und Feiertagsschutz
 
Die bayerischen Bischöfe bekräftigen ihre Position zum Schutz von Sonn- und Feiertagen. Diese eröffnen den Menschen einen Freiraum, Gemeinschaft zu erleben und Gott zu begegnen. Auch in einer säkularen Gesellschaft sind Sonn- und Feiertage als Unterbrechung eines von Sachzwängen geprägten Alltags essentiell. Schließlich ist der Schutz von Sonn- und Feiertagen auch Kennzeichen einer christlich geprägten Gesellschaft. Die so genannten Marktsonntage müssen strikt auf besondere Anlässe begrenzt bleiben, ein ökonomisches Interesse allein kann nicht als Begründung für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen genügen.
 
 
8. Organspende und lebensverlängernde Maßnahmen
 
Die bayerischen Bischöfe unterstreichen ihre positive Haltung zur Organspende als tätige Nächstenliebe über den Tod hinaus und nehmen die große Not von Menschen wahr, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind. Das Ziel der so genannten Widerspruchslösung – die Zahl der Organspenden zu erhöhen – ist ausdrücklich zu unterstützen. Allerdings steht dieser Lösung die Tatsache entgegen, dass die Entscheidung zu einer Spende nur in Freiheit getroffen werden kann. Die so genannte Widerspruchslösung nimmt der Organspende diesen wesentlichen Aspekt der Selbstbestimmtheit und berührt die Würde des Menschen, die auch über den Tod hinaus unantastbar bleibt. Die Organspende kann weder rechtlich noch ethisch erzwungen werden, ist aber ein Akt von hohem moralischem Wert.
 
Die bayerischen Bischöfe begrüßen das aktuelle Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs, wonach Leben niemals als „Schaden“ eingestuft werden kann und ein Anspruch auf Schadenersatz aufgrund lebensverlängernder Maßnahmen zurückzuweisen ist. Die Bischöfe sehen damit den prinzipiellen Schutz der Würde des Menschen vom Anfang bis zum Ende des Lebens bestätigt.