„Es ist ein Skandal, wenn Religionen zum Unfrieden beitragen“

Erzbischof wendet sich in Predigt zum Karfreitag gegen Instrumentalisierung von Religion für den Hass / Generalvikar Klingan bei „Kreuzweg der Völker“: „Das Kreuz ist kein politisches Zeichen, es verbindet“
München, 27. März 2024. Kardinal Reinhard Marx warnt vor einer weiteren Instrumentalisierung von Religion in politischen Konflikten weltweit. „Es ist ein Skandal, wenn Religionen zum Unfrieden beitragen“, sagt der Erzbischof von München und Freising laut Manuskript in seiner Predigt zur Feier vom Leiden und Sterben Christi am Nachmittag des Karfreitags, 29. März, im Münchner Liebfrauendom.
 
In den Augen vieler Menschen, so Kardinal Marx, erschienen die Religionen heute „nicht mehr als Werkzeuge des Friedens“, die zum Dialog beitragen könnten, sondern „als Aggressionsverstärker und Polarisierer, die Menschen voneinander trennen“. Der Erzbischof bedauert, dass die ursprüngliche Hoffnung auf eine friedlichere Welt, die viele aus dem Dialog der Religionen geschöpft hätten, nicht erfüllt worden sei. In dieser neuen Realität gelte es auch, neue Wege für einen gemeinsamen Austausch zu finden: „Wir brauchen nicht nur einen Dialog des Lebens, des freundlichen Miteinanders, sondern auch ein offenes Gespräch über unsere Verschiedenheiten.“ Der interreligiöse Dialog brauche beides, „um weiterführend zu sein und zur Verständigung beizutragen“.
 
Christinnen und Christen fordert der Erzbischof deshalb dazu auf, das Kreuz als Zeichen der Versöhnung und des Miteinander zu verinnerlichen. „Der Glaube an die radikalste Liebe kann nicht für das Gegeneinander der Menschen, für Hass, Unfrieden und Gewalt instrumentalisiert werden.“ Er ermahnt die Gläubigen, sich an Karfreitag die Botschaft des Gekreuzigten vor Augen zu führen: „An einen gekreuzigten Gott zu glauben, hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche.“ Der Tod Jesu sei ein Ausdruck der radikalen Liebe Gottes. „Wenn wir als Christen an einen Gott und Vater aller Menschen denken, an den Schöpfer des Himmels und der Erde, dann kann dieser Gott nicht die Macht sein, die Menschen gegeneinander führt und sich sogar gegenseitig umbringen lässt.“ Christinnen und Christen sollten sich dieser Liebe Gottes zu allen Menschen bewusst sein, wenn sie „das Kreuz und auch das Kreuzzeichen, das Kennzeichen des christlichen Glaubens“ annehmen.
                                                                                                                         
Bereits am Vormittag des Karfreitags begehen Tausende Gläubige aus mehr als 20 Sprach- und Volksgruppen den „Kreuzweg der Völker“, die traditionelle Karfreitagsprozession in der Münchner Innenstadt. Nach der Eröffnung in der Jesuitenkirche St. Michael zieht die Prozession mit ihren 14 Kreuzwegstationen zum Marienplatz, wo eine Andacht den Kreuzweg abschließt. Generalvikar Christoph Klingan, zuständig für die Seelsorgsregion München der Erzdiözese, steht dem Kreuzweg vor. „Das Kreuz ist kein leeres Symbol, es ist kein politisches Zeichen, es ist kein Traditionsobjekt – es ist Teil der lebendigen Geschichte des Jesus von Nazareth und wurde durch ihn zum Zeichen der Erlösung“, betont Klingan laut Manuskript bei der großen Abschlussandacht; „wenn wir seine Botschaft verinnerlichen, dann werden wir alle erfahren: Das Kreuz verbindet.“ Es sei das gemeinsame Zeichen aller Christen: „Jesus wollte und will alle Menschen verbinden, durch seinen Tod am Kreuz Hass, Gewalt, Aggression beenden. Ein für alle Mal.“
 
Dazu könne die Aufforderung „Suche Frieden und jage ihm nach!“ aus Psalm 34 Ansporn sein, erklärt Klingan: „Jagen will heißen, nicht einfach über Konflikte klagen, sondern Frieden aktiv leben und ihn weitergeben. Ein Auftrag, ja eine Berufung für uns alle.“ Besonders nimmt der Generalvikar dabei die Situation in den Kriegs- und Unruhegebieten der Welt in den Blick: „Als Christen verschiedenster Nationen vereint rufen wir hier vom Münchner Marienplatz zu einem Ende der Auseinandersetzungen auf, besonders auch in der Ukraine und dem Nahen Osten. Wir appellieren an die Verantwortlichen und beten, dass sie sich einsetzen für ein Miteinander, für Solidarität, für Hinwendung zu den Leidenden – an ihrer Seite stehen wir, wie Christus es getan hat.“
 
Die Stationen auf dem Prozessionsweg werden von deutschen und muttersprachlichen Gemeinden gestaltet. Dazu werden Lieder in den jeweiligen Muttersprachen gesungen. Das als Taizé-Kreuz gestaltete Vortragekreuz wird in diesem Jahr von der Italienischen Katholischen Gemeinde München zur Verfügung gestellt. Bischof Bohdan Dzyurakh, der Apostolische Exarch der Ukrainischen Katholischen Kirche des byzantinischen Ritus‘ in Deutschland und Skandinavien, spendet zum Abschluss gemeinsam mit Generalvikar Klingan den Teilnehmenden den Segen. Dem ökumenischen Gedanken folgend, sind auch Vertretende anderer Kirchen und Riten zu der Kreuzwegandacht eingeladen. (kbr/fho)
 
Hinweis:
Fotografen, Radio- und Fernsehjournalisten, die zur Berichterstattung am Karfreitagsgottesdienst im Münchner Liebfrauendom oder am „Kreuzweg der Völker“ teilnehmen möchten, werden um Anmeldung in der Pressestelle unter E-Mail pressestelle@erzbistum-muenchen.de oder Telefon 089/2137-1263 gebeten.