Über das „Mehr“ an einer katholischen Schule

Dr. Hubert Gruber ist seit 2006 Schulleiter des Maria-Ward-Gymnasiums in München-Nymphenburg, das „Geist und Herz“ der Schülerinnen bilden und sie zu „wahrer menschlicher Reife und Größe“ führen möchte. Er kennt das Erfolgsgeheimnis der katholischen Schulen in einer Zeit des religiösen Pluralismus. Im Spezial der Münchner Kirchenzeitung hat er es verraten.
Schülerinnen MK Spezial diözesane Schulen
(Bild: Anton Pfeffer, MK Spezial 3/2015)
Welchen Mehrwert haben Schülerinnen und Schüler, die eine katholische Schule besuchen?
Dieses „Mehr“ liegt meiner Überzeugung nach jenseits des Informativen, also dessen, was man grundsätzlich von einem Gymnasium erwarten kann. Selbstverständlich haben auch wir so gut als möglich zu informieren und diese Information, d. h. die fachliche Wissensvermittlung, muss genauso hoch sein wie an öffentlichen Schulen. Eine katholische Schule muss aber zusätzlich noch orientieren, also eine christlich geprägte Orientierung für das Leben bieten. Schließlich aber sollte eine katholische Schule auch da- hin erziehen, sich zu engagieren. Was nützt uns eine informierte und allenfalls auch noch orientierte Gesellschaft, wenn die jungen Menschen am Ende aller Bildungsbemühungen sagen: „Was gehen mich die anderen an?“ Das Entscheidende an unserer Bildung muss letztlich das Bewusstsein für das soziale Engagement sein! In diesem Dreiklang von Information, Orientierung und Hinführung zum Engagement für die Gesellschaft liegt meines Erachtens das besondere Kennzeichen und damit auch der Mehrwert einer katholischen Schule.
Hat die Schule auch Zeit, sich um einzelne Schüler zu kümmern, die schulische oder private Sorgen haben?   
Ja, und wohl auch mehr als an öffentlichen Schulen. Dies ist zum einen dem Bewusst- sein unserer Lehrkräfte geschuldet, dass sie über ihre fachliche Wissensvermittlung hinaus auch Erzieher sind, womit sich der Kreis zur ersten Frage schließt. Andererseits muss man aber auch klar sehen, dass wir an unserer Schule deutlich weniger Probleme mit unseren Schülerinnen haben, als dies woanders der Fall ist, da unsere Eltern sehr bewusst eine wertebasierte und wertevermittelnde Bildungs- und Erziehungsarbeit suchen. Die Zeit, Kraft und Nerven, die wir dadurch sparen, können wir verstärkt denen zukommen lassen, die unserer Hilfe und Begleitung bedürfen.
Blasorchester
(Bild: Anton Pfeffer, MK Spezial 3/2015)
Kommt es vor, dass Eltern die Schule nicht nur ortsabhängig aussuchen, sondern bewusst wegen des Gesamtkonzeptes der katholischen Ausrichtung?
Wenn ich die Beantwortung der ersten bei- den Fragen dahin verstehe, dass sich ja darin auch ein wesentlicher Bestandteil dieses Gesamtkonzepts wiederfinden ohne Wenn und Aber „JA“. Aber natürlich sind in diesem Gesamtkonzept auch zusätzliche
„Angebote“ enthalten, die unsere Schule für Interessenten noch attraktiver erscheinen lassen. Dazu zählt auch die Tatsache, dass wir eine reine Mädchenschule sind. Weitere Pluspunkte sind sicherlich auch die attraktive Lage und  Ausstattung der Schule, der Ruf unserer Einrichtung, unser Fächer-, Profi und Wahlfachangebot - und mittlerweile ganz stark auch das Angebot von unseren drei Musikklassen (Bläser, Chor und Streicher) in den Jahrgangsstufen 5 bis 7. Dazu kommt seit heuer eine sogenannte Humboldtklasse, die die drei Musikklassen als Angebot ergänzt. All das führt dazu, dass das Gesamtkonzept offenbar stimmt, und wir leider viel zu viele Mädchen abweisen müssen, weil wir keinen Platz mehr für sie haben.
Wie zukunftsweisend kann eine konfessionsgebundene Schule sein in Zeiten von religiösem Pluralismus und schwindender Religiosität?
Die Soziologen haben ja festgestellt, dass bei nicht wenigen der getauften Kinder und Jugendlichen Kirche nach der Kommunion augenscheinlich keine große Rolle mehr spielt. Andererseits haben wir mit unserem Gesamtkonzept als katholische Schule schon das Gefühl, dass unsere Schülerinnen nach dem Abitur mit einem anderen „Bewusst- sein“ hinausgehen. Ob sie allerdings danach aufgrund ihrer Erfahrungen an unserer Schule ihren weiteren Lebensweg verstärkt mit „Ihrer“ Kirche gehen, kann ich nicht beantworten, ich kann es aber sehr wohl hoffen.
Unsere Gesellschaft entdeckt ihre Werte wieder. Spüren Sie das bei Ihren Gesprächen mit den Eltern und der Zahl der Anmeldungen?
Ich denke, dass immer mehr Eltern eine Bildungseinrichtung suchen, die mehr ist als nur Schule. Eltern schauen sich heute sehr bewusst nach einer Schule um, die ihren Vorstellungen von Schule entspricht. Je mehr Eltern Bildung und Erziehung als einen Wert schätzen, umso eher wählen sie nach meinen Erfahrungen eine Schule mit einem Bildungskonzept, in dem sich auch ein entsprechen- der „Wertekanon“ wiederfinden. Offenbar greift hier unser Gesamtkonzept, ansonsten hätten wir wohl nicht diese Anmeldezahlen.
 
Anke Faust