„Die Wertvorstellungen von MFM und Kirche passen gut zusammen“

Ein Gespräch mit der Sozialpädagogin und MFM-Referentin Josiane Wies-Flaig, Referentin für wertorientierte Sexualpädagogik im Erzbischöflichen Ordinariat München, Fachbereich Ehe- und Familienpastoral, und Mitglied im Leitungsteam der MFM-Zentrale München.
Gruppe von Teenagern mit bunten Farbbeuteln
Kirche und Sexualaufklärung, wie passt das zusammen?
Josiane Wies-Flaig: Die Kirche hat den Auftrag, christliche Grundwerte zu vermitteln. Dazu gehört die Wertschätzung der eigenen Person und des eigenen Körpers und jeglichen Lebens. Das MFM-Programm basiert auf der Überzeugung, wer seinen Körper als wertvollen Schatz betrachtet, geht automatisch verantwortungsvoll mit ihm um und passt gut auf sich auf. Das Ziel ist, Kindern und Jugendlichen einen positiven Zugang zu ihrem Körper in seiner Individualität und Einmaligkeit zu eröffnen.

Entwickelt wurde MFM von einem Team aus Fachleuten, vor allem Ärztinnen, Pädagoginnen und Sozialpädagoginnen. Die Kirche hat sich bewusst dafür entschieden, das Programm anzubieten und zu unterstützen, weil die Wertvorstellungen von MFM und Kirche gut zusammenpassen.
 
Sind Kinder und Jugendliche durch Eltern, Schule und Medien nicht ausreichend über sexuelle Themen informiert?
Josiane Wies-Flaig: Sie wissen viel, aber sie haben auch viel Halb- und Falschwissen. Das Thema Sexualität wird ihnen über Internet und andere Medien verzerrt dargestellt. Kinder und Jugendliche sind in diesem Bereich oft verunsichert. Es fehlt ihnen Wissen über die biologischen Fakten. Vor allem aber Werte wie Liebe, Beziehung, Fürsorge oder Wertschätzung tauchen häufig gar nicht auf. Genau da setzen wir an.
 
Welche Rolle spielen in den Workshops Themen wie Verhütung und Abtreibung, zu denen die Kirche sehr eindeutige Positionen hat?
Josiane Wies-Flaig: In den Workshops bis zur sechsten Klasse geht es erst einmal darum, Faszination und Wertschätzung für die körperlichen Veränderungen in der Pubertät und für die Entstehung neuen Lebens zu bekommen. Es entspräche nicht dem Ansatz von MFM, da gleich wieder etwas Verängstigendes, Bedrohliches einzubringen. Kinder bis etwa zwölf Jahren finden es eher seltsam, überhaupt etwas über Geschlechtsverkehr zu hören. Das Thema Verhütung würde sie überfordern.

Jugendliche dagegen sind altersgemäß an diesen Themen interessiert. Im Workshop „WaageMut“ für Jugendliche werden ihnen dazu fundierte Informationen vermittelt. Sie werden dabei ermutigt, achtsam mit sich umzugehen. Das Bild der Waage hilft abzuwägen und reflektierte, fundierte Entscheidungen in Bezug auf Sexualität und Beziehung zu treffen.
Dabei sagen wir ganz klar: Abtreibung ist keine Form von Verhütung. Wir vermitteln, dass bei einer ungewollten Schwangerschaft Menschen in ein ganz großes Dilemma kommen. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesen Workshops einen großen Beitrag leisten, um Abtreibung zu verhindern. Denn je mehr ein Mensch sich selbst als Mensch und seinen Körper als ein kostbares Gut zu schätzen weiß, umso mehr wird er darauf achten und respektvoll damit umgehen. Wer sich selbst bewusst ist, dass die Entstehung eines Menschenlebens etwas Wunderbares und Kostbares ist, der wird verantwortungsvoll mit den Themen Beziehung und Sexualität umgehen.
 
Wie stehen die Eltern zu den Angeboten?
Josiane Wies-Flaig: Die Eltern sind in der Regel bei den Elternabenden absolut fasziniert, dass ein sonst oft tabuisiertes Wissen auf eine so feinfühlige, nachvollziehbare und kindgerechte Art und Weise vermittelt wird. Dass es weg aus der Schmutzecke kommt, dass man darüber reden kann, dass Worte gefunden werden. Dass die Kinder so viel kostbares, detailliertes Wissen vermittelt bekommen. Es vergeht zudem kein Elternabend, an dem die Mütter und Väter nicht hinterher sagen, sie hätten selbst noch viel Neues erfahren. Und sie sagen, genau so etwas hätten sie damals in ihrer eigenen Jugend auch gebraucht.

Das MFM-Programm im Erzbistum München und Freising

Die MFM-Zentrale München bietet mit etwa 50 Referentinnen und Referenten Workshops zum Thema Pubertät für Kinder und Jugendliche und begleitende Vorträge für Eltern an. Gebucht werden können die Kurse von Schulen, öffentlichen Bildungseinrichtungen, kirchlichen Institutionen und Privatpersonen auf dem Gebiet der Erzdiözese München und Freising. Im Jahr 2019 haben rund 15.000 Kinder und Jugendliche sowie etwa 4.600 Mütter und Väter an mehr als 1.200 Veranstaltungen teilgenommen.

Interview und Text: Christina Tangerding, freie Redakteurin