Amtschefin Herrmann gibt Statement zum Gutachten

Erklärung der Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats München zum neuen Gutachten über sexuellen Missbrauch im Bereich der Erzdiözese
München, 27. Januar 2022. Bei einer Pressekonferenz in der Katholischen Akademie Bayern hat die Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats München, Stephanie Herrmann, am Donnerstag, 27. Januar, zum externen Gutachten „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019“ erklärt:
 
„Das ziemlich zu Beginn unserer Amtszeit von Generalvikar Klingan und mir in Auftrag gegebene Gutachten für den Zeitraum 1945 bis 2019 hat uns viele Missstände aufgezeigt. Wir wollten eine umfassende Bestandsaufnahme, Transparenz und vor allem Hinweise für Verbesserungen.
 
Die geschilderten Fälle und Defizite haben uns erschüttert und beschämt. Auch Mängel in der Verwaltung wie unzureichende Aktenführung und fehlende Dokumentation oder Verfahrensabläufe, haben dazu beigetragen, das Missbrauch nicht aufgearbeitet, im schlimmsten Fall nicht verhindert, Täter nicht belangt und Betroffene nicht gehört wurden.
 
Soweit Vorgänge im Einzelnen noch nicht aufgearbeitet, notwendige Schritte noch offen und möglich sind, werden sie jetzt in die Wege geleitet. Das umfangreiche Gutachten wird derzeit auch daraufhin ausgewertet.
 
Transparentes und nachvollziehbares Handeln der Verwaltung ist ein wichtiges Element, um einen angemessenen Umgang mit Missbrauchsfällen zu gewährleisten. Nur so können Entscheidungen auf der Basis aller notwendigen Informationen getroffen werden und Fehler, wie sie in der Vergangenheit passiert sind, möglichst vermieden werden. Hierzu zählt nicht nur die Grundhaltung im Umgang mit Missbrauchsfällen, sondern neben der Definition von Prozessen vor allem eine nachvollziehbare Dokumentation und ordnungsgemäße Aktenführung.
 
Unser Ziel ist aber vor allem, uns für die Zukunft bestmöglich aufzustellen und
-  in Sorge um Betroffene und
-  konsequent gegenüber Tätern zu handeln,
-  vor allem aber auch um sexuellen Missbrauch im Raum der Kirche zu verhindern und ein Ort zu sein, an dem Kinder und Jugendliche positive Erfahrungen für ihr Leben sammeln.
 
Bei unserem Gespräch mit dem Betroffenenbeirat am Tag der Veröffentlichung des Gutachtens, haben Betroffene den Generalvikar und mich gefragt: Glauben Sie, dass sich jetzt was ändert?
Unsere Antwort war: Ja,
-  wir haben viel im ständigen Dialog und Austausch mit Betroffenen gelernt und lernen weiter
-  wir sind sozusagen selbst schon Teil einer großen Veränderung in unserer Erzdiözese: Die mit einem Diözesangesetz seit 2020 eingeführte neue Leitungsstruktur des Erzbischöflichen Ordinariats mit dem neuen Amt eines Amtschefs/einer Amtschefin und einer neuen Aufgabenteilung zwischen Generalvikar und Amtschefin war ein wichtiger Schritt und hat sich aus unserer Sicht auch bewährt. Ein gemeinsam arbeitendes Team aus einem Theologen und einer Juristin mit unterschiedlichen Kompetenzen, Perspektiven und Erfahrungen ergänzt sich bei den vielen komplexen Fragestellungen.
 
Das Gutachten enthält etliche Empfehlungen für strukturelle Veränderungen, auf die ich nicht im Einzelnen eingehen möchte, weil das den Rahmen sprengen würde. Wir werden sie uns in den kommenden Wochen genau anschauen. Insbesondere werden wir in den Blick nehmen, was wir als Erzdiözese selbst umsetzen können. Wo wir nicht selbst entscheiden können, etwa bei Änderungen des Kirchenrechts, können wir zumindest die Diskussion anstoßen.
 
Vieles ist bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht: In den vergangenen beiden Jahren haben wir etwa den Bereich des Interventionsbeauftragten personell verstärkt. Eine wichtige Neuerung war auch die erstmalige Besetzung der Leitung des Personalressorts nicht mit einem Priester, sondern mit einem Juristen, der als Personalchef eines großen Klinikums über entsprechende Erfahrung verfügte. 
 
Sobald Vorwürfe sexuellen Missbrauchs im Raum stehen, werden Mitarbeitende, die in Pfarreien, Kita oder Schule eingesetzt sind und Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben oder haben können, bis zur Klärung der Vorwürfe suspendiert oder freigestellt und wir arbeiten eng mit den staatlichen Behörden zusammen.
 
Aber auch bei generellen Themen wie der Förderung von Frauen in Leitungspositionen, elektronischer Führung von Personalakten, Etablierung von SAP und zahlreichen anderen grundlegende Änderungen sind in den letzten Jahren schon Fortschritte erzielt worden. Im Januar 2022 ist in den deutschen Diözesen die neue Personalaktenordnung für Kleriker und Kirchenbeamte in Kraft gesetzt worden, die auch einen Auskunftsanspruch für Dritte zum Schutz berechtigter, höherrangiger Interessen der Dritten enthält. Hierzu zählen unter anderem Straftaten oder Plausibilitätsprüfungen im Kontext sexuellen Missbrauchs.
 
Andere Vorschläge aus dem Gutachten werden wir prüfen, etwa die Ergänzung der bereits vorhandenen Soll-Prozesse, Ausführungsbestimmungen zur Missbrauchsordnung, zum Qualitätsmanagement, zur Führungsaufsicht oder der organisatorischen Anbindung des Interventionsbeauftragten. Wo wir unsere Abläufe und Strukturen verbessern können, werden wir dies tun.
 
Vor allem werden wir die Empfehlungen und unsere Überlegungen hierzu mit der Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenbeirat diskutieren, um die Entscheidungen auf eine fundierte fachliche Grundlage zu stellen. Diese beiden neuen Gremien helfen mit kritischem Blick von außen und vor allem mit ihrer breit aufgestellten fachlichen Expertise, blinde Flecken zu entdecken und Verbesserungen zu erreichen. Erste Neuerungen, die auf Initiative und gemeinsam mit diesen Gremien entwickelt wurden, hat Generalvikar Klingan schon erwähnt – etwa die Anlauf- und Beratungsstelle.
 
Wichtig ist die Stimme der Kommissionen auch bei überdiözesanen Fragen, etwa bei der „Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen“. Die berechtigte Kritik am Verfahren auch aus dem Betroffenenbeirat hat dazu geführt, dass Verbesserungen erreicht werden konnten, etwa die personelle Verstärkung und die Bildung einer weiteren Kammer, um die Bearbeitung der Anträge zu beschleunigen. Hier ist aber sicher noch Luft nach oben und sind weitere Verbesserungen notwendig.
 
Neben allen strukturellen und organisatorischen Maßnahmen bleibt aber eines zentral: Unsere Haltung gegenüber Betroffenen und der sensible Umgang mit dem Thema Missbrauch auf allen Ebenen. Dafür will ich selbst als Amtschefin weiter einstehen und dieses Anliegen in unserer Erzdiözese gemeinsam mit dem Generalvikar und dem Erzbischof und allen unseren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voranbringen.“

PDF mit dem Statement zum Herunterladen

Erklärung der Amtschefin des Erzbischöflichen Ordinariats München zum neuen Gutachten über sexuellen Missbrauch im Bereich der Erzdiözese