„Danksagen für das Leben“

Kardinal Marx begeht 70. Geburtstag mit Gottesdienst in Münchner Dom -  Gratulationen von Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft
München, 23. September 2023. Bei einem Gottesdienst anlässlich seines 70. Geburtstags hat Kardinal Reinhard Marx alle eingeladen, „dankzusagen für das Leben. Danke Gott, dass Du mich geschaffen hast, danke, dass Du mich rufst, danke, dass Du mich nie allein lässt. Das ist die Botschaft, die uns immer wieder geschenkt wird“, so der Erzbischof von München und Freising zum Beginn der Messe am Samstagabend, 23. September, im Münchner Liebfrauendom. Der Kardinal dankte auch allen, die mit ihm Gottesdienst feierten, den Vertretern von Staat, Politik, Kirche und Kultur sowie allen Gläubigen.
 
Zugleich stellte Marx selbstkritisch die Frage: „Kann man feiern in einer solchen Zeit des Krieges, der Umwälzungen, der gesellschaftlichen Herausforderungen, der großen Krise der Kirche, von der immer wieder die Rede ist? Sollten wir uns da nicht lieber zurückziehen und einfach unseren Dienst tun?“ Unerlässlich sei ein ehrlicher Blick auf die „dunklen Seiten im Leben, auch in der Kirche“. Aber es brauche auch „das öffentliche Zeichen der Hoffnung“, und es sei wichtig, „dass das Ja-Wort zum Leben gefeiert wird, weil Gott es unterstreicht mit seinem Sohn, der nicht als Ja und Nein zugleich gekommen ist, sondern in ihm ist nur das Ja-Wort Gottes verwirklicht“, erklärte der Kardinal: „In diesem Vertrauen gehe ich auch weiter mit ihnen zusammen als Bischof in diesem Erzbistum und da, wo ich eine Aufgabe bekomme und ich für die Menschen und die Kirche wirken kann.“
 
Als roten Faden im Leben eines Christen und auch seines persönlichen Lebens benannte Marx die Gottessuche, in der Gemeinschaft mit allen Gläubigen, den vielen Engagierten, Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen und in ökumenischer Verbundenheit: „Gott suchen, in all diesen Turbulenzen, in den persönlichen Krisen, im persönlichen Zweifeln, in den Herausforderungen der Gesellschaft, der Kirche – das ist die Berufung des Christen. Nicht Gott zu behaupten und ihn in den Griff zu nehmen, sondern zu suchen.“

Die Gläubigen blieben bei dieser Suche „natürlich nicht im Ungefähren“, sondern könnten sich „an den Mann von Nazareth, an seine Beispiele“ halten. „Aber es bleibt doch das absolute Geheimnis, da bleibt eine Differenz“, betonte Marx. Gott sei „die Alterität, das Andere. Das bringt die Religion in die Nähe der Kunst - dass da eine Unterbrechung ist, dass wir merken: Es gibt andere Möglichkeiten.“ In Anlehnung an den Theologen Karl Rahner erklärte Marx, dass alles, was Menschen über Gott formulierten, „unähnlicher zu ihm ist als ähnlich“. Daraus müsse eine Haltung der Demut folgen, und Marx warnte vor „einer Behauptungstheologie, die kurzatmig daherredet und sagt: Gott will, Gott denkt, Gott macht“.
 
In seiner Predigt hob der Erzbischof auch die Bedeutung von Religion und Glaube für eine demokratische Gesellschaft hervor: „Es ist Glaube, keine Wissenschaft, dass wir sagen: Ja, alle Menschen sind gleich an Würde. Und die Frage ist dann natürlich schon: Was wird aus einer Demokratie ohne Religion, ohne diese Erinnerung?“ Gerade in der heutigen Krisen- und Umbruchzeit sei es wichtig zu bedenken: „Was wäre denn, wenn das verschwindet, die Erinnerung an diese große biblische Botschaft?“
 
Entscheidend bleibt nach Ansicht von Marx aber, „dass Gott kein Teil der Welt ist“. Mit der in allen Evangelien geschilderten Tempelreinigung werde unterstrichen: „Mit Gott gibt es keine Geschäftsbeziehung, ihn kann man nicht kaufen. Auf ihn hat niemand ein Anspruch, aber er geht auf alle zu. Das ist etwas, das die Welt braucht“, sagte der Kardinal. So entstehe das Reich Gottes auch nicht auf der Erde, aber es „blitzt auf mitten unter uns, es ragt mitten in unsere irdische Wirklichkeit hinein als Zeichen der Hoffnung. Auf dieses Zeichen wollen wir nicht verzichten. Und dafür steht das Volk Gottes. Die Menschen, die sich auf diesen Mann von Nazareth berufen, und sich versammeln und rufen: Kommt her an den Tisch, es gibt noch etwas anderes, es gibt Hoffnung.“
 
Nach der Messe war die Gottesdienstgemeinde zu Imbiss und Begegnung mit dem Erzbischof auf dem Domplatz eingeladen. Die Kompanie „Gotzinger Trommel“ der Bayerischen Gebirgsschützen, deren Ehrenmitglied Kardinal Marx ist, feuerte einen Salut ab. Im Anschluss fand auf Einladung der Erzdiözese eine Feier im Augustiner Stammhaus statt mit Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft. Unter den Gratulanten waren der bayerische Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, Joachim Herrmann, der Apostolische Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, und Heinrich Bedford-Strohm, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.
 
Reinhard Marx wurde 1953 im westfälischen Geseke geboren und studierte Theologie und Philosophie in Paderborn, Paris, Münster und Bochum; 1989 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert und ist Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschien 2020 sein Werk „Freiheit“. Von Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt erhielt Marx 1979 in Paderborn die Priesterweihe, 1996 die Bischofsweihe. Nach seiner Tätigkeit als Weihbischof im Erzbistum Paderborn wurde er am 20. Dezember 2001 zum Bischof von Trier ernannt und am 1. April 2002 in sein Amt eingeführt. Seit 2. Februar 2008 ist Marx Erzbischof von München und Freising, 2010 wurde er von Papst Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium aufgenommen. Kardinal Marx war von 2012 bis 2018 Präsident der ComECE, der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft. Im April 2013 hat ihn Papst Franziskus in eine achtköpfige Kardinalsgruppe berufen, die den Heiligen Vater bei der Leitung der Weltkirche beraten und die Apostolische Konstitution „Pastor bonus“ über die römische Kurie überarbeiten soll. Dem Gremium gehörte Marx bis März 2023 an. Im März 2014 folgte eine Ernennung zum Koordinator des neu errichteten Wirtschaftsrates, der über die Strukturen und die wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls und des Staates der Vatikanstadt wacht. Von 2014 bis 2020 war Kardinal Marx Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. (ck/rs)

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