„Kreative Kraft in einer Gesellschaft von Minderheiten“

Kardinal Reinhard Marx: Kirche muss an Vernunft appellieren und Hoffnung vermitteln
München, 14. Juli 2025. Kardinal Reinhard Marx hat beim Jahresempfang des Erzbistums München und Freising am Montag, 14. Juli, in München betont, wie wichtig die Kirche als Korrektiv für die Gesellschaft sei. „Sich zu verlaufen in völkischen Ideen oder in andere Ideologien, das ist ein Irrweg“, sagte der Erzbischof von München und Freising: „Wir müssen dagegenhalten! Als Kirche dürfen wir nicht auf der Seite der Restauration stehen, sondern wir müssen weiterhin an die Vernunft appellieren und die Fähigkeit des Menschen, in Freiheit das Gute zu wählen.“ Kirche dürfe sich nicht verstecken „hinter einem zynischen Pragmatismus“, der davon ausgehe, man könne ohnehin „nichts machen“, so Kardinal Marx.
 
Der Erzbischof hofft dagegen, dass auch für zweifelnde, suchende Menschen „am Ende der Eindruck steht: Dass ihr Christen seid, darauf wollen wir nicht verzichten. Es ist gut, dass ihr uns daran erinnert: Es gibt noch eine andere Welt, es gibt noch Hoffnung.“ Er wünsche sich, so Marx, „dass wir in einer Gesellschaft von Minderheiten eine kreative Kraft sind, dass die anderen sagen: Gut, dass ihr da seid und mitgeht.“
 
Die Weltlage sei weiterhin beunruhigend, konstatierte Marx, „wir erleben einen Zivilisationsrückschritt, ein Leiden an der Moderne“. Die Stimmen, die nationale Interessen betonten, die die Welt nicht mehr als Menschheitsfamilie sähen, würden stärker. Der Erzbischof betonte: „Wir brauchen Verteidigung. Aber ich möchte nicht erleben, das unter dem Christbaum wieder Panzer verschenkt werden, dass wir nicht mehr wissen, was Krieg bedeutet. Das Schlimmste auf der Welt – das ist der Krieg!“ Klar sei: „Waffen lösen gar nichts, sondern nur der Versuch zu sprechen, Kompromisse zu machen, Menschen zueinander zu führen, Interessen auszugleichen. Und das geht nur, wenn Mächte und Kräfte da sind, die über den Tag hinausdenken und die ganze Menschheitsfamilie im Blick haben.“
 
Dass Kirche nach wie vor als eine wichtige Stimme wahrgenommen werde, hätten auch die Reaktionen auf den Tod von Papst Franziskus und die Wahl von Papst Leo XIV. gezeigt, meinte Kardinal Marx. „Dass eine Stimme da ist, die jenseits von politischen Interessen etwas für die Menschen zu sagen hat. Wer könnte das sein, wenn nicht der Papst? Das haben viele gespürt.“ Auch das Leitwort des aktuellen Heiligen Jahres, „Pilger der Hoffnung“, sei auf positive Resonanz gestoßen: „Das erwarten die Menschen von Kirche, dass sie Hoffnung für die Zukunft macht.“
 
Der Erzbischof dankte in seiner Ansprache auch den „Partnerinnen und Partnern, die mit uns unterwegs sind. Wir wissen uns in einem gemeinsamen Interesse für die Menschen, die Menschenwürde, für unser Gemeinwesen.“ Besonders hob er den Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese hervor, der gemeinsam mit dem Erzbischof zu dem Empfang eingeladen hatte, und alle dort organisierten Verbände, Gemeinschaften, Räte und Gruppen: „Ich bin wirklich sehr froh darüber, dass wir im Diözesanrat eine Gruppe von Menschen haben, die eben nicht nur um die innerkirchlichen Themen kreist, sondern auch die Frage stellt, wie es der Welt geht, wie es den Menschen geht.“
 
Rund 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik nahmen an dem traditionellen Jahresempfang von Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und dem Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese München und Freising im Kardinal-Wendel-Haus in München-Schwabing teil. Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, sprach ein Grußwort. (bs)