Erzbischof trifft Delegation aus Filetto und Pöcking und erinnert an Kriegsverbrechen in Abruzzendorf
München, 10. Juli 2023. Kardinal Reinhard Marx hat am Sonntagabend, 9. Juli, in München eine Delegation aus dem italienischen Abruzzendorf Filetto und aus der oberbayerischen Gemeinde Pöcking (Landkreis Starnberg) getroffen und an die Erschießung von 17 männlichen Bewohnern Filettos sowie die Verwüstung des Dorfes am 7. Juni 1944 durch ein Kommando der deutschen Wehrmacht erinnert. Dieses stand unter dem Befehl des damaligen Hauptmanns und späteren Weihbischofs im Erzbistum München und Freising, Matthias Defregger, der bis zu seinem Tod 1995 in Pöcking lebte. „Krieg ist eines der schlimmsten Übel überhaupt“, betonte der Erzbischof von München und Freising: „Krieg ist nie eine Lösung. Wenn ein Krieg in Gang kommt, zersetzt er die Beziehung der Menschen untereinander und die Moral. Der Krieg hat eine Dynamik, die am Ende die Seelen zerstört.“
Marx dankte den Bewohnern von Filetto für ihre Zeugnisse und ihre Auseinandersetzung mit der Vergangenheit: „Wir spüren, wie wichtig es ist, nicht zu vergessen, wir spüren das in vielen Bereichen in der Gesellschaft, auch in der Kirche. Verdrängen führt nicht zu einer guten Zukunft.“ Unter der Delegation aus Filetto waren mehrere Nachkommen der Opfer von 1944, aus Pöcking nahmen unter anderem Bürgermeister Rainer Schnitzler sowie die Historikerin Marita Krauss an dem Treffen mit Kardinal Marx teil. Im vergangenen Jahr fuhr eine Delegation aus Pöcking nach Filetto anlässlich einer Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers von 1944, wozu auch Kardinal Marx ein schriftliches Grußwort schickte. Am vergangenen Wochenende erfolgte nun der Gegenbesuch aus Italien. „Ich möchte Ihnen sehr danken für das, was sie getan haben in Filetto und Pöcking: Die Erinnerung wachzuhalten und etwas Gutes draus zu machen.“
Mit Blick auf die Ereignisse von 1944 unterstrich Kardinal Marx zwei Aspekte. Zum einen sei es wichtig, „genau hinzuschauen: Wie hat jemand gehandelt und wie ist das zu beurteilen? Auch im Krieg kann man moralisch handeln.“ Zum anderen müsse betrachtet werden, inwiefern sich Menschen in der Rückschau ihrer Verantwortung stellten: „Wie gehe ich nach dem Krieg mit meinem Handeln um? Habe ich den Mut zu sagen: Ich habe einem verbrecherischen Regime gedient, ich habe es falsch gemacht, das war moralisch verwerflich und ich bitte um Entschuldigung?“ Dies sei, soweit er das sehe, bei Defregger nicht erfolgt, erklärte Marx. Und auch im Erzbistum unter dem damaligen Erzbischof Kardinal Julius Döpfner habe man sich nicht der Wahrheit gestellt: „Da bitte ich um Verzeihung, auch dass das von hier, vom Bistum aus, nicht in der ausreichenden Weise geschehen ist.“ Es sei niemals gut, „wenn man die Wahrheit verdrängt“, vielmehr sei es entscheidend, „immer die Wahrheit anzuschauen und sie zu einem Momentum zu machen, um nach vorne zu gehen.“ (ck)
Es stehen Bilder zum Download zur Verfügung. Bildrechte: EOM/Robert Kiderle