Kardinal Marx regt Debatte über Botschaft des Kreuzes an

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Montag, 30. April, mahnt der Erzbischof von München und Freising an, „die Christen, Muslime, Juden, jene, die gar nicht gläubig sind“, in die Diskussion miteinzubeziehen
Kardinal Reinhard Marx
Kardinal Reinhard Marx. (Foto: EOM/Kiderle)
München, 30. April 2018  Kardinal Reinhard Marx hat im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, dass er sich „grundsätzlich über das Zeichen des Kreuzes im öffentlichen Raum“ freue. Insbesondere erinnerte er in diesem Zusammenhang an einen Antrittsbesuch im Landratsamt in München vor zehn Jahren, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  für diesen Anlass ein Kreuz gestaltet und aufgehängt hätten. „Ich habe es gesegnet. Das hat mich sehr berührt“, so der Erzbischof von München und Freising in dem Interview. Damals sei das Kreuz aufgehängt worden, weil es „offensichtlich ein gemeinsamer Wunsch“ der Mitarbeiter gewesen sei.
 
Im Gegensatz dazu sei durch die  aktuelle Diskussion über einen Erlass der Bayerischen Staatsregierung „jetzt aber eher Spaltung entstanden, Unruhe, Gegeneinander“, sagte der Kardinal der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich spüre das bis in die Familien hinein, in die Pfarreien. Die einen sind dafür, die anderen sind dagegen. Da bringt eine vielleicht gut gemeinte Aktion nicht das, was womöglich gewollt war: sich der christlichen Prägung unseres Landes zu vergewissern und sie zu stärken.“
 
Der Kardinal bestätigte auf Nachfrage der „Süddeutschen Zeitung“, dass es vor der fraglichen Anordnung der Staatsregierung keine Gespräche mit der katholischen Kirche gegeben hätte und mahnte an, dass man „vor einem solchen Schritt eine Debatte mit Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen führen“ sollte, insbesondere „auch mit denen, die keine Christen sind“. Dabei müsse es etwa darum gehen, was „uns die Botschaft dieses Mannes am Kreuz“ bedeute, was davon wie umgesetzt werden solle und was es bedeute, „wenn wir von christlichen Werten sprechen“. Eine solche Debatte wäre anspruchsvoll aber notwendig für den Zusammenhalt des Landes, betonte Marx. Die Kirchen würden sich gerne an einer solchen Debatte beteiligen, die eine große Chance sein könne und in die man alle einbeziehen müsse: die Christen, Muslime, Juden, jene, die gar nicht gläubig seien.
 
Marx stellte klar, dass der Staat nicht von sich aus das Zeichen des Kreuzes definieren könne. „Das geschieht durch die Botschaft des Evangeliums und das lebendige Zeugnis der Christen.“ Keine Partei, kein Staat, auch er als Kardinal könne einfach selbst bestimmen, was christlich sei. „Das ist vorgegeben durch den, der an diesem Kreuz gestorben ist. Das Evangelium kann man nicht einfach für sich uminterpretieren.“
 
Das Kreuz indessen nur als ein kulturelles Symbol zu begreifen, finde  er problematisch, stellte Marx klar. „Das Kreuz kann man nicht haben ohne den Mann, der daran gehangen hat. Es ist ein Zeichen des Widerspruchs gegen Gewalt, Ungerechtigkeit, Sünde und Tod, aber kein Zeichen  gegen andere Menschen. Ein Kreuz aufhängen, heißt: Ich möchte mich an den Worten dessen orientieren, der am Kreuz für die ganze Welt gestorben ist. Das ist eine Provokation, für jeden Christen, für die Kirche, aber auch für den Staat, der sich auf dieses Zeichen beziehen will“, so der Kardinal in dem Interview. „Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden. Dann würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet.“ Es stehe dem Staat auch nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute. Aufgabe des Staates sei es vielmehr, dafür zu sorgen, „dass sich religiöse Überzeugungen artikulieren können. Aber er kann nicht bestimmen, was der Inhalt dieser religiösen Überzeugung  ist. Er kann etwas dafür tun, dass diese Werte dann gelebt werden. Und das tut der Staat bei uns auch“.
 
Für ihn persönlich bleibe das Kreuz „eine heilsame Provokation“, im Kreuz schaue man auf einen Gott, der sage: Wenn ihr etwas von mir wissen wollt, schaut auf Jesus von Nazareth. Schaut, wie er lebte und wie er gestorben ist! „Gott gibt alles, auch sich selbst – weil keine Träne, keine Gewalt, kein Krieg, kein Sterben, kein Leiden ihm gleichgültig ist. Mir bleibt da immer wieder der Atem stocken. Deswegen darf man das Kreuz nicht verharmlosen“, so Marx.
 
Das Kreuz bringe nicht einfach ein bestimmtes politisches Programm mit sich, sondern es bedeute, dass Gott auf alle Menschen schaue. „Es ist nie ein Symbol für irgendein Land oder irgendeine Kultur, sondern ein Zeichen des Heils, der Rettung der Welt, der Hoffnung besonders für die Kranken, Schwachen und Sünder.“ Er werde immer misstrauisch, wenn einer behauptet, das Evangelium ließe sich eins zu eins in praktische Politik umsetzen. „Aus christlicher Sicht sollte es aber ein Leitbild für die Politik sein, die Würde jedes Menschen, besonders der Schwachen, zu achten. Wer ein Kreuz aufhängt, bekennt sich zu Jesus und muss sich an dessen Maßstäben messen lassen“, führte der Kardinal in der „Süddeutschen Zeitung“ aus. (kel)