Kardinal Marx warnt vor nationalistischer Interessenspolitik

Erzbischof hält Vortrag in Ecuador zu „Impulsen von Papst Franziskus für unsere Zeit“
München/Quito, 12. April 2024. Kardinal Reinhard Marx hat davor gewarnt, dass sich Geopolitik wieder verwandeln könnte „in eine Interessenspolitik nationalistischer Art, befeuert von Ideologien und falsch verstandenen Religionen“. Wenn das geschehe, „dann können wir unser Thema Weltklima und gemeinsames Haus schnell vergessen“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Donnerstagabend, 11. April, im ecuadorianischen Quito in einem Vortrag unter dem Titel „Von Laudato si zu Fratelli tutti – Impulse von Papst Franziskus für unsere Zeit“.

Marx sprach in der Pontificia Universidad Católica del Ecuador (PUCE), der päpstlichen Universität in Quito, im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung zu Papst Franziskus‘ Umweltenzykliken, an der sich zudem Bischof José Adalberto Jiménez OFMCap, Präsident des länderübergreifenden Umweltschutz- und Menschenrechte-Netzwerks Red Eclesial Panamazónica (Repam, Panamazonisches kirchliches Netzwerk), sowie Avelina Andrea Rogel Cajas, Agraringenieurin und indigene spirituelle Führerin, mit Impulsvorträgen beteiligten.
 
Die päpstliche Enzyklika Laudato si, deren Veröffentlichung sich am 24. Mai zum zehnten Mal jährt, habe gezeigt, „dass die Kirche auch mal die Spitze einer Bewegung sein kann und nicht nur das Ende“, so Marx. Der Text mache deutlich: „Die ökologische Herausforderung ist zentrale Herausforderung der Kirche und kein Nebenthema, das wir nur anderen überlassen können.“

Erstmals in der Geschichte der Verkündigung der Soziallehre der Kirche sei „in einer solchen intensiven Weise die Wissenschaft einbezogen worden“, hob er hervor. Das sei neu: „Die Kirche stellt sich nicht dar als eine Institution, die schon alles weiß, sondern als eine, die lernt und dann in einem Dialog mit den Wissenschaften ethische Fragen stellt, Herausforderungen formuliert.“ Das sei für ihn „ein Lehrbeispiel, wie man Verkündigung der Kirche im sozialen und ethischen Bereich tun soll.“

Das Schreiben habe zudem eine große Wirkung erzielt, denn „der Papst hat mit Laudato si eine universale, ganzheitliche Sicht auf den Weg gebracht, Ökologie nicht als ein Sonderthema, sondern als Frage der Sozialethik, der Anthropologie“. Franziskus habe „im Grunde eine neue Fortschrittsidee verkündet“, sagte Marx. Zehn Jahre später sei festzustellen: „Wir merken, es ist ein sehr mühsamer Weg.“ Er erinnerte an die Klimakonferenzen, die nur in kleinen Schritten vorankämen, „so dass ich sagen will, die Bilanz ist sehr ernüchternd, aber nicht entmutigend“. Die Kirche sei in den vergangenen Jahren „immer mehr ein engagierter Akteur auf dem Feld der ökologischen Herausforderung geworden“, so Marx, der in diesem Zusammenhang auch die Amazonassynode würdigte.
 
Die Enzyklika Fratelli tutti aus dem Jahr 2020 betont laut dem Kardinal die Geschwisterlichkeit aller Menschen. Es gelte, sich an einem Weltgemeinwohl zu orientieren. Zwar könne man auf örtlicher Ebene viel tun, „aber es braucht auch ordnungspolitische Veränderungen, die global deutlich machen, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben“, erklärte Marx. Fratelli tutti stelle als betont theologische Enzyklika nicht in derselben Weise einen Austausch etwa mit den politischen Wissenschaften dar, „das müssen wir ergänzen“, so Marx: „Wir können das Weltgemeinwohl nur voranbringen, wenn wir mit vielen anderen zusammenarbeiten.“

Angesichts der aktuellen Weltlage seien „viele Träume zerstört“ worden, in manchen Bereichen würde „Religion wieder instrumentalisiert“ werden. „Die katholische Kirche muss gerade jetzt als globaler Akteur auf der Weltebene präsent sein“, so Marx. Keine andere Religion könne weltweit so „präsent eine Stimme sein“. Deswegen sei es wichtig, „dass wir als katholische Kirche uns auch in diese politischen Fragen einmischen“.

Abschließend ermutigte er: „Wir dürfen, gerade weil die Situation schwieriger geworden ist als zum Erscheinungsdatum von Laudato si, nicht aufgeben. Wir müssen weiter aktiv bleiben, Verbindung mit anderen Akteuren suchen, unsere Sprache immer wieder überprüfen, ob sie den anderen erreicht oder ob sie selbstreferenziell ist. Und wirklich uns weiter in diesem großen Ziel des gemeinsamen Hauses engagieren. Wir dürfen nicht nachlassen.“ (glx)