Kardinal Marx: „Wir stellen einen Tisch auf mitten in der Stadt“

Erzbischof von München und Freising warnt in Predigt zu Fronleichnam vor Politik der Abschottung
München, 19. Juni 2025. Kardinal Reinhard Marx hat zu Fronleichnam an das gemeinschaftliche Element der Eucharistie erinnert und davor gewarnt, sich politisch und sozial von anderen Menschen zu isolieren. „Dieser Tisch, der an jedem Tag in jeder Kirche aufgestellt wird, ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir nur im Miteinander an einem Tisch einen Weg aus den Krisen heraus finden werden“, sagte der Erzbischof von München und Freising in seiner Predigt auf dem Marienplatz.
 
Kardinal Marx äußerte sich erschrocken über die aktuelle Nachrichtenlage, die geprägt von Leid, Krieg und Gewalt sei: „Ich erlebe das als Zivilisationsrückschritt ungeheuerlichen Maßes.“ Er erinnerte an die ursprüngliche Idee und „das Hoffnungspotential der EU nach dem Zweiten Weltkrieg“, die nun aber angesichts der Krisen und Herausforderungen ins Wanken geraten seien. Es dürfe nicht geschehen, so der Erzbischof von München und Freising, dass „wir in den westlichen Nationen uns einmauern und die Armen müssen draußen bleiben. Da waren wir schon mal weiter.“  Dennoch sei er „kein Pessimist“ und hoffe auch weiterhin darauf, dass „wir zur Vernunft finden und zu der Einsicht, dass wir eine Menschheitsfamilie sind“. Diese Hoffnung sei, so der Erzbischof von München und Freising „keine diffuse Hoffnung, auf irgendeinen Gott in der Ferne, sondern auf eine Person. Gott ist konkret geworden, als Mensch und im Brot.“ Am Tisch der Eucharistie empfingen die Christinnen und Christen mit dem Leib Christi auch die Hoffnung und deshalb gehe es beim „täglich Brot“, um das im Vater Unser gebetet werde, „nicht nur um das Brot für den Leib, sondern um die Hoffnung. Es ist die Substanz, ohne die wir nicht leben können.“
 
Das gemeinsame Mahl der Eucharistie ist nach Ansicht von Kardinal Marx außerdem ein deutlicher Auftrag, jeden und jede als Teil einer Menschheitsfamilie zu sehen und auch so zu behandeln.  In der Kirche dürfe es „nicht heißen: Church first! Wir sagen: Mensch first! Und dafür sind wir hier.“ Jesus habe im multikulturellen Galiläa seiner Zeit Menschen verschiedenster Hintergründe an einem Tisch empfangen und diese Botschaft gelte es auch mit der Fronleichnamsprozession zu setzen, bei der der Leib Christi und damit die Hoffnung für alle in die Welt getragen werde. „Wir können das nicht für uns behalten. Die Welt braucht dieses Brot.“
 
Mehr als 10.000 Menschen kamen zum Gottesdienst auf dem Münchner Marienplatz und zur anschließenden Fronleichnamsprozession, die vom Marienplatz über die Residenzstraße zur Ludwigskirche zum Segensaltar und über die Ludwig- und Theatinerstraße zurück zum Marienplatz führte. Fronleichnam wurde 1264 von Papst Urban IV. zum offiziellen kirchlichen Fest erklärt. Der Begriff „Fronleichnam“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen: „fron“ bedeutet „Herr“ und „lichnam“ meint den lebendigen Leib. (fho)