„Kraftvolles Zeichen gegen Antisemitismus“

Kardinal Marx würdigt Passionsspielleiter Christian Stückl für Verdienste um jüdisch-christlichen Dialog
Stuttgart/München, 7. März 2021. Kardinal Reinhard Marx hat die Bedeutung der Oberammergauer Passionsspiele für den Zusammenhalt von Juden und Christen betont. „Oberammergau ist in den letzten Jahrzehnten gleichsam zu einem ‚Labor‘ des christlich-jüdischen Dialogs geworden und damit ein kraftvolles Zeichen gegen Antisemitismus“, sagte der Erzbischof von München und Freising laut Manuskript in einer Laudatio zur Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille am Sonntag, 7. März, in Stuttgart. Ausgezeichnet wird Spielleiter Christian Stückl, der laut Marx dazu beitrage, den christlichen Glauben „ohne Antijudaismus zu verkünden und zu leben! Und: Nur wenn wir Jesus als Juden sehen und kennenlernen, können wir ihn verstehen.“

Worte und Bilder können laut Marx „zum echten Dialog, zu Frieden, zu Versöhnung führen, wie es im jüdisch-christlichen Dialog geschieht“. Jedoch könnten sie ebenso „zu Abgrenzung, Spaltung, Hass, Gewalt, Rassismus und Antisemitismus beitragen“. Weil diese Gefahr nicht gebannt sei, müsse immer wieder betont werden, „dass Christen und Juden Schulter an Schulter stehen. Ich wiederhole, was ich in den letzten Jahren immer wieder gesagt habe: Juden und Christen werden nie wieder gegeneinander stehen, wir gehen gemeinsam!“, sagte Marx. Der Kardinal wies darauf hin, dass über lange Zeit auch bei Passionsspielen judenfeindliche Stereotype „nicht nur ganz plastisch und plakativ offen wie subtil in Szene gesetzt, sondern auch von Generation zu Generation Millionen von Menschen weitervermittelt“ wurden. Die Passionsspiele in Oberammergau hätten eine gute Entwicklung genommen und seien auch dank Stückl „für das kirchliche Verhältnis zum Judentum ein gutes Spiegelbild eines Prozesses und Ringens, das einer langen, aber letztlich steilen Lernkurve gleicht“.

Die Passionsspiele wurden laut Marx „zu einem Testfall, wie ernst wir Christen es meinen mit der Aufarbeitung und Bekämpfung der kirchlichen Judenfeindschaft und auch letztlich, wie ernst die Christen es nehmen mit diesem Juden Jesus aus Nazareth“. Heutzutage würden die Pharisäer bei dem Spiel in Oberammergau nicht mehr als die Feinde Jesu dargestellt und Jesus werde als frommer und praktizierender Jude von Anfang bis zum Schluss gezeigt. Das Judentum werde dabei in seiner Vielfalt vermittelt und „nicht mehr als überholte Vorstufe, sondern als Wurzel des Christlichen“ gezeigt, so Marx.  Ein Schauspiel wie das in Oberammergau sei ein wirkungsvolles Mittel, um Haltungen und Denkweisen von Menschen zu verändern. So sei es „eine sehr treffende Entscheidung“, Stückl mit der Buber-Rosenzweig-Medaille auszuzeichnen. Der 59-jährige Oberammergauer wurde 1987 zum Spielleiter der dort alle zehn Jahre stattfindenden Passionsspiele gewählt. Er hat sich seitdem mit dem Vorwurf des christlichen Antijudaismus auseinandergesetzt und die Passionsspiele auf der Grundlage ständigen Austauschs mit vielen jüdischen Repräsentanten und Institutionen reformiert. 

Seit 1968 verleiht der Deutsche Koordinierungsrat der 83 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit während der Eröffnungsfeier zur Woche der Brüderlichkeit die Buber-Rosenzweig-Medaille. Ausgezeichnet werden Personen, Institutionen oder Initiativen, die sich insbesondere um die Verständigung zwischen Christen und Juden verdient gemacht haben. Die Medaille wird in Erinnerung an die jüdischen Philosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig verliehen. (hs)