Marx: Allerheiligen erlaubt „anderen Blick auf die Geschichte“

Erzbischof ruft bei Fernsehgottesdienst in Herz Jesu zu Orientierung an Bergpredigt auf
München, 1. November 2022. Anlässlich des Hochfests Allerheiligen hat Kardinal Reinhard Marx zu einer Orientierung an den Prinzipien aus Jesu Bergpredigt aufgerufen, die deutlich mache, „dass die Armen ihren Platz haben, dass Versöhnung geschenkt wird, dass Gerechtigkeit angestrebt werden kann“. Gerade jetzt sei diese Botschaft wichtig, „wo wir in einer Situation sind, in der – stärker vielleicht als je zuvor – von Krisen die Rede ist, von Polarisierung, Nationalismus, Kriegen, wo neue Spaltungen entstehen“, so Marx. An Allerheiligen gehe es nicht nur um die Heiligen der katholischen Kirche, sondern „um den Blick Gottes auf alle Menschen, die – wissend oder unwissend – in der Spur des Mannes gegangen sind, der uns die Bergpredigt geschenkt hat“. Die Kirche müsse auf diesem Weg „Zeichen und Werkzeug des Reiches Gottes sein“, sagte der Erzbischof von München und Freising bei einem Gottesdienst am Dienstag, 1. November, in der Pfarrkirche Herz Jesu im Münchner Stadtteil Neuhausen. Der Festgottesdienst wurde vom Bayerischen Rundfunk in das Fernsehprogramm der ARD und über den Radiosender Bayern 1 übertragen.
 
Das Fest Allerheiligen bezeichnete Kardinal Marx als einen Widerspruch gegen die Meinung, mit der Bergpredigt könne man „keine Politik machen“. Politik sei „Weltgestaltung, Prägung der Welt“. Und Allerheiligen erinnere daran, „dass die vielen Zeuginnen und Zeugen, die in der Spur Jesu und in der Spur der Bergpredigt gegangen sind, durchaus Wirkung entfaltet haben – ein Segen waren und sind“, so Marx. In diesem Sinne erlaube Allerheiligen einen „anderen Blick auf die Geschichte und das, was auch passiert ist“, verdeutlichte der Erzbischof: „Nicht auf die, die vordergründig da sind und mit Macht und Profitinteressen alles unter ihre Hände nehmen“, sondern auf „die Friedensstifter, die Sanftmütigen, die ohne Gewalt aufgetreten sind und nach Gerechtigkeit gesucht haben“. Am Fest Allerheiligen werde gesagt: „Sie bekommen recht!“ Das große Portal der Pfarrkirche Herz Jesu interpretierte Marx als ein Symbol für eine Orientierung an dieser Sichtweise. Es sei eine Einladung: „Kommt her, alle, die ihr mit Jesus von Nazareth gehen wollt, die ihr Gerechtigkeit sucht, die ihr gewaltfrei leben wollt, die ihr nach Frieden sucht und barmherzig sein wollt“.
 
Die Ursprünge des Hochfestes Allerheiligen reichen bis ins vierte Jahrhundert zurück. Anfänglich lag der Termin im Umkreis von Ostern. Ab dem achten Jahrhundert wurde das Fest, zunächst in England und Irland, später auch in der übrigen abendländischen Kirche, am 1. November gefeiert. Entstanden ist das Fest aus der Verehrung der Märtyrer, die wegen ihres christlichen Glaubens starben und als Heilige verehrt wurden. Es schließt jedoch heute neben den kanonisierten Heiligen auch „Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind“, ein, also Verstorbene, die zwar nicht heiliggesprochen sind, aber ein gläubiges Leben führten. In Bayern ist Allerheiligen ein „Stiller Tag“, an dem „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen“ nur dann erlaubt sind, „wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“. (hs)