Marx: „Kampf um Gesellschaft der verantwortlichen Freiheit“

Zivilgesellschaftliches Engagement grundlegend für Gesellschaft / Interreligiösen Dialog neu in den Blick nehmen / Laudatio zur Verleihung des Julius-Itzel-Preises an Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio
München, 17. März 2024. Kardinal Reinhard Marx hat zivilgesellschaftliches Engagement als grundlegend für die Gesellschaft gewürdigt. „Unsere Gesellschaft wird keine Zukunft haben, die Demokratie wird keine Zukunft haben, wenn die Menschen nur das tun, wozu sie rechtlich verpflichtet sind. Wir leben davon, dass wir mehr tun, in der Familie, in der Gemeinschaft, in der Kultur, im Miteinander, in der Hinwendung zu den Menschen“, sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstagabend im Alten Rathaus in München in der Laudatio zur Verleihung des Julius-Itzel-Preises. Ausgezeichnet wurde Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio.
 
Marx sagte: „Der Kampf um die Demokratie, eine Gesellschaft der verantwortlichen Freiheit, eine Kultur der Freiheit und der Verantwortung, ist in vollem Gange“. Bei den aktuellen Krisen, Kriegen und Auseinandersetzungen gehe es auch um Weltanschauung. „Da geht es nicht nur um die Frage wie ist unsere Art zu leben, sondern was ist die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens, wofür wollen wir kämpfen, nicht nur für uns, sondern für alle Menschen“, so der Erzbischof von München und Freising. Marx würdigte, die von Andrea Riccardi gegründete Gemeinschaft Sant’Egidio zeige eine „Kirche propter homines“, eine Kirche der Menschlichkeit.
 
Er sei „schockiert“, so Marx, über den aktuellen „Rückfall in der Weltgeschichte“. Er sprach von einem „Rückfall in die Szenen der Gewalt, des Terrors, der Einzelinteressen, der globalen Mächte, die sich voreinander aufplustern“. Umso wichtiger seien die Zeichen, die auch Sant’Egidio setze: „Wir Christen lassen uns die Hoffnung nicht nehmen, niemals! Wir sind nicht diejenigen, die irgendwann resignieren!“ Aber das sei nicht einfach. Dies gelte „auch für den interreligiösen Dialog, den Sant’Egidio so sehr angestoßen hat“.
 
Der 7. Oktober sei ein Einschnitt. Im interreligiösen Dialog sei man „immer ausgegangen, von dem, was uns verbindet“, so Marx. „Wir müssen“, fügte er hinzu, „immer wieder in den Blick nehmen, was uns voneinander trennt. Wenn wir das nicht ehrlich ansprechen, ehrlich miteinander ins Gespräch kommen, dann werden wir auch nicht im interreligiösen, auch nicht im politischen Diskurs, weiterkommen“. Am Ende schade es allen Religionen, wenn diejenigen, die Religion kritisch sehen, den Eindruck bekämen, dass Religionen Teil des Problems seien, „ob sie wie Kyrill Kriegstreiber sind im Namen des christlichen Glaubens oder Hamas heißen, im Namen des muslimischen Glaubens“. Marx forderte dazu auf, daran zu arbeiten, dass ein Bild von „Religion als Kraft des Friedens“ da sei. Er bat den Preisträger, „nicht aufzugeben, den interreligiösen Dialog neu in den Blick zu nehmen“ und die Gemeinschaft Sant’Egidio, „neue Anfänge zu machen“.