Orientierungshilfe zum Beten im multireligiösen Kontext

Kleinster gemeinsamer Nenner ein Irrweg / Ermutigung zum Lernen aus Erfahrung
München, 9. September 2021. Angesichts der zunehmenden religiösen Pluralität und damit verbundener Unsicherheiten hat die Diözesankommission für Ökumene in der Erzdiözese München und Freising eine Orientierungshilfe zum Beten im multireligiösen Kontext erarbeitet, die theologische Orientierung und konkrete Anregungen geben will. „Unsere Gesellschaft ist vielfältig und wandelt sich beständig; das betrifft auch die Religionen und den Glauben der Menschen“, schreibt der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, im Vorwort der Broschüre. Besonders in Kindergärten und Schulen, aber auch im Pfarreileben, bei Gedenkgottesdiensten oder Einweihungen kämen zunehmend Menschen unterschiedlicher religiöser, weltanschaulicher und kultureller Prägung zusammen, die Freud und Leid, Hoffnungen und Ängste teilten. „In den letzten Jahren ist an vielen Orten eine Praxis gemeinsamen Feierns und Betens gewachsen, doch vielfach bestehen immer noch und wieder Unsicherheiten, ob dies auch kirchlich erwünscht ist und in welcher Form dies angemessen geschehen kann.“
 
Eine wichtige Grundregel lautet: „Es geht nicht darum, die eigene Identität im Dialog mit anderen Religionen aufzugeben, sondern darum, die eigene Identität in diesem Dialog erst zu entdecken, zu vertiefen und neu schätzen zu lernen“, wie es in der Publikation heißt. Statt die Religionen zu vermischen und dadurch den Glauben der Beteiligten in seinem innersten Kern zu verletzen, gelte es Unterschiede anzuerkennen. Statt Gebetsinhalte und -formen auf einen kleinsten Nenner zu reduzieren, solle jeder Glaube „in seiner Ganzheit und Ganzheitlichkeit, in seiner Unverwechselbarkeit und in seinem Reichtum zur Geltung kommen.“ Zugleich gelte es, auf Aussagen zu verzichten, die andere verletzen oder gegen sie gerichtet sein könnten. „Das Gebet ist ein Bekenntnisakt, keine Spielwiese der Beliebigkeit“, heißt es in der Publikation. „Das Gebet eignet sich nicht für Triumphalismus, Abgrenzung oder gar Polemik gegenüber anderen.“ Die Arbeitshilfe stellt hierfür geeignete Modelle und Erfahrungen vor, die helfen, vor Ort zu guten Lösungen zu kommen.
 
Empfohlen wird, sich schon im Vorfeld gut zu informieren und beispielsweise gemeinsam Themen oder Symbole zu erschließen. So könne schon in der Kita Wasser aus der Sicht unterschiedlicher Religionen behandelt werden, regt die Broschüre an: In christlicher Deutung könnte die Taufhandlung vorgestellt werden. Die Bezüge zum Wasser in muslimischer Tradition könnten durch die muslimischen Waschungen im Rahmen eines rituellen Gebets verdeutlicht werden. Im Judentum gibt es zum Beispiel das rituelle Tauchbad zu verschiedenen Anlässen. Im Buddhismus symbolisiert Wasser Reinheit, Klarheit und Gelassenheit auf dem Pfad der Erleuchtung.
 
Die Publikation, die unter https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-55659620.pdf kostenlos heruntergeladen werden kann, enthält zudem verschiedene Beispiele geeigneter Gebete sowie den Ablaufplan der im Juli 2016 abgehaltenen Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufs am Münchner Olympia-Einkaufszentrum. Bei dem ökumenischen Gottesdienst war erstmals in der Geschichte des Münchner Liebfrauendoms eine Muslima eingeladen, ein Gebet zu sprechen. (uq)