Kinder-Garten im besten Wortsinn „KinderGärtnerei“: Gelebte Schöpfungsverantwortung

Sie springen durch Laubhaufen und buddeln Löcher. Sie haben Spaß, wenn sie in Wasserpfützen matschen dürfen. Sie strahlen, wenn sie die erste eigene Erdbeere ernten können, und verfolgen gebannt den Flug der Schmetterlinge und die Arbeit der Bienen. Sie staunen darüber, wenn der Blütenstaub auf ihren Händen Spuren hinterlässt.
 
Zeichnung der Kinder-Gärtnerei in der Pfarrei St. Oswald
Zeichnung der neuen Kinder-Gärtnerei der Pfarrei St. Oswald, Traunstein
Ab dem Herbst wird so der erfüllende Alltag von 100 Kindern aussehen, die den katholischen Kindergarten der Pfarrei St. Oswald in Traunstein besuchen. Ihr Kindergarten wird dann zur „KinderGärtnerei“.
Auf dem Areal des Campus St. Michael entsteht ihr neues Zuhause: ein Kindergarten-Neubau der besonderen Art für 4,2 Millionen Euro. In Holzbauweise angelegt, verfolgt er ein naturpädagogisches Konzept zum ganzheitlichen Lernen im unmittelbaren Kontakt mit der Natur. Der Garten steht dabei voll und ganz im Mittelpunkt. Die Kinder sollen säen und ernten, alle mit einem eigenen kleinen Beet, mit einer Küche, in der sie ihre Ernte verarbeiten können, und in einem Umfeld, in dem sie Elementares für ihr Leben erfahren.
 
Portrait von Dekan Georg Lindl
Dekan Georg Lindl
Direkter Zugang zur Natur

Die „KinderGärtnerei“ bietet den Drei- bis Sechsjährigen einen direkten Zugang zur Natur, zum Umgang mit Pflanzen sowie zum Erleben der Jahreszeiten. Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter können die Kinder hier Tag für Tag genauso (er)leben wie die Feste im kirchlichen Jahreskreis. Im Vordergrund stehen die praktische Erfahrung gegenüber dem Abstrakten und das Erspüren von Urvertrauen in diese Welt. Als Leitgedanke gelten die Worte von Friedrich Wilhelm August Fröbel, dem Begründer der  Kindergartenbewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Der Kinder-Garten vermittelt das „Sorgende und Liebende“ in der Welt.

Das Miterleben natürlicher Kreisläufe und das Begreifen der  Zusammenhänge und der Abhängigkeit von Mensch und Natur sollen das ökologische Bewusstsein fördern. Über eine gesunde Ernährung bis hin zur kreativen Gestaltungsfähigkeit soll eine nachhaltige und verantwortungsvolle Lebensweise vermittelt werden. „All das kann wertvolle Impulse für die Entwicklung eines Kindes bieten“, betont Stadtpfarrer Georg Lindl, Träger des katholischen Pfarrkindergartens. „Der tägliche Aufenthalt in der Natur ist darüber hinaus wichtig, weil er eine positive Entwicklung der kindlichen Motorik und Wahrnehmung unterstützt.“ Der Dekan des Dekanates Traunstein weiter: „Kinder sind gerne draußen, sie fühlen sich wohl in der Natur.“
 
Ernten, was man sät

Dass ein Sandkasten dabei genauso wenig fehlen darf wie kindgerechte Spielgeräte, eine „Sausewiese“ oder eine „Versteckhecke“ ist klar. Darüber hinaus wird jedes Kind ein eigenes Stück Garten haben, das es eigenverantwortlich und in altersgemäßer Begleitung durch die Erzieher/-innen gestalten kann. Sie sollen ernten können, was sie säen, und Natur nicht nur als Konsumenten, sondern auch als Produzenten erleben.
In den Innenräumen des Holzgebäudes, das in seiner Architektur an ein Gartenhaus angelehnt ist, wird dafür eine kindergerechte Küche nur darauf warten, endlich genutzt zu werden. Obst, Beeren und Gemüse aus eigenem Anbau verarbeiten, Getreide mahlen und Brot backen oder Butter herstellen – die Kinder sollen in den Alltag einbezogen werden. Lebensnah. Das stärkt die Achtsamkeit im Umgang mit der Mitwelt, die ganzheitliche Wahrnehmungsfähigkeit mit allen Sinnen sowie die Kreativität und Fantasie.
 
Portrait Bernhard Vollmar, Leiter der Abteilung Forst im Erzbistum München und Freising
Bernhard Vollmar, Leiter Abteilung Forst
im Erzbistum München und Freising
Fokus auf Nachhaltigkeit

„Ganz wesentlich ist für uns auch, dass der Kindergartenbau hohen ökologischen Ansprüchen gerecht wird. Dies soll zu einem gesunden Wohnklima und zu einer besonderen Atmosphäre beitragen“, so Wolfgang Dinglreiter, Stiftungsdirektor des Campus St. Michael. Ein Aspekt, der durch die gewählte Bauweise voll zum Tragen kommt. Dabei setzt man beim Ordinariat insbesondere auf nachhaltige Baustoffe, allen voran Holz. Bernhard Vollmar, Leiter der Abteilung Forst im Erzbistum München und Freising, unterstreicht: „Holz ist ein heimischer, nachwachsender Rohstoff. Wir sollten es vor Ort bei uns in der Region einsetzen und nicht nach Übersee verkaufen. Nur so stärkt man regionale Wertschöpfungsketten.“ Letzteres ist ihm ein besonderes Anliegen. Es steht stellvertretend für die Schöpfungsverantwortung, die beim Campus St. Michael als Leitmotiv über allem steht.
 
Portrait Wolfgang Dinglreiter, Leiter desw Campus St. Michael
Wolfgang Dinglreiter,
Leiter des Campus St. Michael
„Eine intakte Umwelt, der Erhalt der Artenvielfalt, ein schonender Umgang mit den Ressourcen unserer Erde, gute Nahrungsmittel aus gesunden Böden, wirksamer Klimaschutz und vieles mehr entscheiden darüber, in  welcher Welt unsere Kinder und Enkelkinder morgen leben werden“, betont Wolfgang Dinglreiter. Der Leiter des Campus St. Michael ist überzeugt: „Der neue Kindergarten wird auf dem Campus-Areal eine besondere Anziehungskraft haben. Mit der konsequent ökologischen Bauweise, dem neu entwickelten naturpädagogischen Konzept und dem persönlichen  Einsatz der Mitarbeiter/-innen soll er ein überzeugendes Beispiel dafür werden, wie Schöpfungsverantwortung mit Kindern gelebt werden kann.“

Betreten und Entdecken ausdrücklich erwünscht

Auf dem Campus St. Michael hat die „KinderGärtnerei“ ihr passendes Zuhause gefunden. Davon sind Dekan Georg Lindl und Stiftungsdirektor Wolfgang Dinglreiter überzeugt: „Wir sehen es als besondere Chance, dass der Kindergarten-Neubau hier errichtet wird. Auf dem Campus St. Michael entsteht ein Lebens-, Lern- und Bildungsort zu den Schwerpunkten Nachhaltigkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Schöpfungsspiritualität. Diese Partnerschaft wird beide Seiten bereichern.“ Die Zukunft unseres „Lebenshauses Erde“ wird davon abhängen, wie wir wieder das rechte Maß finden, die Ressourcen der Natur für unsere Bedürfnisse zu nutzen und sie auch für unsere nachfolgenden Generationen zu erhalten. Was Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato Si’“ eindringlich betont, wird auf dem Campus St. Michael künftig Tag für Tag mit Leben gefüllt werden. Und mit ganz viel Kinderlachen. Es ist ein Ort, an dem „Betreten und Entdecken“ ausdrücklich erwünscht ist.

Kardinal Reinhard Marx weiht KinderGärtnerei St.Oswald ein