Ehrenamt – ja gerne, aber punktuell und kurzfristig?! Kinder und Jugendliche müssen Zeit für ihre Interessen haben

Was hat sich verändert und wo liegen die Hindernisse für ehrenamtliches Engagement? Diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Ehrenamt und Jugendverband stellte sich BDKJ Diözesanvorsitzender Sebastian Appolt im Sommerinterview mit #jugendraum-Redakteurin Claudia Hoffmann. 
Porträt Sebastian Appolt
"Punktueller Einsatz, Kampagnen und zeitlich klar definierte Projekte, dafür lassen sich nach wie vor engagierte Jugendliche finden." Sebastian Appolt im Sommerinterview (Bild: BDKJ München und Freising)
#jugendraum: BDKJ und Ehrenamt, wie verhält sich das zueinander?
 
Appolt: Ohne Ehrenamt geht es auf gar keinen Fall! Ehrenamt und Engagement in Jugendverbänden ist untrennbar miteinander verbunden. Dass sich Jugendliche und junge Erwachsene aus persönlichem Interesse unentgeltlich und freiwillig für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzen, das ist die Grundlage unserer katholischen Jugendverbandsarbeit und nach meiner festen Überzeugung auch einer gelingenden Gesellschaft.
 
#jugendraum: Was hindert heute an ehrenamtlichem Engagement?
 
Appolt: Es haben sich eine Reihe von Hürden aufgebaut, die junge Menschen daran hindern in einem Jugendverband aktiv zu werden oder sie zumindest in ihrem Engagement einschränken. Eines dieser Hindernisse ist die aktuelle Schulsituation. Bildung und Qualifikation sind unbestreitbar sehr wichtig, aber es muss Platz für die Selbstverwirklichung und eigenverantwortliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bleiben. Wir hoffen jetzt darauf, dass die Rückkehr zum G9 hier etwas Entspannung bringt, fürchten aber, dass die Schüler und Schülerinnen auch dann nicht mehr Freizeit haben werden. Sicher sind wir als kirchlicher Jugendverband damit nicht allein. Sportvereinen, Kunst- und Kultureinrichtungen sowie politischen Gruppierungen geht es da nicht anders.
Logo 70 Jahre BDKJ
#jugendraum: Wird deshalb der „freie Nachmittag“ gefordert?
 
Appolt: Ja, das ist eine Kernforderung des BDKJ München und Freising. Es muss in allen Schulen einen verbindlichen freien Nachmittag geben, um gemeinsame außerschulische Aktivitäten und ehrenamtliches Engagement zu ermöglichen. Diese Aktivitäten dürfen sich nicht immer weiter in die Abendstunden hineinschieben!
 
#jugendraum: Die Schulsituation ist also eine Hürde, gibt es noch andere?
 
Appolt: Ja, wir registrieren, dass überbordende Bürokratie und komplizierte Verwaltungsabläufe Jugendliche davon abhalten sich ehrenamtlich zu engagieren. So wichtig beispielsweise Mechanismen zum Kinder- und Jugendschutz in der Jugendarbeit unbestritten sind – und hier war und ist der BDKJ mit seinem Verhaltenskodex zur Prävention sexualisierter Gewalt vorbildlich –, so wichtig ist zugleich, dass durch die hierfür nötigen Maßnahmen Jugendliche nicht abgeschreckt werden oder ihre Motivation verlieren.
junge Menschen tüfteln zusammen in der Sonne
(Bild: Andreas Schebesta)
#jugendraum: Wie sieht es mit der Reform des Sozialgesetzbuchs hinsichtlich des Ehrenamts aus?
 
Appolt: In dieser Hinsicht leistete der BDKJ Bundesverband im Namen aller BDKJ Diözesanverbände hervorragende Lobbyarbeit. Durch viele, viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten konnten das Ehrenamt negativ beeinflussende Gesetzesänderungen abgewendet werden. Die beschlossene Reform beinhaltet jetzt aus unserer Sicht keine „schlimmen“ Änderungen mehr.
 
#jugendraum: Wie sieht es mit Hindernissen aus, die nicht von außen kommen?
 
Appolt: Ja, die gibt es tatsächlich. Die persönliche Einstellung hat sich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen teilweise verändert. Organisationen, wie Verbände und Parteien, werden leider vielfach nicht mehr als Plattform wahrgenommen, über die sich etwas voranbringen oder verändern lässt. Insbesondere die dort geforderte Langfristigkeit des Engagements widerspricht einer als kurzfristig, spontan und offen, definierten Gesellschaft. Wird Langfristigkeit gefordert, geht die Motivation oft schnell verloren. Punktueller Einsatz, Kampagnen und zeitlich klar definierte Projekte, dafür lassen sich aber nach wie vor genug engagierte Jugendliche finden.
 
#jugendraum: Es werden ja auch nicht mehr Jugendliche? 
 
Appolt: Richtig. Junge Menschen merken, dass sie – der Demographie entsprechend – einer kleiner werdenden Gruppe angehören und dementsprechend weniger gehört werden als in der Vergangenheit. Ziel muss es also sein, trotz geringerer Zahl stärker wahrgenommen zu werden. Gerade hier sind eine langfristige Vernetzung, ein strukturelles Vorgehen verbunden mit einem längerfristigen Engagement ­– wie es in den Jugendverbänden gelebt wird – unverzichtbar.
 
Wir freuen uns über alle, die Interesse haben sich zu engagieren. Unsere Angebote stehen allen offen!

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