Religionsunterricht als spirituelle Heimat Mehr als ein Auslaufmodell

Der Religionsunterricht genießt einen Sonderstatus. Anders als andere Fächer ist er im Grundgesetz verankert. Aber immer weniger Kinder sind religiös sozialisiert. Wie also muss Religionsunterricht heute aussehen und hat er immer noch seine Berechtigung im Fächerkanon? 
 
Grundschülerinnen mit Klassenlehrerin
"Alle Kinder haben die gleichen Fragen und die gleiche Neugier"
Esther Sepp ist Mutter von fünf Kindern und in Sachen Religionsunterricht eine Spätberufene. Nach der Elternzeit hat sie Theologie im Fernstudium belegt, die Missio hat sie seit 15 Jahren. Im Gespräch wird deutlich, dass sie für ihren Beruf brennt. Aber der Religionsunterricht hat sich in den vergangenen Jahren auch massiv gewandelt. Wenn Religionslehrer wie Esther Sepp vor einer 1. Klasse stehen, dann können sie nur wenig bis keine religiöse Grundbildung voraussetzen. Kinder, die schon mit Kirche und Religion in Kontakt gekommen sind, seien eher die Ausnahme, so die Lehrerin.
 
Wenig religiöse Vorkenntnisse
 
Diese Erfahrung macht auch Dr. Sandra Krump, die das Ressort Bildung beim Erzbistum München und Freising leitet. Viele Kinder und Jugendliche kämen im Religionsunterricht das erste Mal in Kontakt mit Bibeltexten. Die wenigsten kennen die Liturgie von regelmäßigen Gottesdienstbesuchen her, so Krump. In beiden Fällen sei das allerdings kein Grund zur Resignation. Für Krump zeigt es vielmehr, „wie wichtig und wertvoll der Religionsunterricht ist“.

Auch Esther Sepp sieht es als „Chance“. Ihrer Erfahrung nach haben alle Kinder die gleichen Fragen und die gleiche Neugier. Schwierig wird es für die Pädagogin nur, wenn zum Beispiel die Eltern daheim schlecht über Kirche reden. Dadurch kämen die Kinder in einen Konflikt. Glücklicherweise sei das aber eher die Ausnahme. Die meisten Eltern stünden dem Religionsunterricht wohlwollend gegenüber.
 
Auf dem Foto sieht man Dr. Sandra Krump. Sie ist Mentoring.
Sandra Krump
Unterricht ohne Leistungsdruck
 
Fakt ist: Der Religionsunterricht hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. War es früher noch ein Fach, in dem viel auswendig gelernt werden musste, können Kinder heute fast ohne Leistungsdruck am Unterricht teilnehmen, sagt Esther Sepp. Guter Religionsunterricht erfüllt für sie dabei zwei Kriterien. Auf der einen Seite muss der Intellekt der Kinder angesprochen werden, auf der anderen Seite brauchen Kinder eine Möglichkeit, das intellektuell Erarbeitete dann emotional auszudrücken. Der Religionsunterricht sei dabei einer der wenigen Orte, wo Kinder eine spirituelle Heimat finden würden. 
 
Auch Dr. Sandra Krump beschreibt idealen Religionsunterricht als ein Fach, das von Begeisterung, Engagement, Fachkenntnis und dem Interesse an den Schüler*innen und ihren Fragen und Bedürfnissen geprägt ist. Wichtig sei hierfür, dass die Religionslehrkräfte selbst die Begeisterung über das Evangelium ausstrahlen. Wie entscheidend diese Authentizität ist, erlebt Esther Sepp auch im Unterricht in der Grundschule. Wenn es zum Beispiel um die Auferstehung geht, kämen da Fragen wie: „Und du Frau Sepp, glaubst du es?“ Die Kinder merken sofort, wenn die Lehrkraft nicht selbst hinter einer Aussage steht, so Sepps Erfahrung.
 
„Freundschaft mit Jesus“ eröffnen
 
Für die Leiterin des Ressorts Bildung muss Religionsunterricht darauf abzielen, Kindern einen persönlichen Zugang zum Glauben zu ermöglichen. Deshalb versucht auch Esther Sepp ihren Schüler*innen eine „Freundschaft mit Jesus“ zu eröffnen. Diese könnten sie dann im Laufe ihres Lebens annehmen, weiterbringen oder auch negieren, so die Pädagogin. 
 
Abschließend macht Esther Sepp klar: Religionsunterricht gehört nach wie vor in den Fächerkanon, denn Kinder lernen hier Fragen zu entwickeln und trauen sich auch, sie zu stellen. Sie lernen mit Krisensituationen umzugehen, zum Beispiel indem sie Klage-Psalme selbst formulieren. Was sie im Religionsunterricht erlernen, ist Handwerkszeug, und zwar nicht nur für die Schule, sondern auch fürs weitere Leben, ob es trägt, liegt dann allerdings bei jedem Einzelnen.
 
Text: Linda Burkhard, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund, Mai 2023

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