„Miteinander von Juden und Christen sichtbar machen“

Kardinal Marx würdigt anlässlich Fertigstellung von Synagogen-Gedenkband interreligiöse Gemeinschaft
München, 23. April 2021. Kardinal Reinhard Marx hat seinen Wunsch bekräftigt, „dass für die Zukunft das lebendige Miteinander von Juden und Christen auch sichtbar wird, dass wir noch mehr voneinander lernen“. Schließlich sei Jesus „nicht zunächst katholisch oder evangelisch, er ist zunächst gläubiger Jude und wir können ihn nicht kennenlernen, ohne dass wir wirklich tief einsteigen in die Geschichte des Judentums, des Alten Testaments, in seine religiöse Vorstellungswelt“, sagt der Erzbischof von München und Freising in einer Videobotschaft anlässlich der Fertigstellung des bayerischen Synagogen-Gedenkbands „Mehr als Steine“, dessen letzte Bücher am Sonntag, 25. April, im jüdischen Gemeindezentrum „Shalom Europa“ in Würzburg präsentiert werden. 

Marx würdigt die Werke des Synagogen-Gedenkbands als wichtige Dokumente des Lebens jüdischer Gemeinden in Deutschland: „Sie erinnern an das lange Wirken des Judentums in unserem Land. An die Präsenz, die 1700 Jahre alt ist, wie wir in diesem Jahr ja in besonderer Weise erinnern.“ Die Bände könnten zugleich ein Anstoß für weitere Aufarbeitung sein. „Denn natürlich wissen wir, die Geschichte des Judentums in Europa ist auch verwoben mit einer großen Schuldgeschichte, auch der katholischen Kirche“, so Marx. Die Judenfeindschaft in Europa, „die auch die Kirche mitbefördert hat, war sozusagen ein Anknüpfungspunkt für den rassistischen Antisemitismus“, der im 20. Jahrhundert zur „schrecklichen Shoah“ führte.  

Im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils habe die katholische Kirche ein neues Kapitel aufgeschlagen und deutlich gemacht, „dass die Juden unsere älteren Geschwister sind, dass das Judentum die heilige Wurzel ist, aus der das Christentum hervorgegangen ist“. Somit gelte für Christen, „dass wir uns selbst nicht verstehen können, ohne die Juden kennenzulernen: das Alte Testament, die jüdische Geschichte, die jüdische Liturgie“, so Marx. Er sei „froh darüber, dass in den Jahrzehnten nach dem Konzil der intensive Dialog zwischen Juden und Christen fortgesetzt wurde“. Zugleich warnte der Erzbischof, der Antisemitismus sei nicht überwunden, sondern bleibe „eine große Gefahr für das Zusammenleben der Menschen“.

Das Gesamtwerk „Mehr als Steine“ sei nun ein Beispiel, „wie der Dialog eben nicht nur theoretisch stattfindet, sondern sich praktisch zeigt. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar“, so Marx. Nun müsse hier weiter angesetzt werden: „Wir brauchen die theologischen Gespräche, die Päpste besuchen die Synagoge in Rom oder die Klagemauer oder Ausschwitz und bekennen sich auch zur eigenen Verantwortung der Kirche.“ So müsse stets gelten: „Juden und Christen lassen sich in unserem Land nie wieder auseinanderbringen!“ 

Mehr Informationen zu dem Projekt „Mehr als Steine“ sind unter www.synagogenprojekt.de zu finden. Der Synagogen-Gedenkband Bayern bietet eine umfassende Dokumentation der über 200 jüdischen Gemeinden, die es in den Jahren um 1930 im Gebiet des heutigen Bayern gab. (hs)