Singles im Erzbistum München und Freising Hier gibt es Angebote für alle – auch ohne Konfession

Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit, Kinder, Enkel: Das entsprach lange einem traditionellen katholischen Lebenslauf. Die Realität sieht heute oft anders aus. Entsprechend richten sich Angebote zu Unternehmungen im Erzbistum an eine breitgefächerte Gesellschaft: Wie Paaren stehen auch Singles die Türen offen – egal ob auf der Suche, verwitwet, geschieden. Egal ob mit Konfession oder ohne, ob hetero- oder homosexuell.
rotes Herz auf grünem Efeu
Einsam und allein ist in der Regel niemand gern. Im Erzbistum gibt es viele Angebote für Menschen, die Gesellschaft suchen. (Foto: unsplash / Anh Tran)

Zwanglos Raum für Gespräche öffnen

Rosi S. (Name von der Redaktion geändert) hat früh ihren Mann verloren und ihre Kinder weitgehend allein aufgezogen. Dass sie sich in der Pfarrei engagiert, war für sie selbstverständlich: Neben ihrer Teilzeitanstellung kümmerte sie sich ehrenamtlich um Kommunion- und Firmgruppen, leitete über Jahre einen Frauenkreis. Als die Kinder flügge wurden, merkte sie, dass es höchste Zeit war, auf sich zu schauen statt immer auf die anderen. Inzwischen ist sie 68 Jahre alt – und fleißige Teilnehmerin bei Veranstaltungen und Reisen der Frauenseelsorge im Erzbistum München.

„Das kommt öfter vor, dass Frauen zu uns kommen, die lange vor allem auf die Bedürfnisse anderer geschaut haben und merken, dass sie nun Zeit für sich brauchen und ihren spirituellen Fragen nachgehen wollen“, sagt Wiltrud Huml, Leiterin der Frauenseelsorge. Bei Seelsorge geht es, wie manche meinen könnten, nicht nur um Krisen und Konfliktbewältigung. Die Angebote – rund 130 sind es pro Jahr– sind vielfältig: Es gibt Begegnungstage, Wanderungen, ein Wochenende trägt den Titel „Wenn Unmögliches möglich wird“, bei einer anderen Veranstaltung geht es um „Burnout als Chance“. Innehalten und Entfaltung, je nach persönlichem Bedürfnis, stehen im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird ein weiblicher Blick auf die Kirche geworfen, auf weibliche Heilige etwa, oder es wird kunsthistorisches Wissen vermittelt.

„Wir haben unter den Teilnehmerinnen unserer Angebote eine relativ hohe Zahl von Singles“, sagt Wiltrud Huml. Vor zehn Jahren gab es eine Evaluation, da waren es 26 Prozent. Eine Zeitlang bot die Frauenpastoral ein Programm speziell für Singles an. Doch das beendete Huml wieder – wegen mangelnder Nachfrage. „Frauen bei uns finden es gut, bei unseren Veranstaltungen Frauen in unterschiedlichen Lebensformen zu treffen“, sagt sie. „Das macht es ja auch so spannend: Dass die Teilnehmerinnen unterschiedliche Erfahrungen mitbringen.“

Wichtig ist ihr, dass die Angebote niedrigschwellig sind, nicht nur vom Veranstaltungscharakter, sondern auch erschwinglich. Die Altersspanne umfasst mehrheitlich 35-Jährige bis 65-Jährige, manchmal auch drunter oder drüber. Rentnerin, Alleinerziehende, Witwe, Hartz-IV-Empfängerin, Managerin – die Mischung sei bunt, sagt Wiltrud Huml. In jeglicher Hinsicht. „Auch lesbische Frauen fühlen sich wohl bei unseren Seminaren“, sagt sie. Oft kämen sie mit ihrer Partnerin.

Der Austausch ist wichtig, wobei die Frauen nur über Persönliches sprechen, wenn sie den Bedarf verspüren. „Wir wollen einfach den Raum zu Gesprächen eröffnen“, sagt Huml. Ganz zwanglos. Darüber könnten auch neue Bekanntschaften oder Freundschaften entstehen.
älterer Landwirt steht lachen in Feld
Egal ob Landwirt oder Jurist - bei der Männerseelsorge ist jeder willkommen. (Foto: imago images / Westend61)

Angebote helfen ganz allgemein bei Lebensbewältigung

Wer als Mann Kontakte knüpfen und sich über die Erfahrungen im Leben austauschen möchte, findet ein entsprechendes Programm bei der Männerseelsorge: Auch hier ist jeder willkommen – etwa ein Fünftel der Teilnehmer sind Nicht-Katholiken, es gibt Landwirte genauso wie Juristen. „Wir bieten Themen an, die mehrheitlich bei der Lebensbewältigung helfen und existentielle Fragen des Einzelnen betreffen“, sagt Ernst Würschinger, langjähriger Leiter. Da fühlten sich auch Singles angesprochen.

Das gängige Vorurteil, dass Männer ungern über sich reden, kann Würschinger nicht bestätigen. „Zu uns kommen äußerst offene Männer“, erzählt er. „Das liegt sicher auch daran, dass hier keine Konkurrenzsituation besteht.“ Die Veranstaltungen drehen sich um Fragen wie „Was oder wer bietet Halt?“, um „Männer im Umgang mit Konflikten“, „Männer und Sexualität“ oder das Leben als Rentner – daneben werden viele Vater-Kind-Unternehmungen angeboten: Kochen, Bogenschießen, Bergsteigen.

„Die Lebensformen haben sich unglaublich individualisiert“, sagt Würschinger. Heutzutage überprüften Menschen viel häufiger ihre Lebensentscheidungen. Single sein oder nicht? Ist die Beziehung die richtige für mich? Viele erlebten Trennungen und dabei Verletzungen, die sie mit sich tragen. „Da sind sie in der Regel sehr erleichtert, wenn sie sehen, dass sie nicht die einzigen sind, die die Erfahrungen machen.“

Alleinsein und Einsamkeit entgegenwirken – auch im Alter

Das Singledasein mag bisweilen selbst gewählt sein. Wird das Alleinsein aber von Einsamkeit begleitet, wird es zur Belastung. Besonders im Alter. Da ergeben sich nicht mehr so schnell Kontakte im Alltag. Das Berufsleben ist beendet. Die Kinder führen– sofern vorhanden – längst ihr eigenes Leben, und der Bekanntenkreis ist oft auch schon ausgedünnt. Dazu kommt womöglich die anhaltende Trauer um den verlorenen Lebenspartner.

Um dem entgegenzuwirken, gibt es in den Gemeinden Seniorentreffs oder Angebote wie „Zusammen ist man weniger allein“: Hier finden sich ältere Menschen in oft ähnlichen Lebenssituationen. Ein Seelsorger begleitet die Treffen und gibt den Gesprächen eine spirituelle Dimension, wenn er das Gefühl hat, dass es der Gruppe guttut. „Die Teilnehmer organisieren sich dazu auch untereinander“, sagt Adelheid Widmann, Leiterin der Seniorenseelsorge im Erzbistum. Bisweilen kommt es vor, dass vor allem Männer die Treffen als klassische Partnerbörse missverstehen. „Aber das klärt sich schnell auf, es sind ja alles erwachsene Menschen.“ Ob sich ungeachtet dessen schon Paare gefunden haben? Das weiß Widmann nicht, möglich ist es.  

Wenngleich sich die Seniorentreffs an alle richten und die Konfession keine Rolle spielt, haben insbesondere Menschen, die nicht ins Gemeindeleben eingebunden sind, Berührungsängste. Um noch mehr Menschen zu erreichen, hat ein Seelsorger in Mühldorf am Inn ein unkonventionelles Projekt begonnen: Er sitzt jeden Donnerstag von 10 bis 11 Uhr als potenzieller Gesprächspartner im „Globus“-Supermarkt. Jeder kann sich zu ihm setzen und vom Wetter bis zu Persönlichem über alles reden. Speziell Männer würden zunächst reflexartig reagieren nach dem Motto ,Das brauch‘ ich nicht‘, sagt Widmann. „Plötzlich kommen sie doch.“ Es bedarf einer Anwärmphase. Das Projekt könnte Schule machen, in München wird ähnliches erwogen. „Schließlich ist das Kostbarste, was sich Menschen heute schenken können, Zeit“, sagt Widmann.
gut aussehende ältere Frau sitzt lächelnd auf einer Bank
Single ist man nicht immer freiwillig. Was hilft, sind Austausch, Gesellschaft und ein achtsamer Blick auf sich selbst. (Foto: imago images / Westend61)

Der Einsamkeit auf den Grund gehen

Dass die Einsamkeit bei älteren Menschen ein großes Thema ist, die Erfahrung hat auch Isabelle Überall gemacht. Die Psychologin und Therapeutin arbeitet bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese München. Hier melden sich Menschen, die sich in handfesten Krisen befinden.

Bedingt sein kann ein starkes Einsamkeitsgefühl durch die äußere Lebenssituation, den Verlust des Partners. Nach Erfahrung von Überall liegen die Gründe oft tiefer: Menschen haben eine schwere Lebensgeschichte, womöglich auch psychische Probleme, und sind deshalb wenig beziehungsfähig. Bei anderen ist das Thema vielleicht gar nicht die tiefe Einsamkeit, sondern das Verlassen-Werden. „Man muss sich jeden Einzelfall genau anschauen“, sagt Isabelle Überall.

In einem Beratungsprozess wird analysiert, welche Gründe dazu beitragen könnten, dass der oder die Betreffende allein ist. Es werden frühere Beziehungen angeschaut, deren Dynamik, bis hin zu Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit.

Es kommt selten vor, doch Isabelle Überall hat auch schon Klientinnen „durch den Dschungel der verschiedenen Partnerbörsen begleitet“. Auf welche Signale springt sie an? Wer reagiert auf sie? Welche Signale sendet sie aus? „Wir sind detailliert auf Spurensuche gegangen“, sagt sie. Neben früheren Beziehungen wurde auch das Vaterbild beleuchtet, ob es die Klientin auf die Männer überträgt, und ob das wirklich die Männer sind, die sie glücklich machen. Nach einem Jahr kam die Frau zu dem Schluss, erst mal genug aufgearbeitet zu haben und eine Pause einzulegen. Anders war es bei einer zweiten Klientin, die lange vergeblich suchte und sogar extra Reisen für Singles machte. Gefunden hat sie ihren Partner dann ganz unverhofft - auf der Wiesn.

Text: Sandra Tjong

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