Zuhause ankommen Innovatives Wohnprojekt des Sozialverbands "In Via" unterstützt junge Geflüchtete

Junge Menschen mit Fluchthintergrund haben es schwer, eine Wohnung in München anzumieten. Hilfe erhalten sie vom Sozialverband "In Via". Mit dem Projekt „Zuhause ankommen“ vermittelt der Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit günstige Genossenschaftswohnungen an Geflüchtete. Neben einem Dach über dem Kopf bietet die Genossenschaft auch die Möglichkeit, sich sozial zu integrieren und in Gemeinschaft selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Eine wichtige Erfahrung für die Bewohnerinnen und Bewohner
 
Auf dem Foto ist ein junger Migrant mit einer Mitarbeiterin von In Via zu sehen.
Feierliche Wohnungsübergabe: Jakob Al Saeed (mi) vor dem Genossenschafts-Wohnhaus, in dem er sein Appartement beziehen wird. Schwester Francesca Hannen (li.) und Maryam Kazemi ali Akbar (re.) vom Katholischen Sozialverband In Via haben den jungen Mann bei der Suche unterstützt.
Mit dem elektronischen Schlüssel dauert es ein paar Sekunden, bis das Schloss reagiert, aber das stört Jakob Al Saeed nicht. Lange genug hat er nach einer neuen Wohnung gesucht, bis er im Norden Bogenhausens fündig geworden ist. Gegen alle Widerstände: Rassismus, Diskriminierung und Bürokratie. Der Münchner Wohnungsmarkt ist generell ein hartes Pflaster, aber als Geflüchteter mit einem Ausbildungsgehalt ist der 24-jährige Syrer bei seiner Wohnungssuche nahezu un­überwindbaren Hürden begegnet. „Bei meinem Nachnamen erkennt man halt, dass ich nicht von hier bin“, erklärt er sich die Absagen.

Nachdem seine Münchner WG aufgelöst wurde, brauchte Jakob unbedingt eine neue Bleibe. Dieses Jahr will er seine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker abschließen und danach auf die Meisterschule. Die Eineinhalbzimmerwohnung, die er jetzt beziehen kann, ist die Grundlage dafür.
 
Dass er gerade gegen Ende der Ausbildung besondere Probleme bei der Wohnungssuche hat, ist nicht ungewöhnlich, sagt Maryam Kazemi ali Akbar von „IN VIA München“, dem Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit. Sie begleitet dort junge Frauen und Männer mit Migrationshintergrund auf ihren „Wegen in den Beruf“ (WIB) und weiß: Während der Ausbildung begrenzt allein schon das niedrige Gehalt die Wohnungsauswahl. Aber auch Rassismus und Überforderung spielen eine Rolle. „Viele Geflüchtete wissen nicht, wie man in Deutschland eine Wohnung sucht und welche Unterlagen man braucht“, erläutert die Sozialpädagogin. Chancengleichheit sähe anders aus.
 
Wohnungen zu fairen Konditionen
Sozialwohnungen der Stadt München könnten hier Abhilfe schaffen, doch von denen gibt es zu wenige. Knapp 90.000 Wohnungen städtischer und privater Wohnbaugesellschaften, die über das Amt für Wohnen und Migration vergeben werden, bestehen nach Angaben der Stadt. Etwa die Hälfte sind geförderte Wohnungen. Von diesen werden jährlich aber nur ungefähr 3.000 neu vergeben. Demgegenüber stehen rund 33.000 Anträge von wohnungssuchenden Haushalten – pro Jahr. Auf eine geförderte Sozialwohnung der Stadt bewerben sich also im Schnitt elf Haushalte.
 
Bei „IN VIA“ hat man deshalb im Herbst das Projekt „Zuhause ankommen“ gestartet. Die Idee dahinter: Der Sozialverband erwirbt Anteile bei der Wohngenossenschaft „Wogeno“ und stellt die so akquirierten Wohnungen günstig jungen Menschen aus den „IN VIA“-Programmen zur Verfügung. Schwester Francesca Hannen hat das Projekt initiiert und hofft, dass die „IN VIA“-Teilnehmer so nicht nur eine Wohnung zu fairen Konditionen bekommen, sondern zudem in der Genossenschaft gesellschaftlichen Anschluss finden: „Zum Wohnen gehört ja nicht nur der Raum, sondern auch die Nachbarschaft“, betont die Sozialpädagogin. „In den Häusern und Wohngemeinschaften dort gibt es Kontakt- und Anschlussmöglichkeiten, auf die unsere Klientinnen und Klienten sonst nicht so einfach zurückgreifen könnten.“
 
Auf dem Foto sind Jakob Al Saeed und Maryam Kazemi ali Akbar zu sehen. Jakob bezieht eine genossenschaftliche Wohnung von IN Via
Mieter Jakob Al Saeed (li.) und Maryam Kazemi ali Akbar von IN Via in seinem neuen Zuhause
Auch die Genossenschaft profitiert aus Sicht von „Wogeno“-Vorstand Thomas Kremer von dieser Kooperation: „Die Gemeinschaften in unseren Häusern leben davon, dass sie einen Schnitt durch die Gesellschaft abbilden.“ Außerdem müsse die Genossenschaft ein gewisses Kontingent an Sozialwohnungen anbieten, habe aber zu wenige Mitglieder, die darauf Anspruch haben. „Die Zusammenarbeit löst dieses Problem.“
 
Vier Wohnungen stehen aktuell beim Projekt „Zuhause ankommen“ zur Verfügung, um drei weitere will sich „IN VIA“ bewerben. Das Erzbistum München und Freising unterstützt das Projekt mit 58.000 Euro. Menschen mit geringem Einkommen haben es auf dem Münchner Wohnungsmarkt sehr schwer. Migranten  haben bei der Wohnungsvergabe bei manchem Vermieter von vornherein keine Chance“, begründet Generalvikar Christoph Klingan das Engagement des Erzbistums. Eine Investition, die sich im Hinblick auf die Inklusion Geflüchteter auszahlt, ist sich Kazemi ali Akbar sicher. „Denn die Wohnung ist das A und O, um sich in eine Stadtgesellschaft zu integrieren.“ Auch deshalb ist die Nachfrage unter den „IN VIA“-Teilnehmern deutlich größer als das aktuelle Wohnungsangebot. Langfristig will man für 25 Prozent der Teilnehmer Wohnungen akquirieren. Drei- bis viermal so viele, wie aktuell zur Verfügung stehen, bräuchte man dafür.
 
Ehrenamtliches Engagement für andere junge Geflüchtete
Jakob Al Saeed gehört zu den Glücklichen, die es jetzt schon in eine der Genossenschaftswohnungen geschafft haben. Während normalerweise Einkommen, Anstellungsverhältnis oder familiäre Umstände in München darüber entscheiden, ob man eine Wohnung bekommt, werden bei „IN VIA“ andere Maßstäbe gesetzt. Jakob engagiert sich dort selbst ehrenamtlich für andere junge Geflüchtete. Bei „JuMiLo“ (Jungen Migranten als Lotsen) gibt der 24-Jährige Nachhilfe, organisiert Ausflüge und erteilt Box- sowie Schwimmtraining.

Sich für die Allgemeinheit zu engagieren, ist auch ein wichtiger Bestandteil des genossenschaftlichen Wohnens: Die Bewohner verwalten sich in der Hausversammlung selbst, wichtige Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und in Arbeitsgemeinschaften gestaltet man das Zusammenleben von der Nutzung der Gemeinschaftsräume bis hin zur Bepflanzung der Dachterrasse. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung – für Jakob ist sein neues Zuhause der Schlüssel zur Zukunft.
 
Text: Korbinian Bauer, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund, März 2022
 

 
IN VIA

In Via München

Der gemeinnützige Verein IN VIA München wurde 1895 als „Marianischer Mädchenschutzverein“ gegründet. Damals wollte man junge Frauen, die vom Land in die Stadt zogen, vor Ausbeutung und Menschenhandel schützen. Dem Bahnhof als zentraler Wirkungsstätte ist IN VIA dabei bis heute treu geblieben. Neben der Bahnhofsmission ist IN VIA vor allem in den Bereichen Jugendwohnen und Migration engagiert und das Angebot ist längst nicht mehr nur auf weibliche Klienten beschränkt. Rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mehr als 300 Ehrenamtliche begleiten junge Erwachsene beispielsweise bei ihren ersten Schritten in Deutschland oder beim Berufseinstieg. Neben dem Münchner Verband gibt es weitere neun IN VIA-Diözesanverbände und 17 Orts- bzw. Bezirksverbände in ganz Deutschland. Weltweit ist IN VIA in 25 Ländern mit Verbänden aktiv.
 

 
IN VIA München e.V. - Kath. Verband für
Mädchen- und Frauensozialarbeit
Telefon: 089-282824
Fax: 089-288413
info(at)invia-muenchen.de
http://www.invia-muenchen.de
Vorstand: Dr. Marie Gabel 
Vorsitzende des IN VIA-Rates: Irina Augustinowski
Der Verein ist Träger von Einrichtungen und Angeboten in den Bereichen Bahnhofsmission, Migration und Jugendwohnen.

Hören Sie mehr!

Im Podcast "Total Sozial", der Radiosendung des Sankt Michaelbundes, wird das Wohnprojekt "Zuhause ankommen" des Katholische Sozialverbands "In Via" vorgestellt.
Hier geht es zur Sendung.