Resilienz – Wie es uns gelingt, mit belastenden Situationen umzugehen Das ABC-Modell der psychischen Widerstandskraft kann helfen

Die Corona-Krise betrifft alle. Doch wie Menschen die aktuelle Situation empfinden, ist sehr unterschiedlich. Die einen sind stark beunruhigt und lesen so viel wie möglich über neue Entwicklungen. Die anderen fühlen sich fast angenehm entschleunigt oder sind froh, mehr Zeit mit der Familie zu haben. Was von einer Person als Krise empfunden wird, kann eine andere als Chance erleben. Warum das so ist und wie sich die eigene Widerstandskraft stärken lässt.
Mann mit Tasse in der Hand blickt nachdenklich aus dem Fenster
Durch Einschätzung der Situation selbst mit beeinflussen, welches Gefühl entsteht
Der unterschiedliche Umgang mit der Krise hängt zum einen von der Lage ab, in der sich eine Person befindet. Wenn jemand Existenznöte hat, ist es schwer, der Situation etwas Gutes abzugewinnen. Zugleich kann aber auch jede und jeder die eigene Sichtweise in gewissem Maße selbst steuern.  
 
Beispiel Home-Office: Der eine schätzt es, die andere nicht
 
Ein Beispiel: Im Home-Office zu arbeiten löst in Ihnen ein bestimmtes Gefühl aus, in Ihrem Kollegen vielleicht ein ganz anderes. Vor diesen Emotionen gibt es aber einen Zwischenschritt, der sehr schnell und oft unbemerkt passiert: die Bewertung der Situation. Warum dieser Schritt entscheidend ist, beschrieb der US-amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Albert Ellis (1913–2007) im sogenannten ABC-Modell.
 
A = Activating Event – die Situation
B = Beliefs – Überzeugungen, Erfahrungen
C = Consequences – Gefühle und daraus folgende Verhaltensweisen
 
Das Home-Office ist in unserem Beispiel die Situation (A). Nun bewerten Sie das Home-Office beispielsweise als anstrengender als das Büro, weil Sie sich zuhause abgelenkt fühlen. Zudem haben Sie die innere Überzeugung (B): Ich muss mich immer wieder neu beweisen! Ihr Kollege sieht es dagegen so, dass es im Home-Office ruhiger ist als im Büro. Zudem ist er überzeugt (B): Ich schaffe, was ich mir vornehme! So entstehen bei Ihnen und dem Kollegen jeweils ganz unterschiedliche Gefühle (C).
 
Das bedeutet: Sie können durch Ihre Einschätzung der Situation selbst mit beeinflussen, welches Gefühl letztendlich entsteht. Dabei geht es nicht um eine Selbstoptimierung oder darum, negative Gefühle nicht zuzulassen. Es geht darum, in Situationen, die ein Gefühl von Ohnmacht auslösen, das eigene Leben selbst positiv zu beeinflussen und aktiv zu gestalten.
 
Wie bewerte ich die Situation?
 
Die aktuelle Gefühlslage in der Pandemie lässt sich besser sortieren, wenn Sie beobachten, welche Bewertungen in Ihnen hochkommen. Das braucht etwas Übung. Fragen könnten sein: Welche Gedanken hatte ich gerade? Welche Meinung habe ich mir gebildet? Welche (früheren) Überzeugungen sind wieder aufgetaucht?
 
In einem nächsten Schritt könnten Sie sich fragen: Gibt es noch andere (positivere) mögliche Sichtweisen? Will ich weg von festgefahrenen Überzeugungen? Wie habe ich frühere Situationen gemeistert? Fällt mir jemand ein, der eine überzeugende Art hat, Dinge anzugehen? Wie würde diese Person meine jetzige Situation vielleicht bewerten, wie würde sie handeln? Halten Sie auch Ausschau nach Informationen, die nicht Ihrer bisherigen Meinung entsprechen. Entscheiden Sie dann, auf welche Bewertung Sie sich aktuell konzentrieren möchten.
 
Bei Problemen professionelle Hilfe holen
 
Gedanken wie diese können die psychische Widerstandskraft (Resilienz) fördern, die Eigenschaft, mit belastenden Situationen umgehen zu können. Wie Menschen mit der gegenwärtigen Lage emotional umgehen, wird unterschiedlich bleiben. Das ist auch gut so. Denn jede und jeder sollte selbst entscheiden, ob die eigene Bewertung der Situation für sie oder ihn hilfreich und passend ist.
 
Bei Schwierigkeiten besteht zudem die Möglichkeit, sich professionelle Unterstützung zu holen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Erzdiözese München und Freising stehen Menschen bei Krisen in Partnerschaft und Familie oder bei anderen persönlichen Belastungen beratend zur Seite – telefonisch, online oder persönlich.
 
 
Melanie Schreyer, Pädagogin und systemische Familientherapeutin, Mitarbeiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese München und Freising am Standort Freising

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