Kampf gegen Trockenheit und Landraub Maria Oberhofer aus Elfing im Landkreis Landshut unterstützt Familien in Brasilien

Maria Oberhofer ist seit 1995 im Trockengebiet Brasiliens im Einsatz. Die 57-Jährige, die aus Elfing bei Pfeffenhausen im Landkreis Landshut kommt, hilft Familien in den Landgemeinden, trotz immer wieder auftretender Trockenheit gut und würdig zu leben. Doch nicht nur das Klima macht den Menschen zu schaffen, auch Großunternehmen und Landräuber.
Maria Oberhofer mit auf Tuch gemaltem Schaubild in Menschengruppe
Erklärung mit Schaubild: Maria Oberhofer bei einem Kurs in Brasilien
Was war Ihre Motivation, nach Brasilien zu gehen?
Ich wollte mich nützlich machen und suchte nach einem sozialen Projekt im Bereich kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Über Bekannte wurde ich aufmerksam auf die Nichtregierungsorganisation Irpaa in Juazeiro, Bundesland Bahia, im Trockengebiet Brasiliens. 1992 war ich einige Monate freiwillig bei Irpaa, ohne Entsendeorganisation, und durfte dabei das Leben der kleinbäuerlichen Familien kennenlernen, die mit einer nicht gesicherten Wasserversorgung zu kämpfen haben. Bei der Frage, wie die Menschen im Landesinneren Zugang zu unterirdischem Wasser bekommen können, kam das Gespräch auf das Aufspüren von Wasservorkommen mittels Wünschelrute. Da ich diese Gabe habe, wurde mein Einsatz gewünscht, und Irpaa suchte nach einem Finanzierungsprojekt, um diese Arbeit zu fördern.
 
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie wünschelrutenfühlig sind?
Die Gabe habe ich als Jugendliche bemerkt und dann an Kursen teilgenommen.
 
Wie sieht nun Ihre Arbeit konkret aus?
Ab Juli 1995 habe ich zehn Jahre im Bereich Wasser und Klima bei Irpaa mitgearbeitet. Dabei trainierte ich wünschelrutenfühlige Menschen. Familien in den Landgemeinden gab ich Kurse über die klimatischen Bedingungen und die Notwendigkeit, dem Klima angepasst zu leben. Zudem arbeitete ich didaktisches Material für Kinder und Jugendliche zu den Themen aus. Im Laufe der Jahre wurde es immer wichtiger, die Familien im Kampf um die Fortdauer in ihren Landgemeinden zu unterstützen. Denn durch Großprojekte des Agro- und Wasserbusiness, Landraub und
-spekulationen wuchs die Gefahr, dass sie aus ihren Dörfern vertrieben werden. Obwohl sie oft seit Generationen auf dem Land und in den Dörfern leben, gibt es keine entsprechenden grundbuchamtlichen Einträge. Allerdings haben sie Rechte, beispielsweise Nutzungsrecht.
 
Wie können Sie den Familien helfen?
Konkret werden Kurse und Studientage abgehalten, was die Familien tun können, damit ihre Menschenrechte erhalten und sie bleiben können – trotz des zunehmenden Drucks von Erzabbaufirmen, großen Unternehmen und Landräubern. Die Arbeit erfolgt auch in Netzwerken mit verschiedenen sozialen Organisationen, vor allem aus der katholischen Kirche.
 
Haben Sie sich das Leben in Brasilien ursprünglich anders vorgestellt?
Da ich seit Beginn meines Aufenthaltes sehr offen für das Neue war, kam ich mit geringen Erwartungen in Brasilien an. Ich wollte mir erst ein Bild machen und habe mich dann in die Realität
eingelebt.
 
Was überraschte Sie positiv? Was negativ?
Positiv überraschte mich die Herzlichkeit der Menschen. Beispielsweise in den Landgemeinden. Obwohl die Familien oft sehr schwere Situationen erlebten, waren sie hoffnungsvoll, und vor allem ihre Hilfsbereitschaft ist bewundernswert. Oft wurde das einzige Bett, das es in einem Haus gab, mir überlassen, wenn ich in den Landgemeinden war. Die Familienangehörigen schliefen auf den Boden. Negativ überrascht mich, dass die Menschen noch in einer unterwürfigen Haltung leben, die durch die Kolonisierung, Sklaverei und Unterdrückung eingeprägt wurde.
 
Was schätzen Sie besonders an dem Land und den Einheimischen?
Besonders schätze ich, die Herzlichkeit der Menschen und ihr großes Gottvertrauen. Ihre Gabe, dass sie auch in schwierigen Zeiten versuchen, den Mut nicht zu verlieren, dass sie ihre Hoffnung aufrechterhalten.
 
Was aus der Heimat vermissen Sie am meisten?
Natürlich vermisse ich Familie, Freunde und Freundinnen aus der Heimat. Aber da mich die Arbeit hier sehr ausfüllt und ich spüre, dass mein Einsatz sehr wichtig ist, kann ich damit relativ gut umgehen.
 
Wie sieht die Lage für Sie corona-bedingt aus?
Meine Tätigkeit wurde nicht beendet, aber an die Situation angepasst. Aufgrund der Verschärfung der Krise und den Empfehlungen von Gesundheitsbehörden und Partnerorganisationen wurden ab dem 24. März seitens Irpaa alle Fahrten in die Landgemeinden abgesagt. Anstehende Arbeiten sollten so weit wie möglich im Home-Office oder eben im Büro, dort allerdings mit einer beschränkten Zahl von Anwesenden, durchgeführt werden. Die Begleitung der Familien in den Landgemeinden erfolgt „auf Distanz“, das heißt mit digitalen Kommunikationsmitteln und Telefon. Glücklicherweise haben viele Familien in den Landgemeinden eine Internetverbindung, die zwar nicht besonders gut ist, es jedoch ermöglicht, Besprechungen mit den BauernführerInnen verschiedener Landgemeinden abzuhalten. Wenn ganz dringender Bedarf besteht, werden in vorheriger Absprache mit den Familien der Landgemeinden und unter Anwendung aller Sicherheitsmaßnahmen sporadisch Landgemeinden besucht.
 
Was hat sich für die Menschen vor Ort corona-bedingt verändert?
Die Familien in den Landgemeinden des Trockengebietes bekommen ganz besonders die sozialen Abgründe zu spüren, die diese Krise ans Tageslicht bringt. Die Familien haben Angst, sich anzustecken, weil der Zugang zu Krankenhäusern mit Intensivstation, mit notwendiger Ausstattung und qualifiziertem Personal nicht einfach zu bewerkstelligen beziehungsweise oft unmöglich ist. Daher gehen sie möglichst in totale soziale Isolierung, auch weil viele der DorfbewohnerInnen der Risikogruppe angehören. Besonders kritisch ist dabei, dass viele Großunternehmen und Erzabbaufirmen ihre Arbeiten, etwa die Installierung großer Windparkanlagen, trotz der Pandemie nicht einstellen. Arbeiter kommen aus Hauptstädten, in denen in der Regel die Zahl der infizierten Menschen sehr hoch ist, und bringen so das Virus in die Landgemeinden. Das muss unbedingt verhindert werden.
 
Wie sehen die sozialen Folgen der Isolierung aus?
Sie können sich nicht mehr zu Besprechungen treffen – und auch nicht zu Feiern der verschiedenen Religionen, denen die BewohnerInnen angehören. Normalerweise werden Festtage wie die des Heiligen Johannes oder Peter und Paul groß gefeiert, Familien besuchen sich gegenseitig. Dazu fällt Einkommen weg. Viele Familien bringen ihre Produkte auf ökologische Wochenmärkte, die es bereits in kleineren Städten gibt. Das geht alles nicht mehr. Gravierend ist auch die Situation für Kinder und Jugendliche aus den Landgemeinden. Viele hatten in diesem Jahr erst zwei Wochen Schulunterricht. Die Internetverbindungen sind oft nicht gut genug für Online-Schulunterricht.
 
Werden die Menschen gut über die Pandemie-Entwicklung informiert?
Die nationalen Fernsehnachrichten sind für die Menschen sehr verwirrend. Die Anordnungen der Staatsregierung widersprechen denen der Weltgesundheitsorganisation und einzelner Bundesländer. Daher ist es wichtig, die Familien weiterhin zu begleiten, um sie bei ihren Ängsten, Sorgen und Schwierigkeiten zu beraten.
 
Und wie sieht es bei Ihnen aus – werden Sie irgendwann heimkehren nach Deutschland?
Im Moment gibt es keine entsprechenden Pläne, denn hier ist noch sehr viel zu tun. In den ländlichen Dörfern und traditionellen Landgemeinden sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Und die Familien in dieser Situation zu begleiten ist noch sehr wichtig und notwendig.

Das Interview führte Sandra Tjong, freie Redakteurin