Respekt ist das Wichtigste Jeanne-Marie Sindani arbeitet als Migrationsberaterin für die Caritas

„Schön, dass Sie da sind“, sagt Jeanne-Marie Sindani mit einem herzlichen Lächeln. Die 53-Jährige, die viel jünger wirkt, arbeitet als Migrations- und Integrationsberaterin im Caritas-Zentrum Fürstenfeldbruck. Zu ihr und ihren Kolleginnen kommen Menschen, die ihre Wurzeln in einem anderen Land haben. Dabei handelt es sich sowohl um Migranten, die schon länger hier leben, aber auch um Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge, Asylberechtigte oder Personen mit einem subsidiären oder einem humanitären Schutz. Die meisten sind Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Nigeria. Sie sind vor Krieg, Verfolgung, Elend und Perspektivlosigkeit aus ihrer Heimat geflohen.

„Viele sind traumatisiert, wenn sie hier ankommen“, weiß Jeanne-Marie Sindani. Zu den belastenden Erfahrungen zu Hause kämen oft schlimme Erlebnisse auf der Flucht. Manche hätten zum Beispiel miterlebt, wie Menschen neben ihnen ums Leben gekommen seien. „Es kostet viel Kraft, das zu verarbeiten. Und zugleich wollen sie hier ankommen, in einem neuen Umfeld mit ganz anderen Herausforderungen.“ Die Migrations- und Integrationsberatung der Caritas unterstützt sie dabei auf vielfältige Weise: Neben Beratung zum Asylverfahren, Asylbewerberleistungsgesetz und Ausländerrecht gibt es auch psychosoziale Beratung, Unterstützung bei Behördenangelegenheiten, Vermittlung an Fachberatungsstellen, Hilfen zum Spracherwerb und vieles mehr.
Migrantin im Beratungsgespräch
In der Migrationsbertung erhalten Geflüchtete vielfältige Unterstützung.

Den Menschen gut zuhören

„Damit man helfen kann, ist es unverzichtbar, den Menschen gut zuzuhören“, betont Jeanne-Marie Sindani. „Manche öffnen sich nur dann, wenn sie spüren, dass man ihnen mit Respekt begegnet und sich wirklich für ihre Geschichte interessiert.“ Die Diplom-Pädagogin und Sozialwissenschaftlerin hat die Erfahrung gemacht, dass sie gut Kontakt zu ihren Klientinnen und Klienten findet. „Man sieht mir an, dass ich selbst auch nicht von hier stamme. Das schafft Vertrauen, weil die Menschen sofort wahrnehmen, dass ich selbst Migrationserfahrung habe“, berichtet die gebürtige Kongolesin. Sindani kam als Studentin nach Deutschland, hat zudem in Kanada gelebt und spricht neben Deutsch und Englisch auch Französisch sowie zwei kongolesische Sprachen. Außerdem ist sie Mutter eines Sohns. Auch das kann eine Brücke zu Klienten sein, vor allem wenn Familien zu ihr kommen.

 „Ich bin Christin, aber ich begegne allen Weltanschauungen mit Respekt“, betont die engagierte Frau. „Menschen, die geflüchtet sind und lange in einer Einrichtung warten müssen, bis sie zum Beispiel einen Sprachkurs belegen oder arbeiten dürfen, fühlen sich oft hoffnungslos. Sie brauchen Hilfe, damit sie eine Perspektive für sich finden.“ Sorgen machen ihr junge Geflüchtete, die mit falschen Versprechungen von Schleppernetzwerken ins Land geholt wurden. Man habe vor allem jungen Frauen erzählt, dass sie in Deutschland zum Beispiel in Supermärkten arbeiten könnten und mit dem Geld ihre Familien unterstützen. Vor der Abreise hätten sie vor traditionellen Dorfpriestern schwören müssen, dass sie niemals über ihre Kontakte sprechen würden, sonst müssten sie sterben. In Deutschland warten dann natürlich keine gut bezahlten Jobs auf die jungen Leute, sondern sie würden zur Prostitution gezwungen.

„Im Gespräch merke ich, welch panische Angst diese jungen Menschen haben, weil sie wirklich glauben, sie seien mit einem Fluch belegt. Ihnen da herauszuhelfen, ist nicht einfach.“ Und das CSU-Mitglied Jeanne-Marie Sindani wird wütend, wenn sie von den psychologischen Tricks der Schlepperorganisationen berichtet.

Gute und unschöne Erfahrungen

Portrait Jeanne-Marie Sindani
Jeanne-Marie Sindani
Traurig wird Jeanne-Marie Sindani, wenn sie über die weniger schönen Aspekte der Integration spricht. „Natürlich haben Menschen, die hierherkommen, Pflichten. Aber man muss sie auch annehmen und respektieren. Nur, weil jemand fremd ist, ist er doch kein Feind.“ Dann berichtet sie über Erfahrungen, die ihre Klienten schildern und die sie zum Teil auch selbst kennt: Etwa, dass einen Menschen in Geschäften anstarren oder dass man bei der Arbeit gezielt ungerecht behandelt wird. „Das kann man soziologisch verstehen, denn Ignoranz macht arrogant, aber es macht mich doch unterschwellig fassungslos und betroffen, auch wenn ich grundsätzlich ein fröhlicher Mensch bin.“

Ihre Arbeit bereitet ihr aber viel Freude, vor allem, wenn sie von Erfolgsgeschichten berichten kann. Viele Migrantinnen und Migranten schaffen innerhalb kurzer Zeit Erstaunliches. Jeanne-Marie Sindani erzählt von Familien, deren Kinder die Schule erfolgreich besuchen, von Frauen und Männern, die schnell einen Arbeitsplatz oder eine Ausbildung gefunden haben, von Menschen, die bei ihr vorbeischauen, damit sie weiß, dass es ihnen gut geht. „Ich bin froh, dass ich dazu einen Beitrag leisten kann“, sagt sie, bevor sie in die nächste Beratung geht.

Text: Gabriele Riffert

Buch-Tipp

Gestrandet im „Paradies“
Jeanne-Marie Sindani hat über ihre Erfahrungen aus der Caritas-Asylberatung ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel "Gestrandet im ‚Paradies" und ist im Lambertus-Verlag in Freiburg erschienen.