Die Welt scheint so zerbrechlich wie lange nicht mehr missio München unterstützt zahlreiche Friedensprojekte in Krisenregionen

Oft sind katholische Strukturen das Einzige, was noch funktioniert, wenn Staaten nicht mehr handlungsfähig sind. Das katholische Hilfswerk missio München kennt die Probleme der Menschen in den Partnerländern, denn sie pflegen ihre Projektpartnerschaften oft schon seit vielen Jahren. 
 
Reiserouten
Branka Begic hat bei ihren Reisen gemerkt, wie die missio-Projektpartner immer ängstlicher wurden
Es ist derzeit die wohl größte Sehnsucht der Menschen: Der Wunsch nach Frieden. Jeden Tag berichten die Medien über die Kriege in der Ukraine und in Israel. Beide Konfliktherde liegen rein geographisch näher an Deutschland als die meisten anderen Kriege der letzten Jahrzehnte.

Diese Kriege sollen endlich enden – da sind sich alle einig. Doch selbst wenn es so käme: Wie kann ein solcher Friede anhalten? Wie können Feinde, die eben noch aufeinander geschossen haben, wieder zusammen leben? In vielen Gegenden der Erde gibt es Beispiele, wie dieser Weg aussehen kann. Das katholische Hilfswerk missio München unterstützt Projekte, die dazu beitragen, dauerhaften Frieden wieder herzustellen.
 
Konflikte zwischen Ethnien im Südsudan

Philipp Stangl ist Länderreferent für das östliche und südliche Afrika. Dazu gehört auch der jüngste Staat der Welt: Der Südsudan. Erst 2011 wurde er unabhängig. „Die Situation ist seitdem dauerhaft angespannt“, berichtet Stangl. Sieben der elf Millionen Einwohner hungern. Die Rivalität zwischen den Ethnien der Nuer und Dinka besteht weiterhin. Die Wirtschaft liegt darnieder, die Regierung ist korrupt. Derzeit kommen zudem Flüchtlinge aus dem Sudan ins Land, wo im vergangenen Jahr ein Bürgerkrieg ausbrach. Eine Millionen Menschen mehr müssen seitdem versorgt werden.

An der Grenzstation Renk unterstützt missio München den Jesuiten-Flüchtlingsdienst, der den Geflüchteten nicht nur Nahrung gibt, sondern ihnen auch ermöglicht, mit ihren Verwandten zu telefonieren und so herauszufinden, wo sie sind.
 
Jugendliche im Südsudan
Im Südsudan können sich Jugendliche verschiedener Ethnien
bei einem Kongress kennen lernen und Freundschaften schließen
Neben dieser Nothilfe gibt es aber auch Projekte, die an einer Basis für einen dauerhaften Frieden arbeiten. Jedes Jahr lädt die Diözese Rumbek 1.000 Jugendliche verschiedener Ethnien zu einem Jugendkongress ein. Immer gibt es neue Themen: Menschenrechte, Drogen- und Suchtprobleme, Geschlechterfragen, sexuelle übertragbare Krankheiten oder Zwangsheiraten wurden hier schon diskutiert. Daneben können die Jugendlichen Sport machen, tanzen, im Chor singen, Heilige Messen feiern oder beichten. „Sie können hier einfach mal Jugendliche sein und vergessen, zu welcher Ethnie sie gehören. Sie lernen neue Freunde kennen und stellen fest, dass die Herkunft für ihre Freundschaft egal ist,“ erklärt Philipp Stangl.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kehren in ihre Dörfer zurück mit dieser Erfahrung und können sie weitererzählen: „Dieses Projekt hilft hier sehr punktuell und wirkt dadurch vor Ort sehr stark. Es ist ein Baustein für eine starke Gesellschaft, die ja ein Grundpfeiler für dauerhaften Frieden ist.“
 
Der Kampf um Ressourcen in Papua-Neuguinea

Auf der Insel Bougainville, die zu Papua-Neuguinea gehört, gab es einst die größte Gold- und Kupfermine der Welt. Wie so oft kamen die Einnahmen aus dem Abbau nicht bei den Einheimischen an. Ein ausländischer Konzern machte die großen Gewinne; die Eigentümer des Landes bekamen nur einen geringen Anteil daran. Ganze 0,02 Prozent waren es. Sie begehrten dagegen auf und gründeten eine Rebellenarmee. Die vertrieb die Ausländer, die für die Minengesellschaft arbeiteten. Die Regierungstruppen hielten dagegen. Zehn Jahre währte dieser Bürgerkrieg, von 1988 bis 1998. 20.000 Menschen haben ihr Leben gelassen. Die Insel zählt insgesamt 200.000 Einwohner, davon sind 70 Prozent katholisch.
 
Stephanie Schüller
Stephanie Schüller (3.v.l.) ist als Länderreferentin unter anderem zuständig für die Südsee-Insel Papua-Neuguinea
Stephanie Schüller ist als Länderreferentin zuständig für Südost-Asien und Ozeanien, wozu Papua-Neuguinea zählt. Sie betreut Projekte, in denen die Folgen des Krieges aufgearbeitet werden. „Kirche agiert hier als Friedensstifter und bringt Menschen zusammen. Sie ist aber auch Therapeut,“ erklärt Schüller, „denn durch diesen Konflikt sind sehr viele Menschen bis heute traumatisiert.“ Der Orden der Schwestern von Nazareth hat sich beispielsweise auf Trauma-Arbeit spezialisiert. missio München unterstützt nicht nur die Projekte selbst, sondern auch die Ausbildung der Schwestern.

Der Konflikt jedoch ist noch nicht endgültig beigelegt. In einem Referendum hat sich die Bevölkerung Bougainvilles für eine Unabhängigkeit von Papua-Neuguinea ausgesprochen. Die Mine ist noch stillgelegt, aber es gibt Pläne, sie wieder in Betrieb zu nehmen.
 
Religion und Nationalismus in Indien

Bereits seit zehn Jahren forciert Indiens Premierminister Narendra Modi seine Politik des Hindu-Nationalismus. Schon seit einigen Jahren spürt Länderreferentin Branka Begic, wie die missio-Projektpartner immer vorsichtiger wurden. Bei Besuchen im Land konnte sie früher in jedes Dorf gehen. In den letzten Jahren begleiteten die Partner sie nur noch in rein christliche Dörfer. Zu groß war die Angst, man könnte angezeigt werden, weil man versucht habe, Menschen zum Christentum zu bekehren.

„Unsere Partner haben das Problem nie beim Namen genannt, man musste schon zwischen den Zeilen lesen", erinnert Begic sich, „und ich habe immer öfter eine Spannung gespürt. Einige unserer Gastgeber haben sich nicht überall wohl gefühlt, wenn sie mit uns unterwegs waren.“ Dabei hatten Christen immer einen guten Ruf in Indien. Sie waren bekannt für gute Krankenhäuser und Schulen. „Wenn jemand in einer Heiratsanzeige geschrieben hat, dass er oder sie eine Klosterschule besucht hat, hat das die Chancen auf dem Heiratsmarkt deutlich erhöht,“ erzählt die Länderreferentin.
 
Im Mai vergangenen Jahres ist der Konflikt im Bundesstaat Manipur eskaliert. Der Anlass war, dass die Mehrheits-Ethnie Rechte bekommen sollte, die eigentlich nur Minderheiten zustehen. „Gelistete Stammesbevölkerung“ – so heißt dieser Vorgang und bewirkt, dass für Angehörige dieser Minderheiten eine bestimmte Anzahl von Arbeits- oder Studienplätzen reserviert ist. Außerdem haben sie einfacheren Zugang zu Land. Die Ethnie der christlichen Kuki hatte diese Rechte inne. Jetzt sollte auch die Mehrheits-Ethnie der hinduistischen Meitei sie bekommen, was dazu geführt hätte, dass die Kuki auch noch um ihr weniges Land fürchten müssen. Sie demonstrierten dagegen. Die Meitei antworteten mit brutaler Gewalt. Rund 200 Menschen wurden getötet, Frauen wurden vergewaltigt, Menschen geköpft. 60.000 Christen wurden vertrieben, 300 Kirchen niedergebrannt. Die Staatsregierung hat nichts dagegen unternommen.
 
Christengemeinde in Indien
Kleine Christengemeinde in Indien
Religion nur ein Vorwand?

Selbst der als Friedensstifter im ganzen Land bekannte und geschätzte 86 Jahre alte emeritierte Erzbischof Thomas Menamparampil ist ratlos, denn die Gewalt geht weiter. Die Projektpartner von missio haben zu Anfang des Manipur-Konflikts darum gebeten, nicht öffentlich zu berichten, da sie Repressionen befürchteten. Inzwischen bitten einzelne führende Kirchenpersönlichkeiten darum, dass man in Deutschland auf den Konflikt aufmerksam macht, damit ihr Leiden bekannt wird. 

Dabei gab es am 23. Dezember 2023 ein Treffen mit Vertretern der christlichen Kirchen, zu dem Premier Modi eingeladen hatte. Die Länderreferentin weiß nicht, wie sie das werten soll. Hat Modi dieses Treffen organisiert, um auf internationaler Bühne gut auszusehen mit Blick auf die anstehenden Wahlen?
 
Derzeit leisten die kirchlichen Einrichtungen vor allem Nothilfe. Nahrungsmittel, Matratzen und Decken werden dringend gebraucht, denn die Geflüchteten schlafen in der Kälte auf dem nackten Boden. Wie es langfristig weitergeht, weiß niemand. Dabei bemühen sich so viele Menschen darum, dass die Religionen gut miteinander leben können. Sogar ein „Institut für Frieden und Harmonie“ gibt es, wo Akademiker die Heiligen Schriften der Glaubensgemeinschaften miteinander vergleichen und schauen, was dort über den Frieden steht.

Vielleicht, so mutmaßt Branka Begic, ist die Religion auch nur ein Vorwand. „Die Christen wollen Bildung und Gesundheit auch für die armen Menschen. Doch das könnte den Herrschenden ein Dorn im Auge sein in dem Land, in dem Menschen in Kasten eingeteilt sind und die Armen den Reichen dienen.“
 
Als missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber kürzlich ein Visum für eine Reise nach Indien beantragte, wurde es ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Er ist besorgt über die Konflikte, die außerhalb des Radars der Weltöffentlichkeit stehen: „Die Welt scheint so zerbrechlich wie lange nicht mehr.“ Genau deshalb sind die vielen kleinen Projekte, die dafür sorgen, dass Menschen miteinander reden und leben, so unglaublich wichtig für den Frieden. Denn der entsteht nicht nur durch die Abwesenheit von kriegerischen Handlungen.
 
Text: Brigitte Strauß-Richters, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund, Januar 2024

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