Kunst aus der Seele Altenheimseelsorgerin Angelika Stauber ermutigt Seniorinnen zu einer besonderen Maltechnik – nun sind die Werke in Rottach-Egern zu sehen

Angelika Stauber ist Pastoralreferentin in vier Seniorenheimen im Tegernseer Tal. Außerdem ist sie Kunsttherapeutin. Sie hat sieben Bewohnerinnen des KWA Stifts Rupertihof in Rottach-Egern motiviert, am Projekt „Im Malen Spuren hinterlassen“ teilzunehmen. Die Künstlerinnen sind 79 bis 99 Jahre alt. Entstanden sind beeindruckende Werke – manchmal zart und filigran, oft kräftig und voller Lebensfreude, auch einmal dunkler und nachdenklich. Die Bilder sind ab 23. Mai in einer Ausstellung im Stift Rupertihof zu sehen (Sonnenmoosstr. 30, Rottach-Egern).
Gruppenfoto v.l.n.r.: Gerda Döring (99), Ingrid Schilling (97) und Angelika Stauber (59)
"Durch das Malen lernt man sich selbst besser kennen." v.l.n.r.: Gerda Döring (99), Ingrid Schilling (97) und Angelika Stauber (59) (Bild: Kiderle)
Aus Ingrid Schilling sprudelt es nur so heraus, als sie ihr Bild erklärt: „Hier unten sieht man einen Teich, wo sich ein Kind ausruht und auch die Tiere. Im oberen Teil ist viel los, da herrscht Aufregung“, erklärt die 96-Jährige, die früher Lehrerin für Musik und Sport war. Ihre blauen Augen leuchten, wenn sie ihre Bilder deutet. Wobei man gar nicht viel erklären muss, denn sie wirken beim Betrachten. Schilling pflegt einen Stil zwischen konkret und gegenstandslos. Man erkennt viel, aber auch die Phantasie wird angeregt. „Durch das Malen lernt man sich selbst besser kennen“, ist sich die quicklebendige Seniorin sicher. In einem anderen Bild hat sie beispielsweise eine Katze gemalt, die aufmerksam beobachtet und dabei etwas im Gras sieht. Diese Aufmerksamkeit ist ebenso ein Wesenselement der Künstlerin wie das Bedürfnis nach Ruhe, das im ersten Bild ihren Platz finden konnte.
Seelenbild einer Seniorin
Gemälde von Ingrid Schilling - unten Ruhe am Teich, oben Unruhe (Bild: Kiderle)
Bilder aufsteigen lassen
Auf diesem Erkenntnisweg hat sie Angelika Stauber begleitet. Die 59-Jährige ist Pastoralreferentin in der Altenheimseelsorge im Tegernseer Tal und zugleich studierte Kunsttherapeutin mit langer Berufserfahrung in diesem Bereich. Ihr ging es in dieser Malgruppe um die Aufarbeitung von Lebensthemen. „Dazu bedurfte es bestimmter Maltechniken, damit erst einmal das rein Kognitive ausgeschaltet wird und Bilder aus dem Unterbewussten wie in einem Traum aufsteigen können.“

Der Theologin ist es wichtig, dass sich auf diese Weise die Seele jeder Künstlerin Ausdruck verschaffen darf. „Ich bin den Damen dankbar, dass sie sich auf diese neue Art des Malens eingelassen und sich ins Unbekannte vorgewagt haben.“ So hat Stauber Papier, Pinsel und Farben besorgt und die gemischten Farbnuancen in rund 100 Fläschchen für die nächsten Male aufbewahrt. Entstanden sind „Seelenbilder“, die viel über die jeweilige Malerin aussagen.

Gerda Döring, die deutlich jünger wirkt, ist mit ihren 99 Jahren die älteste der ausstellenden Künstlerinnen. Früher war sie Direktionssekretärin eines großen Unternehmens. Von ihr stammt unter anderem ein Wasserfall, der sich so mächtig ins Land ergießt, dass die Farbe sogar an einer Stelle das Papier aufgeweicht hat. Und doch wirkt das Bild insgesamt zart. Beide Eigenschaften hat Gerda Döring auch in sich: Sie habe sich einerseits immer vom Leben herausfordern lassen, andererseits habe sie Menschen immer respektiert und versucht, sie zu unterstützen. „Ich bin Frau Stauber dankbar, dass sie uns zum Malen ermutigt hat“, lächelt sie versonnen und ergänzt: „An dieser Stelle habe ich sogar ein wenig Gold und Silber eingearbeitet. Das passt gut hierher und ich mag es so.“
Gemälde einer Seniorin
Gerda Dörings Gemälde - innen der Wasserfall mit dem Riss (Bild: Kiderle)
Viel Emotion sichtbar
Theresia Neuber will vor allem schöne Bilder mit leuchtenden, hellen Farben malen. Gelb und Orange liebt sie besonders. Aber einmal ist ihr ein Bild in Blau und Schwarz gelungen, das den Betrachter in den Bann zieht. Hier ist viel Emotion spürbar – vielleicht konnte hier etwas Ausdruck finden, das schon lange auf diesen Moment gewartet hat. Die 91-Jährige hat auch eine Eigenschaft, um die sie viele Menschen beneiden: Sie ist geduldig. „Ich kann den Farben dabei interessiert zusehen, wie sie ineinander verlaufen. Ich male erst dann weiter, wenn ein Effekt erkennbar ist.“

Die 81-jährige Doris Engel ist von den Ergebnissen des Malprojekts begeistert: „Ich habe hier gelernt, mich einmal gehen zu lassen und das Ergebnis ist einfach der Wahnsinn“, sagt die gebürtige Berlinerin. In einem „Befreiungsbild“ konnte sie die Gefühle zu Papier bringen, die sie aufgrund des lebenslänglich ausgeübten Berufs entwickelt hatte: Angestellte in einem Büroberuf anstatt Künstlerin, weil die Eltern es für vernünftiger hielten.
Gegensätze miteinander versöhnen
Erika Friedrich war dagegen tatsächlich selbst Künstlerin und Dozentin, hatte aber noch nie mit Aquarellfarben gearbeitet. Sie malte bei jedem Treffen der Runde je ein Bild in leuchtenden und eines in düsteren Farben. „Diese Gegensätze kenne ich von meinem Leben her“, erklärt die 91-Jährige und ergänzt: „Die seelsorgerische Arbeit von Frau Stauber hat mir gutgetan.“

Gertrud Hoffmann konnte wiederum im Malen einen Weg finden, der ihr beim Umgang mit ihren chronischen Schmerzen hilft. Ihre Motive sind Farbexplosionen und Tiere, die sie sehr mag. Nach dem Tod ihres eigenen Hundes darf sie sich nun um „Leihhund“ Paul kümmern, der gerade friedlich unter dem Tisch schlummert, während sie ihre Bilder erklärt.

Angelika Stauber weiß, dass das Malen dazu beitragen kann, einen Zugang zu den je eigenen Lebensthemen zu finden und sich mit ihnen womöglich zu versöhnen. Gerade an einem Ort wie hier im Stift Rupertihof kann diese gute Mischung aus Seelsorge und Kunsttherapie viel Gutes bewirken.

Text: Dr. Gabriele Riffert
Gruppenfoto zeigt von links nach rechts: Ingrid Shilling, Erika Friedrich, Angelika Stauber, Gertrud Hoffmann, Theresia Neuber, Gerda Döring und Doris Engel.
Das Gruppenfoto zeigt v.l.n.r.: Ingrid Shilling, Erika Friedrich, Angelika Stauber, Gertrud Hoffmann, Theresia Neuber, Gerda Döring und Doris Engel (Bild: Kiderle)
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"Wozu das Ganze?"

Rede von Diplomtheologe Alfred Rott zur Vernissage der "Seelenbilder"-Ausstellung im Rupertihof hier im Download.