Bestattung mit Begleitung, Beratung und Café Mit dem neuen Trauerpastoralen Zentrum reagieren die Kirchen auf Veränderungen in der Bestattungskultur

Im Frühjahr 2024 soll es eröffnen: Das Trauerpastorale Zentrum, das die Erzdiözese München und Freising derzeit am Münchner Ostfriedhof schafft. Es soll den Namen „Haus am Ostfriedhof“ tragen. Der Theologe und Pastoralreferent Ulrich Keller wird dort als Seelsorger wirken und ist auch bei der gestrigen Baustellensegnung am 7. Dezember 2022 dabei gewesen. Er hat das Konzept für das Trauerpastorale Zentrum initiiert und mitentwickelt.
 
Visualisierung des Trauerpastoralen Zentrums am Ostfriedhof
Das Trauerpastorale Zentrum am Ostfriedhof soll 2024 eröffnen
Herr Keller, ein Trauerpastorales Zentrum, was ist das?

Ulrich Keller: Es ist ein innovativer kirchlicher Ort, der Menschen gastfreundlich aufnimmt, die gerade von einer Einäscherung eines Verstorbenen oder auch einem Erdbegräbnis kommen oder im „Haus am Ostfriedhof“ bei einer Verabschiedungsfeier teilnehmen. Wir sind unmittelbar dort, wo Trauer und Tod sichtbar sind und Menschen eine existentielle Erfahrung machen. Es ist ein betont niederschwelliges Angebot, das genauso offen für Menschen ist, die auf dem Friedhof das Grab eines schon länger verstorbenen Angehörigen besuchen. Aber auch Spaziergänger und Erholungssuchende, die vermehrt den parkähnlichen Ostfriedhof besuchen, können hierherkommen. Grundsätzlich geht es darum, dem Trauern in seinem ganz eigenen und individuellen Verlauf einen Platz zu geben, an dem gleichzeitig Gemeinschaft und neuer Lebensmut zu finden sind.

Vom Gebäude her ist es ein Haus mit unterschiedlich großen Extraräumen für Begegnung und Beratung sowie einem Café mit eigenen Banketträumen. Es steht zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb des Friedhofs und verbindet den Alltagsraum mit einem Ort der Stille und der großen Fragen. Es wird seine Öffnungszeiten an die des Friedhofs anlehnen und täglich etwa zwischen 9.00 und 20.00 Uhr zugänglich sein.
Ulrich Keller
Ulrich Keller
Wer kümmert sich um die Menschen, die das Trauerpastorale Zentrum in rund eineinhalb Jahren besuchen?

Ulrich Keller: Es werden dort vier katholische und zwei evangelische Seelsorger und Seelsorgerinnen hauptamtlich arbeiten. Sie sind da für Gespräche, Beratung und Begleitung von Menschen, die über den Verlust eines Angehörigen reden wollen, die vielleicht nicht so Abschied nehmen konnten, wie sie es wollten und denen das zu schaffen macht. Wir nehmen aber auch Trauergesellschaften auf, die zu einer Beisetzung kommen. Dafür haben wir zwei Teamassistenzen, die sich um die Belegung der Räume und die Verbindung zum Katholischen Bestattungsdienst kümmern, der ein Netzwerk mit Geistlichen und anderen Seelsorgern pflegt, die Beerdigungen und Gottesdienste halten.

Wir wollen zudem schon im kommenden Frühjahr damit anfangen, einen ehrenamtlichen Seelsorgedienst aufzubauen und Männer und Frauen dafür auszubilden. Ziel ist, ein möglichst großes personales Angebot für die Gäste des Trauerpastoralen Zentrums zu haben.
Warum entsteht es gerade auf dem Münchner Ostfriedhof?

Ulrich Keller: Dort hat vor einigen Wochen eines der modernsten Krematorien Deutschlands seinen Betrieb aufgenommen. Jährlich erwartet die Stadt München auf dem Ostfriedhof etwa 11.000 Einäscherungen. Das Krematorium ist so gebaut, dass nach der Kremierung eines Toten innerhalb von drei Stunden die Urnenbeisetzung erfolgen kann. Es werden viele Menschen in dieser Wartezeit einen geschützten Raum und Begleitung brauchen. Zwischen Kremierung und Beisetzung vergehen nicht mehr, wie oft üblich, Wochen und Monate, was ich als Seelsorger sehr begrüße.
Warum ist das für die Hinterbliebenen besser, wenn dazwischen nicht mehrere Wochen verstreichen?

Ulrich Keller: Wir wissen aus Studien, dass die erste Stufe des Trauerprozesses den Tod und die Beisetzung umfasst, die zeitlich eng zusammengehören. Je länger das dauert, um so verunsicherter und belasteter sind die Hinterbliebenen. Gerade nach Einäscherungen haben sie lange keinen Ort, an dem sie dem Verstorbenen ideell und real begegnen können, also kein Grab. Ein Grab ist aber auch für die Hinterbliebenen ein Ruheort, solange es das nicht gibt, bleibt auch der Trauernde in Unruhe. Da bietet das neue Krematorium in München-Obergiesing wirklich einen großen Fortschritt und nimmt Untersuchungen der Trauerforschung ernst.
Inwieweit ist das Trauerpastorale Zentrum auch eine Reaktion auf eine stark gewandelte Bestattungskultur?

Ulrich Keller: In der Stadt München liegt der Anteil der Feuerbestattungen mittlerweile bei 70 Prozent. Auch in ländlichen Regionen steigen sie stark an. Gleichzeitig ist der Gang zum Pfarramt bei einem Todesfall nicht mehr selbstverständlich. Das können wir nicht ignorieren. Es gibt immer mehr alleinstehende Männer und Frauen, die befürchten, dass sie einmal ohne größere Trauergemeinde und nahe Angehörige bestattet werden, vielleicht ist nur der Bestattungsdienst dabei. Trotzdem wünschen sie sich ein feierliches Begräbnis und suchen Rat.

Wir müssen außerdem auf zwei Entwicklungen reagieren: zum einen auf die Individualisierung, zum anderen auf die Globalisierung. Es gibt immer mehr Menschen, die sich in den herkömmlichen Bestattungsformen nicht wiederfinden, sich Anregungen aus der ganzen Welt holen. Wir kennen mittlerweile „Ritualdesigner“, die Ihnen alle möglichen Wünsche erfüllen, das kann nicht spurlos an christlicher Trauerkultur vorbeigehen, und das Haus am Ostfriedhof will darauf Antworten geben.
Welche Ziele verfolgen die beteiligten Kirchen mit diesem Trauerpastoralen Zentrum?

Ulrich Keller: Wir müssen doch dort sein, wo die Menschen einen Verlust erfahren und das Leben sich danach völlig verändert. Wir müssen als Kirche dort sein, wo uns Gläubige wie Ungläubige vielleicht dringend brauchen, das ist Seelsorge. Sie sollen uns nicht umständlich suchen müssen, sondern am Ort des Geschehens finden. Den Kirchen und dem trauerpastoralen Zentrum geht es um die Würde der Toten und eine Kultur des Abschieds. So werden wir digital, aber auch dinglich die Möglichkeit schaffen, Erinnerungen an einen Verstorbenen zu hinterlegen.

Es gehört zum religiösen Wissen des Menschen, dass ihm an Knotenpunkten des Lebens - und dazu gehört der Tod - gute Rituale und ein Ort hilfreich sind. Dazu zählen sinnliche Eindrücke und Bilder. Bei uns werden die Gäste mitten im Haus von einer Lichtvertikale empfangen und dort auch Kerzen anzünden können, die sich in einer Brunnenschale spiegeln. Wir Kirchen wollen, wenn es um Leben und Tod geht, unsere jahrhundertealten Erfahrungen dazu stellen, sie zeitgemäß und einladend anbieten.
 
Text: Alois Bierl, Chefreporter im Katholischen Medienhaus Sankt Michaelsbund, Dezember 2022
 
Ulrich Keller hat das Konzept für das Trauerpastorale Zentrum initiiert und mitentwickelt. Seit 2002 arbeitet der 62-Jährige in der Trauerseelsorge des Erzbistums als Fachreferent „Trauer und Trauma“ im Erzbischöflichen Ordinariat. Zuvor war er viele Jahre in der Hospizpastoral und in der Seelsorge für AIDS-Patienten tätig, von denen er viele auf ihrem letzten Weg begleitet hat.
 

Trauer und Trauma
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Sachgebietsleiter:
Ulrich Keller, Pastoralreferent