Ein Kurs, der Frauen gegenseitig stärkt „Leben im Landkreis Dachau“

Sie haben ihr Heimatland verlassen und leben jetzt mit ihren Kindern in Deutschland. Einmal pro Woche können diese Frauen für zwei Stunden all ihre Sorgen vergessen. Da besuchen sie den Wertebildungskurs „Leben im Landkreis Dachau“.
 
Wertebildungskurs
Einmal pro Woche besuchen die Frauen den Wertebildungskurs „Leben im Landkreis Dachau“
Vierkirchen. Zwölf Frauen stehen um einen Tisch und suchen aus verschiedenen Stickgarnbündeln zwei zusammenpassende Farben aus. Schritt für Schritt wird dann erklärt, wie aus den Fäden und einer Holzkugel ein lachender Engel zum Aufhängen entsteht. Sauber werden die Fäden aufgenommen und die Holzkugeln mit Augen und lachenden Mündern versehen. Am Ende hält jede der Kursteilnehmerinnen einen bunten Engel als Anhänger in den Händen. Die Stimmung ist entspannt.

Es scheint, als würden die Frauen hier für einen kurzen Moment aufatmen können, um ihre Sorgen und Probleme zu vergessen. Und die trägt jede von ihnen mit sich. Die Frauen sind Teilnehmerinnen des Kurses „Leben im Landkreis Dachau“. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind Mütter und aus ihrem Heimatland geflohen. Zum Beispiel aus Afghanistan, dem Kongo oder der Ukraine.
 

Ein Kurs ohne spezielle Zugangsvoraussetzungen

 
Frauen lerne gemeinsam
Die Frauen lernen gemeinsam deutsche Begriffe
Der Kurs wird vom Dachauer Forum e.V. durchgeführt und finanziert von der Katholischen Erwachsenenbildung München und Freising (KEB) aus dem Fond „Bildung und Flucht“ der Erzdiözese München und Freising.

Seit 2020 gibt es das Angebot - erst in Markt Indersdorf, dann auch in Vierkirchen. Ganz bewusst finden die Kurse im ländlichen Raum statt. Der Bedarf sei hier groß und es gebe viel weniger Kursangebote als in der Stadt Dachau, so Madeleine Schenk vom Dachauer Forum, welche die Kurse koordiniert. Und einen weiteren Bedarf haben Schenk und ihre Kolleg:innen gesehen: Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, dürfen keine offiziellen Sprach- und Integrationskurse besuchen.

Dementsprechend sei das Sprachniveau dieser Menschen sehr gering und es sei für sie schwierig, sich im Alltag zurecht zu finden. Die Kurse „Leben im Landkreis Dachau“ setzen genau hier an und haben deshalb keine speziellen Zugangsvoraussetzungen. Jeder kann kommen. Egal, wie gut er Deutsch spricht und wie sein Aufenthaltsstatus ist. Das macht den Einstieg sehr niederschwellig. Und so besuchen den Kurs in Vierkirchen, wo die Engel gebastelt wurden, auch Frauen, die mit der Sorge leben, jeden Tag abgeschoben zu werden. Trotz dieser Ungewissheit kommen sie in den Kurs, lernen neue Vokabeln und mehr über das Land, das vielleicht nie ihre Heimat sein wird.
 

Ein „geschützter Raum“ für Frauen

 
Kursleitung
Shakhnoza Sharipova-Navid leitet den Kurs
Anastasia ist 29 Jahre alt, Mutter eines fünfjährigen Sohnes und stammt aus der Ukraine. Seit zwei Jahren lebt sie in Deutschland. Der Kurs gefällt ihr „super“. So habe sie beispielsweise mehr über das Grundgesetz erfahren, sagt sie. Das gehört zum Themenblock „Allgemeines“, der besprochen wird. Neben solch theoretischen Themen werden den Frauen auch praktische Dinge beigebracht. So geht es im Bereich „Erziehung und Bildung“ beispielsweise darum, wie man ein Kind in der Kita anmeldet oder wie ein Lebenslauf geschrieben wird. Die verschiedenen Sprachen und Sprach-Level erschweren bei der Weitergabe der Inhalte die Kommunikation. Neben Händen und Füßen ist das Smartphone dabei eine wichtige Unterstützung.

In Vierkirchen spricht außerdem auch die Kursleiterin Shakhnoza Sharipova-Navid, die selbst vor vier Jahren aus Kasachstan nach Deutschland kam, fünf Sprachen. Sie selbst hat so angefangen, Deutsch zu lernen, und kennt die Situation der Frauen. Auch außerhalb des Kurses hilft sie ihnen deshalb unter anderem bei der Kitaanmeldung oder Briefen von Behörden: „Das ist ein gutes Gefühl.“ Es gibt ihrem Leben einen Sinn: „Ich lebe nicht umsonst.“

Doch nicht nur die Kursleiterin unterstützt die Frauen, auch untereinander helfen sie sich gegenseitig. Wenn eine etwas nicht weiß, dann vielleicht die andere. Die Frauen lernen hier in einem „geschützten Raum“, sagt Schenk. Das sei auch beim Thema „Gesundheit“, dem dritten Block, hilfreich. Denn hier könnten die Frauen auch Fragen stellen, die sie in einer gemischten Gruppe vermutlich eher zurück gehalten hätten.
 

Frauen bilden ein Netzwerk

 
Netzwerk
Die Frauen unterstützen sich untereinander und
bilden ihr ein „Frauen-Netzwerk“
Es war eine bewusste Entscheidung, einen Kurs speziell für Frauen anzubieten. Denn „viele Männer gehen relativ schnell in Arbeit“, berichtet Kurskoordinatorin Madeleine Schenk, und die Frauen seien diejenigen, die sich um die organisatorischen Dinge wie Arztbesuche, Kitaanmeldungen oder ähnliche Themen kümmern müssten. Während des Kurses werden die Kinder der Frauen einen Raum weiter betreut. So dass sie sich die zwei Stunden ganz auf sich konzentrieren können. Ab und zu geht mal die Tür auf und ein Kind kommt herein. Aber genau das macht auch den Kurs aus. Er ist an die Lebensumstände der Frauen angepasst.

In dem Kurs würden sie ein „Frauen-Netzwerk“ bilden und unterstützten sich untereinander, so Schenk. Sie würden sich gegenseitig „empowern“. Auch über den Kurs hinaus: Es sei schon vorgekommen, dass Frauen erst im Kurs erfahren hätten, dass sie in der gleichen Unterkunft lebten, die gleiche Sprache sprächen und sich nun gegenseitig helfen würden. Diese Vernetzung helfe ihnen dann im Alltag. Das allein ist für Koordinatorin Madeleine Schenk schon so einer großer „Zugewinn und es wert, diesen Kurs umzusetzen“.

Text: Katharina Sichla, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund, Dezember 2023

Nächster Kurs

Der nächste Kurs „Leben im Landkreis Dachau“ für Frauen mit Migrationsgeschichte startet am 12. Januar in Vierkirchen. In Markt Indersdorf am 8. April. Ein Einstieg ist aber auch jederzeit möglich. Mehr Infos finden sie auf der Homepage vom Dachauer Forum. https://www.dachauer-forum.de/themen/migration-integration/vielfalt-leben/

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