„Seelsorge pur“ – Krankenhauspastoral in Zeiten von Corona Gemeindereferentin Katharina Burgthaler gibt Einblicke in ihren Klinikalltag in Bad Reichenhall

Noch bevor man in München und Berlin über einen zweiten Lockdown für den Freistaat wie für die Republik gerungen hat, war der Landkreis Berchtesgadener Land schon seit über einer Woche wieder mittendrin in diesem Ausnahmezustand. Das spürt man nicht nur im alltäglichen Leben sofort, sondern in besonderer Weise auch in der Krankenhausseelsorge. „Alleine innerhalb der ersten Woche haben wir sechs an Covid-19 erkrankte Patienten betreut“, berichtet Katharina Burgthaler, die als Gemeindereferentin der Erzdiözese zum Seelsorgeteam der Klinik Bad Reichenhall gehört.
Aquarell
"Krankenhausseelsorge ist Seelsorge pur"
Manches sei dabei nicht mehr so fremd und ungewohnt wie noch beim ersten Lockdown, als vieles „regelrecht auf wackeligem Boden“ stand, erinnert sich die Seelsorgerin, als keiner sagen konnte, ob und wie man in der obligatorischen Schutzkleidung Seelsorge überhaupt würde ausüben können. Eines aber sei noch genau so wie damals, vor einem halben Jahr, am Beginn der Corona-Pandemie: „Wir Seelsorgerinnen und Seelsorger waren und sind für die Menschen da“, betont Katharina Burgthaler. Dass in den Kirchen keine Gottesdienste mehr gefeiert werden durften, um der Pandemie entgegenzuwirken, das sei zweifelsfrei richtig gewesen, unterstreicht die Gemeindereferentin.

Kirche war und ist für die Menschen da

Doch auch wenn die Gotteshäuser in der ersten Phase des Lockdowns weitgehend leer und nur für Betende geöffnet waren, heiße das nicht, dass die Kirche den Menschen in dieser schweren Zeit nicht beigestanden hätte, im Gegenteil: „Gerade Krankenhausseelsorge ist Seelsorge pur“, weiß Martin Seidnader aus Erfahrung. Der promovierte Theologe leitet den Fachbereich Krankenhausseelsorge im Erzbischöflichen Ordinariat München. Nicht zuletzt aufgrund des Besuchsverbots in Klinken während einer Lockdown-Phase und darüber hinaus sei es von großer Bedeutung, dass die Seelsorgenden für Angehörige Besuche gewissermaßen stellvertretend vornehmen könnten. Das Betretungsverbot der Klinik in dieser Zeit sei vielfach notwendig, betonen Katharina Burgthaler und Martin Seidnader, aber es bleibe für die Betroffenen eine schwere Belastung. Und so weisen beide darauf hin, dass die Präsenz der Krankenhausseelsorger nicht nur den Kranken und ihren Angehörigen dient, sondern auch eine unterstützende Funktion für das Klinikpersonal haben kann.

Menschliche Nähe trotz Schutzmontur

So arbeitet das Team in Bad Reichenhall auch im Einvernehmen mit der Klinikleitung. Kürzlich erst wurde wieder, wie bereits im Frühjahr, geregelt, dass die Seelsorgenden zu den an Covid-19 Erkrankten Patienten gehen dürfen. Um die notwendigen Schulungen des Seelsorgeteams im Umgang mit diesen speziellen Patienten kümmert sich die Bad Reichenhaller Klinik.
 
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind absolut erforderlich, bekräftigt Katharina Burgthaler, die Sorge um den richtigen Umgang etwa mit der Schutzkleidung ist stets präsent, doch sie selbst verspürt keine Angst. Und so verliere auch der Schutzanzug am Krankenbett schnell seine abschreckende Wirkung, denn es träten andere Aspekte in den Mittelpunkt: „Ein Besuch am Krankenbett schafft sofort eine Verbindung, eine menschliche Nähe, trotz aller Schutzmontur“, so die Seelsorgerin.

Improvisieren zum Wohle der Menschen

Krankenkommunion in Coronazeiten
Die Feier der Krankenkommunion in Coronazeiten
Freilich müsse man manchmal auch Schwierigkeiten überwinden, wenn möglicherweise das Hörvermögen älterer Patienten nicht mehr gut sei und man dafür manches vielleicht gar erst zu lernen habe, zum Beispiel die Kommunikation mit den Augen. „Den Augen kommt überhaupt eine völlig neue Rolle zu, Augen können strahlen, sich bedanken, und, ja, man kann mit ihnen sogar lächeln. Es entsteht einfach eine andere Art, eine andere Ebene der Kommunikation“, erklärt die Gemeindereferentin, und sie ergänzt: „Genau das ist es, das mich immer wieder von Neuem motiviert: dass man durch die Krise gezwungen ist, kreativ zu werden. Das geht so weit, dass ich, weil wir aufgrund der Hygienevorschriften keine liturgischen Gegenstände mehrfach verwenden dürfen, für die Krankenkommunion jedes Mal eine ʿimprovisierte Pyxisʾ mitbringe, das heißt ein Briefchen, das die konsekrierte Hostie für die Kommunion enthält und das anschließend schon im Krankenzimmer entsorgt wird.“ 
 
Dies führe zu einer Einfachheit, die keineswegs einen Mangel darstelle, „sondern fast so etwas ist wie eine schöne, neue Übung“, wie es die engagierte Seelsorgerin ausdrückt, eine Übung, die direkt in das „Zentrum des Glaubens“ führe. Katharina Burgthaler erzählt von einer Patientin, die sie gerade betreut und mit der sie täglich Gottesdienst feiert, jedes Mal mit einem Bibeltext, der für die aktuelle Lebenssituation der Patientin passt, und ihr die Krankenkommunion reicht – und beide, Patientin wie Seelsorgerin, davon tief berührt werden und erfahren dürfen, „dass unser unendlicher Gott in dieser schlichten Form zu uns in das Krankenzimmer kommen kann und mitten unter uns ist“.

Begleitung im „einzigartigen Augenblick“ des Sterbens

Solche Momente sind es, die der Seelsorgerin wieder Kraft und Energie schenken für ihren seelsorgerischen Dienst im Krankenhaus, nicht nur in der Ausnahmezeit einer Pandemie. Zu den Aufgaben der Krankenhausseelsorge im normalen Alltag gehört auch die Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Einem Menschen hier beistehen zu dürfen, ist für Katharina Burgthaler „immer wieder eine fordernde Aufgabe und gleichzeitig eine große Ehre, in so einem einzigartigen Augenblick als Krankenhausseelsorgerin dabei sein zu dürfen, denn es unterstreicht die Würde der Persönlichkeit des Sterbenden, dass er diesen Dienst zulässt“.
 
Daneben ist es der intensive Austausch im Seelsorgeteam und mit ihrem geistlichen Begleiter sowie die Supervision, mit deren Hilfe Katharina Burgthaler auch schwere Erlebnisse in ihrer täglichen Arbeit bewältigen kann.

Diakonisches Handeln für den Nächsten

Portrait Katharina Burgthaler
Katharina Burgthaler
Es sind besondere Lebenssituationen wie diese, die die Gemeindereferentin reizen und herausfordern. Im vierten Jahr arbeitet Katharina Burgthaler nun bereits in der Krankenhausseelsorge Bad Reichenhall, zusammen mit der Pastoralreferentin Christine Schmid-Friedl. Bei diesem Dienst gehe es „um diakonisches Handeln inmitten der Menschen, für den Nächsten, oft in existentiellen Notlagen, ohne dass die Seelsorgenden im Rampenlicht stehen möchten“, betont Martin Seidnader, und er resümiert: „Das ist Kirche vor Ort, das war vor Corona so und ist erst recht in Zeiten von Corona so.“

Text: Dr. Christiane Schwarz, Stabsstelle Kommunikation, Nov. 2020

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