"Für viele die erste Begegnung mit der Kirche" Cordula Bichler gibt auch kirchenfernen Münchner Grundschülern katholischen Religionsunterricht

Seit 27 Jahren ist Cordula Bichler Religionslehrerin an der Grundschule Maria Ward Straße 1 in München-Nymphenburg. Für sie ist der Religionsunterricht gerade in der aufgeheizten gegenwärtigen Situation wichtig, in der die Gesellschaft einen „gefährlichen Rechtsruck“ nehme, weil dieses Schulfach die Botschaft Jesu vermittle, die niemanden ausgrenze.
Konrektorin und Religionslehrerin Cordula Bichler
Konrektorin und Religionslehrerin Cordula Bichler an der Grundschule Maria Ward Straße 1
"Für bestimmt die Hälfte der Kinder sind wir die Ersten, die Kirche vermitteln“, sagt Cordula Bichler. Die 53-Jährige ist Konrektorin der Grundschule Maria-Ward-Straße 1 im Münchner Stadtteil Nymphenburg und erteilt dort seit 27 Jahren Religionsunterricht. „Die Rolle, die Glaube und Kirche spielen, wird immer geringer“, hat Bichler im Laufe der Jahre beobachtet. „Relativ wenige Kinder beten noch regelmäßig. Die Kirche besuchen ganz wenige – wenn, dann nur zu den Feiertagen oder bei Familienfesten wie Taufen.“

Die Katholikin kann diesem Trend auch etwas Positives abgewinnen: Anders als früher erlebten die Mädchen und Buben keinen bedrohlichen Glauben mit einem strafenden Gott mehr. Und: „Dadurch, dass sie das alles nicht kennen, finden sie den Religionsunterricht wahnsinnig spannend.“ Nicht nur das Kreuzzeichen und das Vaterunser bringt die Lehrerin daher den Kleinen bei. Sie zeigt ihnen auch, wie sie sich während eines Gottesdienstes richtig verhalten, wann sie aufstehen oder sich hinsetzen sollen.
Bibelgeschichten und Heiligenlegenden kämen bei ihren jungen Zuhörern sogar so gut an, dass sie diese immer wieder hören möchten, berichtet Bichler. Sie veranschaulicht diese Erzählungen mit Bodenbildern nach der Kett-Methode. Das Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen, die sich wohltätig den Armen zugewandt hat, illustriert Bichler beispielsweise mit Teelichtern, die in kleine Häuser gestellt werden und diese erleuchten.

Auch das Kirchenjahr prägt den Religionsunterricht an der Grundschule stark. Zu Erntedank etwa dürfen alle Kinder in Bichlers Religionsgruppe – neben katholischen sind das manchmal auch konfessionslose – Obst oder Gemüse mit in die Schule bringen und berichten, woher es stammt, vielleicht aus dem eigenen Garten oder dem der Großeltern. Die Lehrerin versucht ihren Schülern dann zu vermitteln, dass jedes Nahrungsmittel ein Geschenk ist, und lädt sie ein, Gott reihum in einem Gebet dafür zu danken.
Wandrelief in der Grundschule Maria Ward Straße 1
Wandrelief in der Grundschule Maria Ward Straße 1
Obwohl sich die kirchlichen Feste von Jahr zu Jahr wiederholen, nimmt Bichler sie jedes Mal erneut durch, „weil man nicht davon ausgehen kann, dass die Kinder ihre Bedeutung kennen“, betont die Lehrerin. Allerdings geht es ihr bei ihrem Unterricht um weit mehr als um reine Wissensvermittlung. Bichler möchte ihre Schützlinge dazu bringen, eigene Gebete zu sprechen, ihnen zeigen, dass das Gebet helfen kann, wenn sie Angst haben oder sich Sorgen machen. Deshalb betet die Lehrerin in der Religionsstunde auch schon mal für verstorbene Verwandte von Schülerinnen und Schülern, „weil ich hoffe, dass die Kinder damit eine Grundlage bekommen, wie sie auch als Erwachsene mit schwierigen Situationen umgehen können: indem sie sich durch das Gebet Hilfe holen“.

Bei Kindern mit kirchenfernen Eltern bleiben auch kritische Fragen nicht aus, etwa: Ist Jesus wirklich auferstanden? Oder: Warum hat ein katholischer Pfarrer keine Frau? Bichler versucht, darauf nicht dogmatisch zu antworten: „Da sag ich dann schon meine Meinung.“
Die Pädagogin hat gerade bei Menschen, die dem Glauben eher distanziert
gegenüber stehen, eine „große Sehnsucht nach Ritualen“ festgestellt. „Nur wird sie nicht unbedingt mit der Kirche in Verbindung gebracht“, fügt die Religionslehrerin bedauernd hinzu. Ihre Schule macht deshalb bewusst offene Angebote – für Schüler und Eltern. So sind alle Erstklässler unabhängig von ihrer Konfession in der ersten Schulwoche zu einer Segnungsfeier eingeladen, die ein evangelischer Pfarrer und ein katholischer Diakon gemeinsam gestalten. „Da kommen meistens alle“, hat Bichler beobachtet.

Überhaupt können Mütter und Väter alle Schulgottesdienste mitfeiern. Die Lehrerin ist erstaunt, wie viele jedes Mal daran teilnehmen – wohl auch, um zu erleben, wie ihre Sprößlinge etwas vorlesen oder vorspielen, vermutet die Pädagogin. Die Kinder selbst gehen ebenfalls gern in die Kirche. Schließlich sei ein Gottesdienst etwas Besonderes und werde feierlich gestaltet. „Er darf nur nicht zu lange dauern“, sagt Bichler und lacht.
Den Religionsunterricht mögen die Grundschüler ebenfalls, gehört er neben Sport und Handarbeiten doch häufig zu ihren Lieblingsfächern. Bichler führt das darauf zurück, dass die Kleinen in diesen Stunden das tun dürfen, was sie ohnehin gerne machen – „singen, spielen, basteln, malen und auch mal rausgehen“. Außerdem ermögliche dieses Fach Viertklässlern „ein bisschen Entspannung“, weil sie hier keinen Notendruck vor dem Schulübertritt verspürten.

Für Bichler ist der Religionsunterricht gerade in der aufgeheizten gegenwärtigen Situation wichtig, in der die Gesellschaft einen „gefährlichen Rechtsruck“ nehme, weil dieses Schulfach die Botschaft Jesu vermittle, die niemanden ausgrenze. Und vielleicht, so hofft die Lehrerin, erinnere sich der eine oder andere ihrer Schüler eines Tages daran: „Man kann ja beten. Dann“, so meint die Pädagogin, „wäre schon viel gewonnen.“
Text: Karin Hammermaier, Autorin der "Münchner Kirchenzeitung", September 2018