Diözesanmuseum Freising widmet sich „Verdammter Lust!“

Ausstellung setzt sich mit „Kirche. Körper. Kunst“ auseinander und zeigt einzigartige Kunstwerke von der Antike bis ins frühe 19. Jahrhundert / Umfangreiches Begleitprogramm
München. 2. März 2023. Unter dem Titel „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst“ setzt sich das Diözesanmuseum Freising mit dem Spannungsfeld von Sexualität und Religion im Spiegel der Kunst auseinander. Die Ausstellung, die vom Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, bei einer Veranstaltung für geladene Gäste am Samstag, 4. März, eröffnet wird, zeigt von Sonntag, 5. März, bis Sonntag, 2. Juli, mehr als 150 Kunstwerke, von der Antike bis in das frühe 19. Jahrhundert, von Leonardo da Vinci über Tintoretto und Cranach bis hin zu Artemisia Gentileschi und Guido Reni, die das spannungsreiche Verhältnis von Sexualität und Kirche reflektieren. An der Ausstellung beteiligt sind 52 Leihgeber aus acht Ländern, darunter renommierte Museen wie die Uffizien in Florenz, das Staatliche Kunstmuseum in Kopenhagen oder das Kunsthistorische Museum Wien.
 
Mit seiner neuen Schau stelle sich das Museum der Erzdiözese München und Freising einem Thema, „das zeitlos und hochaktuell und umstritten zugleich ist“, schreibt Kardinal Reinhard Marx, Schirmherr der Ausstellung, in seinem Grußwort für den Katalog. Die Auseinandersetzung mit Körperlichkeit und Sexualität reiche bis „in die tiefsten Gründe der jüdisch-christlichen Tradition“ und präge die christliche Anthropologie bis heute, führt Marx aus. Das Thema sei hochbrisant, „da die aktuelle Diskussion um den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht nur systemimmanente Probleme, wie Klerikalismus und Machtmissbrauch, offenlegt, sondern vor allem auch eine entscheidende Grundproblematik, nämlich die oft sehr belastete Beziehung vieler Menschen in unserer Kirche zu Körperlichkeit“, so Kardinal Marx. Der derzeit geführte breite gesellschaftliche und innerkirchliche Diskurs über die katholische Sexuallehre sei „richtig und notwendig“, und die Ausstellung des Diözesanmuseums könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie ein neues Feld in der Debatte erschließe, schreibt der Erzbischof: „Die Kunstgeschichte bietet zwar zum Thema ein ausnehmend ertragreiches Forschungsfeld, jedoch gibt es bisher wenige Erkenntnisse darüber, wie sehr die kirchliche Sexuallehre die Kunstschaffenden in ihren Werken durch die Jahrhunderte in Ikonografie und Gestaltung beeinflusst hat.“

Die Werke zeigten sich dabei erstaunlich mutig, facettenreich und mehrdeutig, und bewegten „sich doch oft nur vordergründig in den wohlgeordneten Bahnen geltender Moralvorstellungen und kirchlicher Lehre“, erklärt Marx. Zwar sei in der Vergangenheit in Theologie, Predigt und pastoraler Praxis „oft ein sehr negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet“ worden. Dabei werde aber allzu oft übersehen, „dass die christliche Anthropologie eigentlich auch im persönlichsten und intimsten Bereich menschlichen Lebens positive und befreiende Perspektiven eröffnen will und auch kann“, betont der Kardinal. Die in der Ausstellung gezeigten Kunstwerke lieferten keine vorgefertigten Antworten, sondern wollten vielmehr „zum Fragen und zum Hinterfragen anregen und neue Perspektiven aufzeigen; und Kunst kann und soll auch die Theologie und Lehre der Kirche herausfordern“.
 
Die neue Ausstellung stehe „zwar ganz im Kontext der aktuellen Diskussion, will und kann jedoch bewusst keine ausschließliche Schau zum sexuellen Missbrauch sein“, betonte der Direktor des Freisinger Diözesanmuseums, Christoph Kürzeder, bei einer ersten Präsentation der Ausstellung für Medienvertreterinnen und Medienvertreter am Donnerstag, 2. März, in Freising. Man wolle „vielmehr strukturelle Probleme und Widersprüche aufzeigen, welche die kirchliche Sexuallehre von ihren Anfängen bis heute begleiten und die in den Kunstwerken der Ausstellung sichtbar gemacht werden“. Dazu werde ein Bogen gespannt „von der Antike bis um das Jahr 1800“. In dieser Zeit „steht die Kunst überwiegend im Dienst der Religion und bewegt sich deswegen offiziell im Rahmen der kirchlichen Lehre“, sagte Kürzeder.

Zugleich spiegelten die Werke aus dieser Zeit die Spannung zwischen Lehre und Leben: „Die christliche Ikonographie bot über Jahrhunderte den idealen Rahmen, das allzu Menschliche mit dem allzu Idealen thematisch zu verbinden, zu inszenieren und in eine spannungsreiche Beziehung zu setzen.“ Die Werke in der Ausstellung zeigen laut Kürzeder, „wie sehr Künstlerinnen und Künstler ihr Schaffen für die Kirche nutzten, um versteckt oder auch ganz offensichtlich Kritik an bestehenden Tabus und Konventionen, Geboten und Verboten zu üben oder sie zu beklagen“. Mit der Schau „Verdammte Lust!“ will das Diözesanmuseum in den Worten seines Direktors „dazu einladen, ausgehend von historischen Beispielen, eigene Fragen an ein komplexes Thema zu stellen und Antworten zu suchen“.
 
Die Ausstellung stellt den Menschen als sexuelles Wesen einem theologischen Ideal gegenüber, die unreine fleischliche Begierde der reinen Hingabe an Gott, und thematisiert wichtige Grundaussagen der christlichen Anthropologie wie Scham, Sterblichkeit, Reinheit, Enthaltsamkeit und Fruchtbarkeit in acht Kapiteln: der schamlose Körper - der sündige Körper - der sinnliche Körper - der reine Körper -  der verbotene Körper -  der erlaubte Körper -  der verletzte Körper -  es bleibt schwierig!. Ansprüche und Wirklichkeit sowie gesellschaftliche und religiöse Wertevorstellungen werden in den Werken subtil bis entlarvend hinterfragt.

Mit den mehr als 150 Artefakten aus Malerei, Skulptur, Grafik und Objekten der Volksfrömmigkeit von der vorrömischen Antike bis in die Gegenwartskunst, mit einem Schwerpunkt vom Mittelalter bis um 1800, zeigt das Diözesanmuseum einen jeweils sehr individuellen Ausdruck emotionaler, intellektueller und künstlerischer Auseinandersetzung mit den großen Themen menschlicher Existenz. Zugleich versteht sich die Ausstellung als ein Beitrag zu einem aktuellen Diskurs, der so herausfordernd wie unumgänglich ist.
 
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, von der Kulturstiftung der Länder geförderter Katalog sowie ein Essayband mit Beiträgen von 20 Autorinnen und Autoren. Gerahmt wird die Schau von einem umfangreichen Begleitprogramm, das unter www.dimu-freising.de zu finden ist. Zu den begleitenden Veranstaltungen zählen regelmäßige Themen- und Sonderführungen mit den Kuratorinnen und Kuratoren der Ausstellung, Konzerte, Lesungen und Podiumsdiskussionen unter anderem mit dem Theologen Christof Breitsameter, der Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken oder der Kunsthistorikerin und Journalistin Kia Vahland. (ck)
 

Hinweise:
 
Eine Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung mit Kardinal Reinhard Marx am Samstag, 4. März (Beginn 17 Uhr, Möglichkeit zur Besichtigung der Ausstellung ab 14 Uhr), ist für Journalistinnen und Journalisten nach Anmeldung bei der Pressestelle möglich.
 
Bilder für die Berichterstattung finden sich zum Download unter www.dimu-freising.de/museum/presse.

Ein Interview mit Dr. Christoph Kürzeder finden Sie unter
www.erzbistum-muenchen.de/spiritualitaet/ausstellung-verdammte-lust
 
Von Sonntag, 5. März, bis Sonntag, 2. Juli, ist die Ausstellung täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ausstellung ist empfohlen für Besucherinnen und Besucher ab 14 Jahren.
 
„Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst.“ Katalog. Herausgegeben von Carmen Roll, Christoph Kürzeder, Steffen Mensch und Marc-Aeilko Aris. 453 Seiten. Hirmer, München.

„Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst.“ Essays. Herausgegeben von Carmen Roll, Christoph Kürzeder, Steffen Mensch und Marc-Aeilko Aris. 215 Seiten. Hirmer, München.