Ja was denn nun? Stark oder schwach?
Der Mann sei das starke Geschlecht, hat zumindest irgendwann jemand so in die Welt gesetzt.
Stark sein zu können ist an sich nicht schlecht. Jedoch stark sein zu müssen, gemäß einem solchen geschlechtertypischen Dogma, um Mann sein zu dürfen, ist m.E. meist schädlich für Männer. Heute wissen viele Männer und Frauen, dass es da kein Schwarz-Weiß oder Entweder-Oder gibt. Menschlich normal, natürlich und wahrscheinlich gesund ist ein Sowohl-als auch. Jeder Mensch hat stabile und unstabile, brüchige Momente. Heute kommt mehr und mehr ins Bewusstsein, dass Männer zwar einerseits i.d.R von sog. vorherrschenden patriarchalen Strukturen profitieren, gleichzeitig aber auch darunter selbst leiden können, vor allem wenn der Erwartungsdruck ans Mann sein einen eigentlich am ganz Mensch und Mann sein eher hindert. Weil wie soll ich mich schwach zeigen dürfen, wenn Männer doch das starke Geschlecht sind?
Wir setzen sogar noch eins drauf: Ist es nicht gerade stark, mutig, authentisch und selbstbestimmt, wenn wir uns als Mann trauen uns verletzlich, traurig usw. eben vermeintlich schwach zu zeigen? Die meisten würden das Bejahen und trotzdem habe ich als Mann schon die Erfahrung gemacht, dass andere Männer und Frauen auf mein mich schwach zeigen negativ reagierten. „Du bist doch sonst so stark, wieso jammerst du denn jetzt und warum reißt du dich nicht zusammen…“ Dankbar bin ich dann für die Menschen, die sich trauen mir auf die Schulter zu klopfen oder mir mit einer Geste anbieten, mich in den Arm nehmen zu wollen (aber mir die Entscheidung darüber lassen).
Von der Stärke, sich schwach zu zeigen.
Karl Valentin hätte da als Mann wohl gesagt: „Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut“.
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Wie sehr hast du dich schon schwach, bzw. verletzlich etc. zeigen wollen, aber nicht dürfen getraut?
von Wolfgang Tutsch