Mit Achtsamkeit durch die Fastenzeit Übungen und Tipps

Seit Aschermittwoch ist das bunte Treiben vorbei, die Fastenzeit hat begonnen und damit die Vorbereitung auf das Osterfest. Die Bußzeit ist für viele eine Zeit des Verzichts. Deshalb verbinden einige diese vierzig Tage immer noch mit einer gewissen Härte gegen sich selbst. Doch auf das Fest der Auferstehung können wir uns auch anders vorbereiten: Mit etwas Aufmerksamkeit für uns selbst, weiß Theologin und Achtsamkeitslehrerin Susanne Kienast.

Auf was wollen sie in diesem Jahr verzichten? Alkohol, Süßigkeiten oder wird in diesem Jahr Plastik gefastet? „Fasten liegt voll im Trend“ heißt es in diesen Tagen in vielen Medien. Laut einer aktuellen Studie steigt die Zahl der Fastenwilligen seit Jahren an. Dieses Mal wollen rund 63 Prozent der Deutschen in den Wochen bis Ostern Verzicht üben. Aber muss es unbedingt Verzicht sein? Ist das die beste Art, sich auf das Fest vorzubereiten?
junge Frau genießt auf Terrasse Getränk

Fastenzeit im Wandel

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich der Begriff „Fasten“ verändert. Viele Menschen verzichten weniger auf Dinge, um sich selbst zu kasteien, sondern eher, um etwas Gutes zu tun, zum Beispiel für die Umwelt beim Plastikfasten oder für sich selbst, wenn sie in der Fastenzeit beispielsweise auf Handy und Computer verzichten.

Auch die Theologin und Achtsamkeitslehrerin Susanne Kienast glaubt, dass die Fastenzeit nicht unbedingt mit Verzicht zu tun haben müsse. Es gehe ja schließlich um die Vorbereitung auf das Osterfest, also um die Auferstehung. Deshalb sei es aus ihrer Sicht vor allem wichtig, wieder mehr ins Leben einzutauchen. Achtsamkeitsübungen sind dabei ein guter Weg.
 

Einfache Achtsamkeitstipps für den Alltag

 
Als Achtsamkeitslehrerin will Susanne Kienast deshalb keine Tipps geben, worauf man in der Fastenzeit verzichten kann, sondern Anregungen schaffen: Worauf möchte ich mich in der Fastenzeit dem Leben zuwenden?
Dazu hat sie ein paar Ideen, die für jeden sofort umsetzbar sind:

1. Eine Mahlzeit am Tag ganz bewusst einnehmen
Ein schneller Snack in der Mittagspause, das Frühstück isst man im Stehen oder auf dem Weg in die Arbeit. Erkenn Sie sich wieder?
Das geht auch ganz anders: Zuerst einmal hinsetzen, das Radio ausmachen und dann das Essen ganz bewusst genießen: Wie riecht es? Wie schmeckt es? Wie fühlt sich die Konsistenz im Mund an? Schmeckt es mir wirklich? Welche Gewürze sind drin? Muss ich nachsalzen?
Die Übung lässt sich leicht in den Tag integrieren, denn essen muss schließlich jeder.
 
2. Die täglichen Wege genau nachspüren
Egal, ob es der Weg zum Bus, zur U-Bahn oder zum Supermarkt ist, häufig haben wir nur das Ziel vor Augen, sind gedanklich schon in der Arbeit, im Büro oder im Laden.
Versuchen Sie doch einmal, die Wege im Alltag ganz bewusst zu gehen. Spüren Sie Ihren Körper, die Bewegung Ihrer Beine, das Schlenkern der Arme, den kühlen Kontakt mit der Luft. Was riechen Sie? Was sehen Sie? Was hören Sie? Seien Sie einmal ganz im Moment, ganz ohne Ablenkung.
 
Mann genießt Sonne in Liegestuhl
3. Routinetätigkeiten ganz bewusst wahrnehmen
Duschen, Zähneputzen, Schuhebinden. Routinetätigkeiten führen wir häufig ganz automatisch, fast wie Roboter aus. Kein Wunder, dass wir uns danach kaum daran erinnern können. Auch gedanklich ist man häufig schon ganz woanders.
Eine Übung in der Dusche: Spüren Sie das Wasser auf Ihrer Haut. Wie reagiert der Körper beim Temperatureinstellen? Ist das Wasser zu heiß oder zu kalt? Wie riecht es? Wie fühlen Sie sich? Versuchen Sie alles wahrzunehmen, aber den Moment auch zu genießen.
 
4. Begrüßen und Verabschieden ohne Zeitdruck
Ein Bussi hier, eine schnelle Verabschiedung da, manchmal nur ein Blick aus dem Augenwinkel. Aber sind unsere Lieben nicht mehr wert?
Versuchen Sie beim Verabschieden und Begrüßen nichts anderes zu tun. Machen Sie sich den Moment des Verabschiedens ganz bewusst. Sehen Sie Ihr Kind, Ihren Partner, Ihre Freunde noch einmal ganz genau an. Umarmen oder küssen Sie sie zum Abschied. Bleiben Sie aufmerksam. Wie geht es ihnen? Welchen Gesichtsausdruck haben sie?
 
5. Die ersten fünf Begegnungen am Tag
Wissen Sie noch, wem Sie heute Morgen als erstes begegnet sind? Die Antwort ist sicher nicht so schwer, aber wer waren die ersten fünf Menschen, die Sie gesehen haben? Darauf haben wahrscheinlich die wenigsten eine Antwort, weil wir den Menschen um uns herum, kaum Aufmerksamkeit schenken.
Versuchen Sie doch mal, sich die ersten fünf Menschen, die sie treffen, zu merken - kurz anschauen und wahrnehmen. Ist es eine angenehme Begegnung? Ist es schwierig? Gibt es eine Spannung oder ist Freude da? Sehe ich diesen Menschen häufiger oder heute zum ersten Mal?
 

Was bringt mir Achtsamkeit?

Achtsamkeitslehrerin Susanne Kienast praktiziert verschiedene Übungen schon seit einiger Zeit. Dadurch habe sie wieder mehr Bezug zum Alltag bekommen. Außerdem hat sie den Eindruck, dass sie wieder mehr im Leben steht und mit dem Leben verwurzelt ist. Achtsamkeit hilft ihr auch, weniger in Gedanken und Sorgen verhangen zu sein.

Keine Angst, wenn die Übungen nicht gleich klappen, oder Sie sie vielleicht vergessen. Morgen ist ein neuer Tag und eine neue Chance mit Achtsamkeit zu beginnen.

 
Die Theologin Susanne Kienast ist im Erzbistum München und Freising in der Eheberatung Oberbayern tätig. Sie ist ausgebildete Achtsamkeitslehrerin (MBSR) und bietet auch Kurse zum Thema an.

Text: Andrea Wojtkowiak

 
Ehe-, Familien- und Lebensberatung
der Erzdiözese München und Freising
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Leiterin: Margret Schlierf

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