Ein sicherer Ort, um Krankheiten zu überwinden Kardinal Marx weiht erste Krankenwohnung für Obdachlose in München

Zu dieser besonderen Weihe ist der Münchner Erzbischof Reinhard Marx „sehr gerne“ gekommen, ist „stolz“ auf seine Kirche. Die Rede ist von einer neuen Krankenwohnung für Obdachlose an der Waakirchner Straße in München, die der Kardinal vor Kurzem einweihte. Dort können vier Patienten zur Nach- oder Weiterbehandlung nach Krankenhausaufenthalten für bis zu acht Wochen medizinisch versorgt werden, damit sie sich auch ohne eine permanente Wohnung angemessen erholen könnten.
 
Auf dem Foto sieht man ein Krankenbett in der neuen Krankenwohnung für Obdachlose.
In der 100 Quadratmeter großen Wohnung befinden sich zwei barrierefreie Appartements, in denen sich wohnungslose Menschen von einer Erkrankung erholen können.
 
Durch die Fenster scheint die Sonne. Neben der Balkontüre stehen zwei Betten. Die Einrichtung wirkt freundlich, ist in hellem Holz gehalten. In der 100 Quadratmeter großen Wohnung befinden sich zwei barrierefreie Appartements mit Bad, Küchenzeile und Balkon, die ein sicherer Ort für wohnungslose Menschen sein sollen. Dort können sich wohnungslose Männer von einer Erkrankung erholen. Die Erzdiözese finanziert das Projekt des Katholischen Männerfürsorgevereins (KMFV) mit 430.000 Euro für drei Jahre.
 
Auf dem Foto ist Kardinal Marx zu sehen, der in der Krankenwohnung einem obdachlosen Patienten begegnet.
Kardinal Reinhard Marx weiht ein Appartement, in dem sich gerade ein Patienten von einem Schlaganfall erholt.
Am Tag der Einweihung sind zwei der vier verfügbaren Plätze bereits mit Patienten belegt. Einer von ihnen ist ein 64-Jähriger mit vietnamesischen Wurzeln, der sich hier von den Folgen eines Schlaganfalls erholen kann. Seine 15-jährige Tochter war auch schon zu Besuch in der Wohnung, sie gehe in die 10. Klasse, berichtet er stolz. 1987 sei er von Vietnam in die DDR gekommen, habe dort mit „Gartenarbeit“ sein Geld verdient, so der Patient. Vier Jahre später, nach dem Mauerfall, habe ihn die Jobsuche nach München geführt, wo er unter anderem bei verschiedenen Brauereien angestellt gewesen sei. Auch mit Kardinal Marx kommt er bei der Segnung der Räume ins Gespräch. Begeistert erzählt er davon, dass der Erzbischof vor fünf Jahren seine Heimat Vietnam besucht habe.
 
Weitreichende Unterstützung
 
Mit dem Angebot der Krankenwohnungen will der Katholische Männerfürsorgeverein von Obdachlosigkeit Betroffenen vor allem einen „sicheren Ort“ bieten, um Krankheiten zu überwinden. Aufgenommen würden diese unter anderem zur Nach- oder Weiterbehandlung nach Krankenhausaufenthalten für höchstens sechs bis acht Wochen, damit sie sich auch ohne eine permanente Wohnung angemessen erholen könnten.

„Wenn man auf der Straße lebt oder in einer Notunterkunft, ist es nicht möglich, dass man sich zuhause auskuriert“, betont KMFV-Vorstand Ludwig Mittermeier. Zudem sollen die Patienten hier über die Genesung von Krankheit hinaus unterstützt werden. Das Angebot umfasst deshalb neben pflegerischer Versorgung durch examinierte Pflegefachkräfte – in Zusammenarbeit und nach Absprache mit einem niedergelassenen Allgemeinmediziner – auch sozialpädagogische Betreuung und Anleitung zu gesundheitsfördernden Lebensweisen. Bei der Auswahl der Bewohner spielten Nationalität, Aufenthaltsstatus, Religionszugehörigkeit und Geschlechtsidentität keine Rolle, versichern die Verantwortlichen.
 
Auf dem Foto ist Kardinal Marx zu sehen, der die Kreuze für die Appartements segnet.
Kardinal Marx segnet die Kreuze, die im Anschluss in den Krankenwohnungen aufgehängt werden.
Defizite im Gesundheitssystem
 
Für Andrea Thiele, bis Oktober 2021 kommissarische Leiterin des Ressorts Caritas und Beratung im Erzbischöflichen Ordinariat München, ist es wichtig, dass die Kirche mit solchen Projekten „den Finger in die Wunde legt“, um auf Defizite im Gesundheitssystem aufmerksam zu machen. Wohnungslose Menschen ohne Gesundheitsversorgung hätten kein Sprachrohr in der Öffentlichkeit. „Das sind unbequeme Themen, die auch Geld kosten“, betont Thiele. Sie ist sich sicher, dass der Bedarf an Krankenwohnungen in München in den kommenden Jahren weiter steigen wird. Experten gehen derzeit davon aus, dass es in der bayerischen Landeshauptstadt etwa 50 bis 100 Patienten pro Jahr gibt, die eine solche Einrichtung bräuchten.
 
"Es ist eine Innovation, etwas Neues und eine Lücke, die gefüllt wird", sagt Kardinal Reinhard Marx über das Projekt. Gerade das Coronavirus habe der Gesellschaft die Komplexität des Themas „Gesundheit“ vor Augen geführt. Wohnungslose seien durch die Pandemie noch verstärkt unter Druck geraten. Krankheiten könnten das ganze Leben erfassen, eine ganze Biografie prägen, so der Erzbischof von München und Freising. „Wo Familie nicht da ist, müssen Menschen da sein, die Bedürftigen beistehen“, erklärt der Kardinal das karitative Engagement der Kirche.
 
Auf dem Foto sind die Kreuze zu sehen, die in den Krankenwohnungen aufgehängt werden.
„Wo Familie nicht da ist, müssen Menschen da sein, die Bedürftigen beistehen", erklärt Kardinal Marx das karitative Engagement der Kirche.
Wissenschaftliche Begleitung
 
Das Konzept der Krankenwohnungen beinhaltet dabei auch eine wissenschaftliche Begleitung: Es ist ein Ergebnis des 2019 begonnenen Forschungsprojekts "Neue Wege in der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung wohnungsloser Menschen" des KMFV und der Katholischen Stiftungshochschule München, das von der Münchner Erzdiözese mit 700.000 Euro finanziert wurde. Solche Krankenwohnungsprojekte stehen bereits in Hamburg, Berlin und Hannover zur Verfügung – und nun erstmals auch in München.
 
Text: Klaus Schlaug, Redakteur Sankt Michaelsbund, September 2021
 

 
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Richard Stefke, Ressortleiter, Ordinariatsdirektor
Diözesanbeauftragter der Erzdiözese München und Freising
für caritative Verbände und Träger