Digitalisierung als Chance für die Zukunft der Kirche Anlässlich der Medienwoche der Erzdiözese vermittelten Expertinnen und Experten Kompetenzen vom Livestream bis zum Instagram-Kanal

Wie kommunizieren wir heute unseren Glauben? Wie können Pfarreien möglichst viele Menschen erreichen? Wie helfen Soziale Medien und Webauftritte Angebote im Erzbistum zu verbreiten? Und welchen Medientrends lohnt es sich, Beachtung zu schenken? Die Medienwoche 2022 schaffte Raum für Antworten und Austausch und bot Engagierten in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit Workshops und Vorträge.
 
Stream Gottesdienst, Gottesdienststream, Kamera
Live dabei von jedem Ort: Live-Streams von Gottesdiensten ermöglichen Teilhabe über geografische Grenzen hinweg.
Am 8. Oktober startete die Medienwoche der Erzdiözese München und Freising. Was seit Jahren ein „Medientag“ mit vielen guten Praxis-Inputs war, wurde nun auf eine ganze Woche ausgeweitet. Nach einem Tag mit Präsenzveranstaltungen folgten digitale Angebote, damit auch Menschen erreicht werden konnten, die nicht nach München anreisen können.

„Wir wollten möglichst viele Menschen für die wichtige Medienarbeit vor Ort qualifizieren. Dabei reichte das Angebot vom klassischen Pfarrbrief bis hin zum eigenen Kanal auf Social Media“, erklärt Bernhard Kellner. Der Leiter der Stabsstelle Kommunikation im Erzbischöflichen Ordinariat weiß, dass die Kirche digital sichtbar sein muss, um möglichst große Teile der Gesellschaft erreichen zu können. „Dazu brauchen wir viele verschiedene Absender, die aus ihrer Sicht von der Kirche erzählen und berichten was sie alles tut.“
 
Neue Formate entwickelt

Während der Pandemie habe die Erzdiözese viele digitale Impulse entwickelt, so Kellner. „Der tägliche Live-Stream des Gottesdienstes aus dem Dom erreicht Menschen, die sonst gar nicht dorthin gekommen wären. Und es ist eine eigene Gemeinschaft entstanden, die sich im Chat begrüßt, Kommentare abgibt und mitbetet.“ Digitale Angebote ermöglichten Begegnung auf Augenhöhe. "Kirche findet nicht nur im Dom statt, sondern vor Ort in der Pfarrei. Und wenn es auch dort möglichst interaktive Gottesdienste, oder Gebete gibt, dann liegt darin eine unglaubliche Chance für die Zukunft", sagt Kellner und ergänzt: "Digitale und analog-reale Angebote stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Im besten Fall ergänzen sie sich und verweisen aufeinander."
 
Porträt Engelbert Dirnberger, Dekan München-Giesing
Engelbert Dirnberger, Dekan
München-Giesing
Diese Chance hat das Dekanat München-Giesing ergriffen. Dekan Engelbert Dirnberger wird immer wieder auf die Website von Heilig Kreuz angesprochen. Dort finden sich zahlreiche Links zu digitalen Angeboten der Pfarrei. Zum Beispiel gibt es neben einem audiovisuellen Rundgang durch die Kirche die Rubrik „Mittags-Gruß“. Sie stammt aus der Zeit der pandemiebedingten Beschränkungen. „Wir haben uns überlegt, wie wir mit unseren Leuten im Kontakt bleiben können. Und dabei haben wir den ‚Mittags-Gruß‘ entwickelt, bei dem die Seelsorgerinnen und Seelsorger in drei bis fünf Minuten schildern, was sie gerade bewegt“, erklärt Engelbert Dirnberger. Während der Pandemie war das Format ein tägliches Angebot, seither wird der Kanal noch zweimal pro Woche bespielt. Um die älteren Gemeindemitglieder nicht zu vergessen, die noch nicht so online-affin sind, wurde auch eine Telefonnummer eingerichtet, unter der man den „Mittags-Gruß“ hören konnte.
 
Homepage Hl. Kreuz Giesing
Aufbruch ins Digitale: Die Startseite von Hl. Kreuz Giesing lädt ein, neue virtuelle Angebote zu nutzen.
 
Engelbert Dirnberger ist dankbar, dass er in seinem Team „junge Kollegen und insbesondere junge Kolleginnen“ hat, die sich mit Online-Angeboten auskennen und die auch anregen, hier weiterzudenken. „Wir überlegen gerade, ob wir in die Sozialen Medien hineingehen sollen und auf welchen Kanälen“, beschreibt der Giesinger Dekan das kreative Miteinander. 

Analoges und digitales Gemeindeleben

Würde er andere Pfarrgemeinden dazu ermutigen, ebenfalls digital sichtbarer zu werden? Das bejaht Engelbert Dirnberger: „Es ist zwar eine Herausforderung, weil es zunächst mehr Arbeit ist. Bei uns war es nach der Pandemie so, weil wir erlebt haben, dass wir jetzt beides zu bespielen haben – das analoge und das digitale Gemeindeleben. Aber ich glaube, das eine geht nicht mehr ohne das andere in der heutigen Zeit.“ Dirnberger und sein Team haben mittlerweile schon oft die Rückmeldung bekommen, dass Menschen nicht mehr wie früher einfach in den Gottesdienst kommen und sich dann an die Gemeinde andocken. Vielmehr schauen sie sich die Profile der Pfarrgemeinden im Netz an, lassen sich Newsletter schicken, checken digitale Angebote und kommen dann erst persönlich vorbei.

Trotzdem sei pastorales Leben vor Ort auch persönliche Begegnung. Doch genau die hilft nach Dirnbergers Erfahrung dabei, dass sich Gemeindemitglieder zusätzlich für die digitalen Angebote interessieren. Wenn man die Gemeindereferentin oder den Priester schon persönlich kennt, hat man vielleicht auch mehr Lust, sich schnell den „Mittags-Gruß“ anzuhören. Andererseits gibt es tatsächlich Nutzer, die weiter weg wohnen, auf die Online-Angebote aus dem Dekanat Giesing gestoßen sind und ihnen seither folgen und Kontakt aufnehmen. Die Inhalte sprechen sie an. Wenn Gemeinden digital sichtbar sind, wirken sie nach außen und erreichen Menschen.
 
Bernhard Kellner
Bernhard Kellner, Leiter der Stabsstelle
Kommunikation im Erzbistum
Das deckt sich mit den Erfahrungen Bernhard Kellners, der ehren- und hauptamtlich Mitarbeitende in den Pfarreien auf ihren Wegen in die Öffentlichkeit unterstützen will. „Die Medienwoche soll eine Ermutigung sein an die vielen Engagierten in den Pfarreien. Dafür wollen wir ihnen das Handwerkszeug geben und sie ermuntern: Macht weiter, geht über die Medien an die Menschen heran. Wir können viele erreichen, wir können vielen zuhören und vielen etwas mitgeben.“

Text: Dr. Gabriele Riffert, freie Autorin, September 2022
 
 

Gemeinden im Netz

Weitere Pfarreien mit ansprechenden Angebote im Netz:
 Auf der Webseite https://www.himmel-ueber-neuhausen.de der Stadtviertelkirche München-Neuhausen findet man eine Kirchenführer-App für alle sieben Neuhauser Kirchen.
Der Pfarrverband Maria Tading im Landkreis Ebersberg bietet unter https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/pv-maria-tading/ unter "Kirch dahoam“ das Abo eines Pfarrverbands-Newsletters an und informiert aus allen Pfarreien. Regelmäßig wird auf der Seite https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/pv-maria-tading/kirch-dahoam/stream eine Gottesdienstübertragung angeboten.
Die Stadtkirche Wasserburg hat einen eigenen Youtube-Kanal mit  Erinnerungen an bedeutsame Gottesdienste. Außerdem findet sich ein Link zum virtuellen Stadtrundgang der Gemeinde Wasserburg, die auch detaillierte Blicke in die Kirchen des Ortes ermöglicht: https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/Stadtkirche-Wasserburg 

 

 

"Anfangen und dranbleiben!" Drei Fragen an Tobias Sauer, Impulsgeber beim Start der Medienwoche

 
Das Thema der diesjährigen Medienwoche lautete "Glaube.Heute.Mensch." Was steckt da alles für Sie drin?

Tobias Sauer: Im Thema sind die wichtigsten Fragen enthalten: Was ist heute? Was ist Glaube? Und wie bekommt man eine Beziehung zum Menschen? Ich könnte stundenlang darüber reden, wie man allgemein einen Podcast oder einen Instagram-Kanal aufbaut. Aber es wird nochmal spezieller, wenn diese von einer Kirchengemeinde genutzt werden. Am Ende zählt nicht der Kanal, sondern es zählen die Inhalte. Denn eine Predigt wird nicht besser, wenn man sie auch auf Spotify stellt. Und Jugendarbeit wird nicht besser oder schlechter, weil sie WhatsApp nutzt. Es geht vielmehr um die Frage, was habe ich wem zu sagen? Erst dann wähle ich den Kanal aus, auf dem ich unterwegs bin. Der ideale Kanal ist nicht zwingend digital. Bei Jugendlichen kann sogar der Briefkasten am besten funktionieren, weil junge Leute meistens keine Briefe bekommen und das deshalb etwas Außergewöhnliches für sie ist.
 
Auf dem Foto ist Tobias Sauer zu sehen.
Tobias Sauer (32), ist katholischer Theologe und strategischer Kommunikationsberater mit Schwerpunkt Glaubenskommunikation, unter anderem für katholische Diözesen und evangelische Landeskirchen. Er gibt zu Beginn der Diözesanen Medienwoche den Startimpuls.
 
Haben Sie Tipps für Pfarreien, die sich jetzt in der digitalen Welt zeigen wollen?

Tobias Sauer: Man sollte immer nach dem gehen, was einem Spaß macht. Um einen guten Instagram-Kanal am Laufen zu halten, braucht es gute Bilder. Da muss also jemand Lust aufs Fotografieren haben oder eben einen anderen Kanal wählen. Die heute qualitätsvollen kirchlichen Instagram-Accounts sind fast alle vor fünf Jahren gestartet. Jeder, der etwas gut kann, kann es deshalb gut, weil er es die ganze Zeit über macht. Ich würde gerne Angst nehmen, denn es gilt „Progress over Perfection“: Indem man etwas tut, wird man besser und besser und irgendwann bleiben die Leute bei den digitalen Angeboten hängen. Also: Anfangen und dranbleiben.

Warum sollten Pfarrgemeinden dafür Energie einsetzen?

Tobias Sauer: Firmen geben immens viel Geld aus, damit Menschen überhaupt zu ihnen kommen. Das ist „bei Kirchens“ anders. Da kommen die Leute immer noch freiwillig. Sie wollen heiraten, ihre Kinder taufen lassen, sie müssen jemanden beerdigen, brauchen einen Menschen zum Reden und so weiter. Noch existiert der Zugang und gleichzeitig wissen wir auch, dass kirchliche Sozialisation abnimmt. Deshalb macht es Sinn, alles dafür zu tun, die Beziehungen, die sich ergeben, zu pflegen und neue Beziehungen aufzubauen. Etwas Simples wie eine gute Homepage, durch die man gleich auf der Startseite Gespräche buchen kann, hilft dabei schon sehr weiter.

Interview: Dr. Gabriele Riffert, freie Autorin, September 2022