Pastoral planen und gestalten „Was wollen die Menschen heute von der Kirche?“

Dieser Weg wird kein leichter sein. Anfang 2016 haben das Erzbischöfliche Ordinariat und die Leitung des Erzbistums München und Freising das diözesane Projekt „Pastoral planen und gestalten“ gestartet. Dabei geht es um Antworten für eine der großen Fragen dieser Tage: Was kann die Kirche tun, um im Leben der Menschen auch künftig noch eine Rolle zu spielen? Priestermangel, Kirchenaustritte und die Missbrauchsdebatte sind nur einige der Probleme, die ihr zusetzen. Im Interview erklärt der Projektverantwortliche Robert Lappy, was er sich von den beiden Teilprojekten „Weg des Pastoralkonzepts“ und „Neue Leitungsmodelle“, die sich daraus entwickelt haben, alles erhofft, was die größten Herausforderungen sind – und warum der 10. Mai 2019 ein wichtiges Datum für das Erzbistum war.    
St. Sebastian, Puch, Fürstenfeldbruck
Am 10. Mai 2019 trafen sich zum ersten Mal die mehr als 60 Gemeinden, die sich künftig am „Weg des Pastoralkonzepts“ beteiligen wollen. Dem ersten Aufruf vor zweieinhalb Jahren waren 30 Seelsorgeeinheiten gefolgt. Das Ergebnis dieses Teilprojekts soll kein starres Konzept werden, heißt es auf der begleitenden Webseite www.pastoral-gestalten.de, sondern ein konzeptioneller Weg, der „unterwegs“ entsteht. Auf den einzelnen Etappen soll sich ein Instrument formen, das den Haupt- und Ehrenamtlichen helfen soll, die „Pastoral in Bewegung zu halten“ und handlungsfähig zu bleiben. Denn, so Robert Lappy: „Die zentrale Frage lautet doch: Was wollen die Menschen heute von der Kirche?“   
Sankt Michaelsbund: Worum geht es beim „Weg des Pastoralkonzepts“?  
 
Robert Lappy: Wir wollten von Anfang an einen echten Prozess starten, nicht nur Papiere mit schönen Worten produzieren. Die Beteiligten sollten sich überlegen, wie sie gemeinsam die Kirche vor Ort gestalten wollen. Dafür haben wir ein Konzept entwickelt, wie eine gegenwartsbezogene und zukunftsorientierte Pastoral aussehen könnte, und um Mitwirkung gebeten. Vor zweieinhalb Jahren haben wir dann die Seelsorgeeinheiten angeschrieben und dazu eingeladen, sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu machen. 
 
Der „Weg des Pastoralkonzepts“ sieht sieben Etappen bis zum Ziel vor. Am Anfang steht die Mobilisierung der geistlichen Kräfte, indem u.a. in der Bibel nach dem Auftrag der Kirche von Heute gesucht und in der Gemeinde darüber gesprochen werden soll. Auf den nächsten sechs Etappen sollen dann unter anderem wichtige Daten und Informationen aus dem „Sozialraum Kirchengemeinde“ gesammelt, die notwendigen Instrumente entwickelt und die Veränderungen schließlich vor Ort konkret gestaltet und umgesetzt werden. Am Ende des Weges sollen dann die Erfahrungen und Erkenntnisse mit allen Beteiligten geteilt – und schließlich gemeinsam gefeiert werden, was alles erreicht wurde.
 
SMB: Welche Aufgabe kommt Ihnen zu?  
 
Robert Lappy: Zusammen mit dem gesamten Projektteam besteht die Aufgabe vor allem darin, neben der Ausarbeitung der inhaltlichen und theologisch-pastoralen Grundlagen die passenden Instrumente für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen, die Beteiligten zu beraten, Fragen zu beantworten, Gespräche zu führen und den Dialog zu suchen. 
 
SMB: Ist das Projekt in den Gemeinden draußen im Erzbistum schon angekommen?
 
Robert Lappy: Jeder sollte zumindest schon mal davon gehört haben. Die meisten Haupt- und Ehrenamtlichen haben inzwischen verstanden, dass wir nicht mehr für alle Menschen wichtig sind. Wir wollen die Kirche mit den Augen der Menschen wahrnehmen. Es geht nicht mehr darum, dass wir den Menschen quasi von oben herab den Glauben verkünden, sondern gemeinsam mit ihnen den Glauben entdecken und weiterentwickeln.
 
SMB: Gibt es diesen „Weg des Pastoralkonzepts“ auch in anderen Diözesen?
 
Robert Lappy: Ja, wobei der Weg überall etwas anders interpretiert und mit anderen Zielen verbunden wird. Im Erzbistum München und Freising wollten wir von Anfang an Veränderung und Bewegung in die Pastoral vor Ort bekommen. Wir wollen die Akteure befähigen und sie unterstützen, ihnen aber auch Aufgaben stellen, um ein solches Pastoralkonzept mit Leben zu füllen. Für uns ist wichtig, dass Klärungs- und Entwicklungsprozesse gestartet werden, dass die Menschen miteinander reden und sich anschauen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Wir wollen davon wegkommen, dass sich die Kirche vor allem um sich selbst dreht und sich überwiegend mit ihren eigenen Befindlichkeiten und Themen beschäftigt, und dabei den Kontakt zu den Menschen verliert.
Blick auf Marienplatz, Rathaus, Dom München
SMB: Wie geht es jetzt weiter?
 
Robert Lappy: Nach dem Auftakttreffen am 10. Mai wird es in regelmäßigen Abständen Vernetzungstreffen geben. Dort besteht die Möglichkeit, sich auszutauschen, Fragen zu stellen oder um Hilfe zu bitten. Nach den Erfahrungen der ersten Runde haben wir einige Dinge geändert.
 
SMB: Was waren das für Erfahrungen?
 
Robert Lappy: Die meisten Teilnehmer haben die gegenseitige Vernetzung und die Möglichkeit, voneinander zu lernen, als etwas sehr Positives empfunden. Weil man nicht allein ist und ein Stück Gemeinschaft erlebt. Was die Inhalte betrifft, haben uns viele gesagt, dass diese zwar schlüssig sind. Dennoch haben viele das Ganze als zu komplex empfunden. Daran haben wir gearbeitet. Für die neuen Teilnehmer haben wir jetzt ein Arbeitsheft erstellt, das sie selbst in die Hand nehmen und in dem sie beispielsweise ihre Ergebnisse festhalten können.    
 
SMB: Ist denn jeder dazu bereit, eine aktive Rolle einzunehmen?  
 
Robert Lappy: Jedenfalls sind sich alle darüber im Klaren, dass die Verantwortung für das kirchliche Leben bei den Akteuren vor Ort liegt. Wir haben einen klaren Rahmen geschaffen, der von ihnen ausgefüllt werden muss. Diese Verantwortung kann nicht abgegeben werden, und das ist etwas, was nicht jeder in der gleichen Art und Weise will.
 
SMB: Was passiert in diesen Fällen?
 
Robert Lappy: In diesen Fällen wird ein Dialog mit den für die Pastoral in den drei Seelsorgeregionen des Erzbistums verantwortlichen Weihbischöfen starten. Bei deren Visitationen werden die Pastoralkonzepte künftig ein zentrales Thema sein. Sie sind auf die eine oder andere Gemeinde bereits zugegangen und haben deutlich gemacht, dass es wünschenswert sei, mit diesem Prozess zu starten und darüber zu sprechen. Es ist einfach an der Zeit, etwas zu tun! Wir würden uns natürlich freuen, wenn sich noch weitere Gemeinden für unseren Weg interessieren und sich bei uns melden. 
 
In den letzten Jahren hat sich ein zweites Teilprojekt herausgebildet, für das Robert Lappy verantwortlich zeichnet: die Suche nach neuen Leitungsmodellen für die Gemeinden. Am 7. April hat in Geisenhausen ein neu gebildetes kollegiales Leitungsteam die Verantwortung übernommen, bestehend aus zwei Haupt- und drei Ehrenamtlichen. Ohne letztverantwortlichen Pfarrer.
 
SMB: Was versprechen Sie sich von diesem Versuch?
 
Robert Lappy: Mit dem Pfarrverband Geisenhausen und zwei weiteren Pilotprojekten gehen wir in unserem Erzbistum einen Schritt, den in Deutschland bislang sonst keiner geht. Wir müssen uns einfach der Herausforderung stellen, dass zum einen nicht mehr jede Pfarrei/jeder Pfarrverband von einem Pfarrer geleitet werden kann. Zum anderen möchte die Kirche die Verantwortung der Getauften und Gefirmten stärken und damit gewährleisten, dass sie weiterhin als Ansprechpartnerin vor Ort präsent ist und erlebbar bleibt. Dafür sollen dann auch Ehrenamtliche Leitungs- und Gestaltungsverantwortung übernehmen können.
Das Interview führte Christian Horwedel, freier Redakteur, Sankt Michaelsbund.

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