Kardinal Marx: „Die Welt braucht gelebte Hoffnung“

Predigt des Münchner Erzbischofs zum Gottesdienst am Ostersonntag
Christen müssen „Träger einer Kultur der Hoffnung sein, die vom Evangelium inspiriert ist“
München, 27. März 2016. Kardinal Reinhard Marx hat die Christen angesichts der aktuellen Bedrohungen durch Terror und Gewalt wie der anhaltenden Herausforderung durch die hohe Zahl der Flüchtlinge dazu aufgerufen, ein gelebtes Zeugnis der österlichen Botschaft abzulegen. „Als Kirche dürfen wir nicht die Hoffnungslosigkeit der Welt verdoppeln, sondern sollen Zeugen der Hoffnung werden“, sagte der Erzbischof von München und Freising laut Manuskript am Ostersonntag, 27. März, im Münchner Liebfrauendom. „Die Welt braucht ein Gegengewicht gelebter Hoffnung! Gerade jetzt sollen Christen aufstehen gegen die Angst, gegen die Rhetorik der Abgrenzung und Restauration und sich zeigen als Vorhut der Zukunft Gottes.“ Wie schon Papst Benedikt XVI. gesagt habe: „Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos.“
   
Dass sich angesichts der nicht zuletzt nach den terroristischen Anschlägen in Brüssel wieder einmal beherrschenden Bilder der Gewalt, des Hasses und der Angst Erschütterung und Hilflosigkeit breit machten, sei „durchaus verständlich“, sagte Marx, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist. Allerdings seien sie keine wirkliche Antwort. „In einer reinen Verteidigungshaltung jedenfalls wird man sich vielleicht absichern und überleben, aber Leben gewinnen für die Zukunft werden wir so sicher nicht.“
   
„Gerade in Zeiten, in denen sich Menschen aus Angst zurückziehen hinter die eigenen Mauern, braucht es Zeugen einer solchen großen Hoffnung, einer Dynamik, die über die alltäglichen Probleme hinaus den größeren, unzerstörbaren Horizont Gottes ins Leben eintragen“, unterstrich der Kardinal. „Ohne eine solche Weite und Tiefe bleibt unser persönliches und gesellschaftliches Leben zu sehr im Vordergründigen und schnell Verwertbaren hängen.“
   
„Natürlich weiß ich, dass Terror und Gewalt, politische Herausforderungen und Krisen nicht durch eine einfache Hoffnungsrhetorik überwunden werden“, sagte Marx. „Deswegen müssen wir als Christen mit unserem Leben einstehen für die Glaubwürdigkeit dieser Hoffnungsbotschaft.“ 
   
„Aber“, so der Erzbischof von München und Freising weiter, „wie sollen wir ohne eine wirkliche Dynamik der Hoffnung die aktuellen Herausforderungen bestehen? Vielleicht ist vielen noch nicht deutlich geworden, dass Europa und wohl die westliche Zivilisation insgesamt an einem Scheideweg stehen.“ Die Frage an die Kirche, die Christen sei: „Wie und wo wollen und müssen wir uns noch mehr in diese entscheidenden Debatten und gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen hineinbegeben? Jedenfalls nicht, indem wir nur kritisierend am Wegesrand stehen und alles besser wissen. Nicht, indem wir restaurative Ideen verbreiten und an einer falsch glorifizierten Vergangenheit hängen, sondern nur, indem wir Träger einer Kultur der Hoffnung sind, die vom Evangelium inspiriert ist, einer Hoffnung, die Grenzen überschreitet. Nur so kann auch der Weg zu einer neuen Evangelisierung gefunden werden.“ (uq)