Freising, 20. September 2025. Nach Ansicht von Kardinal Reinhard Marx ist „Kunst wichtig für die Kirche als Begegnungsort“, insofern Kirche niemals selbstreferenziell sein dürfe, sondern immer neu in den „Dialog mit der Welt, mit den Denkenden“ treten müsse: „Das Evangelium hält jedem Denken stand, nicht nur dem eigenen Denken. Es wiederholt nicht nur einfach das, was immer schon gesagt wurde, sondern setzt sich dem aus, was in der Welt gedacht wird. Wenn das gut gelingt, dann entstehen Zeitalter wie die Renaissance“, so der Erzbischof von München und Freising am Freitagabend, 19. September, bei der Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Diözesanmuseum Freising, die unter dem Titel „Göttlich!“ Meisterwerke der italienischen Renaissance versammelt.
Das besondere „Momentum der Renaissance“ sei gerade, dass sie „mit Blick auf die Tradition doch etwas ganz Neues“ schaffe, führte Marx aus. Im Unterschied zu Restauration bedeute „Renaissance nicht wiederholen, sondern weiterführen“, unterstrich der Kardinal und kritisierte einen Konservatismus, der „nicht die Kraft hat, aus der Tradition Erneuerung voranzubringen“.
Im Gegensatz dazu habe es die lateinische Kirche in ihrer Geschichte „immer wieder gewagt, neu zu beginnen“, sagte der Erzbischof: „Es war immer neu ein Dialog mit der Gegenwart, und das führte dann zu einem neuen Aufbruch, auch zu dem Mut, das Alte hinter sich zu lassen und neue Ausdrucksformen zu suchen, auch in der Musik und in der Bildenden Kunst. Das ist gerade im Zeitalter der Renaissance deutlich geworden.“ Insofern war die Renaissance laut Marx „keine Entfernung von der christlichen Religion, sondern eine Vertiefung, eine Erneuerung“.
Für den Kardinal kommt in den Werken der Renaissance, die häufig „Maria und Jesus als Protagonisten des Göttlichen in der Realität der Menschen“ zeigten, der Satz des Kirchenvaters Irenäus von Lyon zum Ausdruck: „Die Herrlichkeit Gottes ist der lebendige Mensch“. Das sei „der Kern des Christentums: der lebendige Mensch, den wir anschauen, mit seinen Ängsten und Sehnsüchten.“
Mit Gemälden, Skulpturen, Reliefs und Kleinkunstwerken von der Frührenaissance bis zum beginnenden Manierismus beleuchtet das Museum der Erzdiözese München und Freising die Schwelle vom Mittelalter in die Neuzeit, an der sich der Mensch neu verortet und die bisher gültigen Grenzen zwischen himmlisch und irdisch, heilig und profan ins Wanken zu geraten scheinen. Anhand 65 hochkarätiger Leihgaben aus 27 italienischen Museen und Sammlungen fragt die Schau nach der entscheidenden Rolle und der Macht der Bilder bei der Entdeckung des Ichs in Bezug auf Gott und die Gesellschaft in dieser für Europa zentralen Epoche. In der Ausstellung zu sehen sind Highlights der Kunstgeschichte wie das berühmte „Porträt zweier Freunde“ (um 1523/24) von Jacopo Carruci di Pontormo aus der Sammlung Cini in Venedig, die skandalumwitterte „Madonna della Cintola“ (um 1456/1466) von Filippo Lippi aus dem Städtischen Museum in Prato, in der der Malermönch seine Geliebte Lucrezia Buti als Heilige porträtiert haben soll, oder Boticellis „Madonna mit dem Buch“ (1480/81), das die Mutter Gottes nicht nur als Heilige, sondern auch als gebildete Frau zeigt.
Neben „Göttlich! Meisterwerke der italienischen Renaissance“ werden im Diözesanmuseum am 19. September zwei weitere Sonderausstellungen eröffnet: Unter dem Titel „Imagine all the Pieces“ sind Werke der zeitgenössischen Münchner Künstlerin Judith Milberg zu sehen, die, inspiriert von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Vorstellungen über den Ursprung des Universums und des Daseins in Bilder aus kraftvollen Farben und dynamischen Formen auf rohen Holzoberflächen fließen lässt. „Fenster in die Landschaft. Die Ansichten des Valentin Gappnigg“ zeigt Landschaftsmalereien des Oberwölzer Malers Valentin Gappnigg (1661/62-1736), der in seiner zarten Gouachemalerei mit wasserlöslichen Farben die historischen Besitzungen des alten Bistums Freising detailgetreu wiedergibt. Nachdem die Bilder über 200 Jahre hinweg den Fürstengang auf dem Freisinger Domberg schmückten und dann aus konservatorischen Gründen durch Kopien ersetzt wurden, finden die Originale nun wieder den Weg aus dem Depot ins Museum. (ck)
Hinweise:
Die drei Sonderausstellungen „Göttlich! Meisterwerke der italienischen Renaissance“, „Judith Milberg: Imagine all the Pieces“ und „Fenster in die Landschaft. Die Ansichten des Valentin Gappnigg“ im Diözesanmuseum Freising laufen von 20. September bis 11. Januar und können täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr besucht werden.
Für die Berichterstattung finden sich Download-Bilder ausgewählter Werke unter:
www.erzbistum-muenchen.de/dimu-renaissance;
www.erzbistum-muenchen.de/dimu-milberg;
www.erzbistum-muenchen.de/dimu-fenster.