Mit Wasser, Buch und Stein – Heilwallfahrten im Erzbistum Fünf besondere Orte zum (Neu)Entdecken

„Bleiben Sie gesund!“ Seit Beginn der Coronapandemie ist das ein gängiger Gruß am Ende vieler E-Mails. Fürs Gesundbleiben oder -werden haben die Menschen in der Erzdiözese München und Freising immer wieder besondere Heilorte entdeckt. Sie waren mit Quellen, Steinen, Gnadenbildern oder Reliquien verbunden. Fünf solche Plätze stellen wir Ihnen vor. Eine Radltour oder Wanderung dorthin hilft bestimmt auch beim Gesundbleiben. Ebenso eine gute Brotzeit in den umliegenden Gasthäusern.

Scheyerner Kreuz

 
Scheyerner Kreuz
Das Kreuz in der Klosterkirche bei Pfaffenhofen
Ein Stück heiliges Land ist in einem alten Wittelsbacher Hauskloster aufbewahrt. Das sogenannte Scheyerner oder Scheyrer Kreuz enthält sieben kleine Kapseln mit Erde aus dem Heiligen Land, unter anderem aus der Geburtsgrotte in Bethlehem, vom Berg Golgatha und vom Grab Christi. Hinzu kommen noch eine Reliquie vom Bett Mariens und von ihrem Grab. In einem hölzernen Kreuz mit Doppelbalken, der nur Patriarchenorten wie Jerusalem oder Rom zukommt, sind diese heiligen Dinge aufbewahrt. In seiner Mitte enthält es noch eine besondere Kostbarkeit: Splitter vom wahren Kreuz Christi. Ungewöhnlich an dem Scheyerner Kreuz ist sein Kegelfuß, der innen hohl ist, eine Art Tülle. Aus diesem Kegelfuß bekamen insbesondere kranke Kinder mit unterschiedlichsten Leiden einige Tropfen Wasser gereicht. Durch die indirekte Berührung mit den Reliquien wurde das Wasser nach Überzeugung der Gläubigen heilkräftig. Das Scheyerner Kreuz ist bis heute in der Klosterkirche in der Nähe von Pfaffenhofen an der Ilm aufbewahrt.
 

Leonhardspfunzen

 
Quelle in Leonhardspfunzen
Eine Quelle mit hohem Eisengehalt
„Gegen mein Magensgeschwür trank ich aus diesem Brunnen, hier nun bin ich nicht mehr krank, dem Heiligen Leonhard sei Dank!“ So steht es auf einer Tafel aus dem Jahr 1951. Etwas nördlich von Rosenheim auf der rechten Innseite liegt das kleine Leonhardspfunzen mit seiner Quelle, die einen hohen Eisengehalt ausweist. Eine Votivtafel erklärt den Ursprung der Wallfahrt. 1734 vertraute sich ein gewisser Christoph Riele dem Heiligen Leonhard an. Der riet ihm im Traum neben der heute noch bestehenden Kapelle einen Brunnen zu graben und das Wasser zu trinken. Es half offenbar, denn der wahrscheinlich nierenkranke Mann wurde wieder gesund. Auch gegen Sehschwächen soll die Quelle geholfen haben. So ist die Heilung einer fünf Jahre andauernden Blindheit überliefert, die durch Bestreichen der Augen mit dem Leonhardswasser geheilt wurde. Heute nutzt ein Mineralwasserbetrieb die Quelle kommerziell. Privatleute dürfen das Wasser sich aber auch direkt und kostenlos an einem öffentlichen Brunnerohr in die Flasche füllen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich sogar ein kleiner Kur- und Badeort in Leonhardspfunzen.
 

Schlupfstein von Sankt Wolfgang

 
Schlupfstein von Sankt Wolfgang
Eine "spirituelle Poliklinik"
Egal, ob Rückenleiden oder unerfüllter Kinderwunsch: der Schlupfstein von Sankt Wolfgang zwischen Obing und Altenmarkt a.d. Alz war jahrhundertelang eine spirituelle Poliklinik. Er steht vor dem Chorraum der mittelalterlichen Kirche und hat eine natürliche Aushöhlung. Darüber ist ein Marmorbogen errichtet, durch die ein nicht allzu beleibter Mensch hindurchpasst. Schlüpft jemand durch diese Aussparung hindurch, berührt er zwangsläufig den Stein und streift das Gebrechen ab. Der magische Brauch könnte an die Häutung der Schlange erinnern, durch sich das Tier verjüngt und erneuert. Der Stein von Sankt Wolfgang war wegen seiner ungewöhnlichen Aushöhlungen möglicherweise schon lange vor Christi Geburt ein keltischer Kultort. Die Mesner berichten, dass noch heute Menschen hierher kommen, um lange zu beten, die Kraft des Platzes aufzunehmen, natürlich auch durch die Öffnung über dem Stein zu schlüpfen, und sie tun das nicht nur aus Gaudi.
 

„Buchmedizin“ in Pürten

 
Mirakelbuch von Pürten
Heilige Alta auf dem Pürtener Mirakelbuch
Bis zur Säkularisation um 1800 suchten Pilger bei Migräne, Epilepsie oder Geisteskrankheiten ein wundertätiges Buch in Pürten auf. Ein solcher Wallfahrtsbrauch ist in ganz Europa nur in dem kleinen Dorf am Inn in der Nähe von Mühldorf belegt. Das Buch ist eine wertvolle mittelalterliche Evangelienhandschrift. Die Ortsheilige Alta, der Legende nach eine französische Prinzessin, soll sie hierher gebracht haben. Tatsächlich stammen die Pergamentseiten aus der Reimser Domschreibschule. Sie werden heute in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt und sind wohl durch eine rheinländischen Gräfin nach Pürten gekommen, die in den örtlichen Adel eingeheiratet hatte. Die Wandnische, in der das Buch aufbewahrt war, ist noch heute in der Kirche zu sehen. Sie ist nur mit einer Leiter zu erreichen, um das Buch vor Diebstahl zu schützen. Im benachbarten Mesnerhaus legten die Kranken vier Nächte lang ihren Kopf auf das Buch beziehungsweise auf die Illustrationen auf den Anfangsseiten jedes Evangeliums. Ähnlich wie auf es der Figur der heiligen Alta zu sehen ist, deren gekröntes Haupt auf dem Buch liegt. Bis 1781 dokumentieren die Pürtener Mirakelbücher zahlreiche Heilungen verschiedenster körperlicher und psychischer Leiden. Der spirituelle Gedanke dieser „Buchmedizin“ ist schlagend. Das heilende Wort des Evangeliums wirkt durch Geist und Seele auch auf den Leib.
 

Maria Bründl bei Landshut

 
Wallfahrt nach Maria Bründl
Wallfahrt nach Maria Bründl
Nur zu Fuß oder gerade noch mit dem Radl ist die kleine Wallfahrtskirche auf dem schmalen Wanderweg nach Salzdorf zu erreichen. Direkt neben der kleinen Kirche breiten sich über dem niederbayerischen Hügelland schon die Felder aus. Wie der Name Maria Bründl schon sagt, ist die kleine Wallfahrt durch eine Quelle entstanden. Viele Jahre lang war sie versiegt, bis sie im Jahr 1661 plötzlich wieder zu fließen begann. Der Landshuter Handwerker Thomas Amplatz war davon so berührt, dass er die Quelle zuerst mit einem Holzgeländer einfasste. Durch eine Art Crowdfunding konnte er sogar eine Kapelle errichten lassen. Die Landshuter kamen treu nach Maria Bründl, und spendeten Votivtafeln, denn das Wasser galt als wundertätig und Medizin für Vieh und Mensch. In der Aufklärungszeit hielt das der zuständige Pfarrer von Heilig Blut für Aberglauben, ließ die Votivtafeln abnehmen und die Malereien zuweißeln. Erst vor rund 50 Jahren haben Restauratoren sie wieder freigelegt. Die Quelle fließt immer noch. Vom Genuss des Wassers wird heute aber abgeraten.

Text: Alois Bierl, Chefreporter Sankt Michaelsbund