„Nothelfer, treue Freunde mein“ Wie die Galerie der vierzehn himmlischen Helfer entstand

Die Gruppe der „vierzehn Nothelfer“, die seit dem 14. Jahrhundert verehrt werden,  greift einige interessante Figuren heraus, die viel gemein haben: Sie starben während der Christenverfolgungen in den ersten christlichen Jahrhunderten, tragen ursprünglich griechische Namen und stammen alle aus dem Orient. Ein Überblick
 
Auf dem Bild sind die 14 Nothelfer zu sehen
Himmlische Helfer: Die vierzehn Nothelfer gelten seit dem 14. Jahrhundert als Heilige für alle Lebenslagen.
 
„Nothelfer“ sind eigentlich alle Heiligen. Denn Katholiken sind überzeugt, dass es zwischen irdischer Christenheit und den Vollendeten im Himmel ein aus Erinnerung, Liebe und Vertrauen gewebtes Band gibt. Die Gruppe der „vierzehn Nothelfer“, die seit dem 14. Jahrhundert sozusagen eine Sammelverehrung genießen, wirft im Grunde nur ein hell strahlendes Streiflicht auf die unübersehbare Schar der himmlischen Helfer, greift ein paar besonders interessante Figuren heraus – die freilich einiges gemeinsam haben: Sie sind (bis auf eine Ausnahme) Märtyrer, sie starben während der Christenverfolgungen in den ersten christlichen Jahrhunderten, sie tragen ursprünglich griechische Namen und stammen sämtlich aus dem Orient.

Vorbilder im Glauben

Natürlich können nicht nur Katholiken mit diesen Gestalten etwas anfangen; Protestanten mögen den üblichen Kult nicht, schätzen aber auch Vorbilder im Glauben. Dietrich Bonhoeffer erinnert sich in seiner Tegeler Gefängniszelle Weihnachten 1944 in einem Brief an seine Verlobte an das alte Lied von den vierzehn Englein, die schützend um das Kinderbett stehen; so eine Behütung durch „gute, unsichtbare Mächte“ hätten die Erwachsenen genauso nötig.
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Helfer in der Not hat uns Gott der Herr gegeben,
wenn Gefahr uns droht in diesem kurzen Erdenleben.
Alter Spruch
 
Heiliger Blasius
Blasius war Bischof und wurde während der Christenverfolgung um 316 hingerichtet. Er ist Nothelfer bei Husten und Halsschmerzen.
Ob der Nothelferkult nun aus dem Osten kommt (wofür die griechischen Namen und die Herkunftsorte sprechen) oder sich zuerst im süddeutschen Raum entwickelte, ausgehend von der Diözese Regensburg (wofür viele Forscher votieren): Sicher ist, dass ihre Verehrung in den schlimmen Zeiten aufblühte, als Krieg und räuberische Horden, Pest und Hungersnöte den Menschen das Leben sauer machten. Sie alle waren einzeln oder in kleineren Gruppen schon lange bekannt. Doch dann fasste man sie unter der heiligen Zahl „Vierzehn“ zu unserer klassischen Galerie zusammen. Die Sieben steht in der Religionsgeschichte für die Verwandlung des Menschen durch Gott, es gibt sieben Sakramente, sieben Gaben des Heiligen Geistes; die doppelte Sieben bedeutet eine besonders gründliche Vervollkommung: vierzehn hilfreiche Götter in Babylon, vierzehn Kreuzwegstationen muss Jesus durchschreiten. Vermutlich stand auch die prosaische Überlegung dahinter, eine ganze Hilfskompanie werde besser schützen können als ein einziger Patron.
 

Die vierzehn Nothelfer

  • Achatius, römischer Centurio
  • Ägidius, Abt
  • Barbara, Märtyrerin
  • Blasius, Bischof
  • Christophorus, Riese und Fährmann
  • Cyriakus, Diakon
  • Dionysius, Bischof
  • Erasmus, Bischof
  • Eustachius, Legionskommandant
  • Georg, Drachentöter
  • Katharina, Königstochter
  • Margareta, Märtyrerin
  • Pantaleon, kaiserlicher Leibarzt
  • Vitus, zwölf Jahre alt
 
Auf dem Foto ist der Heilige Georg, einer der vierzehn Nothelfer zu sehen.
Georg war Soldat und wurde 304 als Märtyrer enthauptet. Er soll einen Drachen mit einer Lanze bezwungen haben und ist Nothelfer bei Kopfschmerzen und Kriegsgefahr.
Wenig sichere Daten

An der Münchner Peterskirche soll schon 1280 eine Nothelferbruderschaft existiert haben. Im Regensburger Dom zeigt ein Fenster des nördlichen Seitenschiffs bereits um 1340 eine Heiligengalerie, die zum Teil mit den Nothelfern identisch sein könnte, ein sehr frühes Fresko in der Regensburger Dominikanerkirche mit einer ähnlichen Gruppe wurde später leider durch den Einbau einer Sakristeitür zerstört. 

Die „Normalreihe“ der Nothelfer, wie die Forscher sagen, findet sich zum ersten Mal vollständig erwähnt in einer Handschrift in der Bayerischen Staatsbibliothek, die auf das Ende des 14. Jahrhunderts datiert und einem Bettelordenskloster zugeschrieben wird, aber das sind nur Vermutungen. Sicher ist ohnehin wenig, von den meisten Nothelfern kennt man kein Geburtsjahr und keinen Heimatort. Legenden haben freilich ihre eigene tiefere Wahrheit und kommen ohne solche oberflächlichen Daten aus.

Auch die speziellen Patronate kamen erst später. Anfangs wurde die Truppe der vierzehn Nothelfer „in allen Nöten an Seel und an Leib“ angerufen, wie es in einem in Oxford aufbewahrten Passional aus der Zeit um 1400 heißt. Die Handwerker mit ihren Gilden und Zünften waren es, die sich als erste einen individuellen Schutzpatron erwählten (wie pikanterweise auch die Wilderer Sankt Hubertus, aber der gehört nicht zu den Nothelfern).
 
 
Auf dem Bild ist der Heilige Eustachius mit einem Hirsch zu sehen.
Eustachius hatte eine Erscheinung und sah einen Hirsch mit einem Kreuz im Geweih. Im Jahr 118 starb er als Märtyrer. Er ist Nothelfer bei schweren Schicksalsschlägen.
Höhepunkt des Nothelferkults

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erreichte der Nothelferkult seinen Höhepunkt; von Süddeutschland strahlte er nach Sachsen und Thüringen, Mähren und Schlesien aus, erreichte Ungarn, Dänemark und Schweden. Zentrum der Verehrung blieb immer Franken; in den an Würzburg angrenzenden Landkreisen hat man 61 Bildstöcke mit der Darstellung der Nothelfer gezählt. Bei Staffelstein baute Balthasar Neumann Mitte des 18. Jahrhunderts die Barockbasilika Vierzehnheiligen – wohl die prunkvollste Residenz, in der die vierzehn Nothelfer jemals ihre Gnaden ausgeteilt haben. Eine weitere barocke Nothelferkirche, die von Wien-Lichtental, ist Musikbegeisterten als „Schubertkirche“ bekannt, weil Franz Schubert in der Pfarrei Lichtental geboren wurde und hier einen Großteil seiner sakralen Werke uraufführte.
 
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Gib, o Herr, uns allen Segen,
deiner lieben Heil´gen wegen,
die bei dir in Gnaden stehn
und vorm Fuße deines Thrones
durch die Liebe deines Sohnes
dort im Himmel für uns flehn.
Gonsenheimer Nothelferlied; seit mehr als 275 Jahren wird hier an jedem dritten Sonntag nach Pfingsten die Nothelfer-Wallfahrt“ gefeiert.
 
Agatha Christies himmlische Helfer

Bis auf den heutigen Tag erzählt die Verehrung der vierzehn Nothelfer von menschlicher Hilfsbedürftigkeit und Verzweiflung – und von der Kraft des Glaubens und einer sich tapfer aufbäumenden Hoffnung. Die britische Lady of Crime, Agatha Christie, widmete den vierzehn Nothelfern eine ihrer zauberhaftesten Geschichten: Da erbitten sich vierzehn Heilige vom himmlischen Gerichtshof einen zweiten Erdenaufenthalt, weil sie meinen, sich mit ihren irdischen Guttaten und Leiden den Himmel noch nicht so richtig verdient zu haben.

Sie geben Kronen und Heiligenscheine an der Himmelspforte ab und wandern in der Neujahrsnacht 2000 über englische Landstraßen und helfen armen Tröpfen, ihr Leben zu bewältigen. Zum Beispiel Mrs. Badcock, die auf der Abfallhalde einen ganz passablen Kinderwagen gefunden hat, leider fehlen die Räder. Aber zum Glück hat die heilige Katharina das Rad dabei, auf das man sie einst bei ihrem Martyrium geflochten hat, und für eine himmlische Helferin ist es ein Leichtes, aus einem Rad vier zu machen.

Text: Christian Feldmann, freier Mitarbeiter, erschienen in der Münchner Kirchenzeitung vom 18. Juli 2021, Nr. 29