Die doppelte Wallfahrtskirche Maria-Ramersdorf ist eine der bedeutendsten Marienwallfahrtskirchen des Bistums und beherbergt außerdem vermutlich eine Reliquie vom Heiligen Kreuz.

Wer auf der A8 von Süden Richtung München fährt, sieht ihn schon von weitem: den markanten Zwiebelturm der Kirche Maria-Ramersdorf, der ältesten Marienwallfahrtsstätte im Großraum München. Neben ihrer rund 1.000-jährigen Geschichte ist die Kirche aber auch für eine der bedeutendsten Reliquien des Erzbistums bekannt: einen Splitter vom Heiligen Kreuz.
 
Das Foto zeigt ein Standkreuz. IM Kreuz ist eine Reliquie eingearbeitet, das HOlzsplitter des Kreuzes beinhaltet, an dem Jusus gestorben ist.
Pfarrer Harald Wechselberger steht vor dem südlichen Seitenaltar im Kirchenschiff von Maria-Ramersdorf. "Es ist der Altar Invetio sancte crucis", erklärt der 56-Jährige, "der Kreuzauffindungsaltar", ein wie der Rest des Kircheninneren reichlich mit Blattgold verziertes barockes Prachtstück. Zwischen zwei goldenen Säulen zeigt ein Gemälde, wie die Mutter Kaiser Konstantins, die Heilige Helena, im vierten Jahrhundert die drei Kreuze von Golgatha fand. Um unter ihnen das richtige, das Kreuz an dem Jesus starb, zu finden, wurde ein Toter auf jedes der drei Kreuze gelegt. Bei der Berührung mit dem Heiligen Kreuz erwachte er der Legende nach wieder zum Leben. Ein Splitter genau dieses Kreuzes wird unterhalb des Gemäldes in einem modernen Tabernakel aus gebürstetem Metall aufbewahrt.

Schmuckstück aus dem Holz des Heiligen Kreuzes

Wer nach einem Stück Holz sucht, wird aber enttäuscht: "Das ist nur eingearbeitet in eine Standkreuzreliquie", erklärt Wechselberger. Rund 30 mal 15 Zentimeter misst dieses silberne Reliquiar. Und das ist fast schon eine Reliquien-Matroschka: In ihm befindet sich nämlich noch ein wesentlich kleineres ganz mit Blattgold verziertes Umhängekreuz mit den Symbolen der Evangelisten an allen vier Enden. Erst dieses nur wenige Zentimeter große Schmuckstück besteht unter all dem Gold der Legende nach aus dem Holz des Heiligen Kreuzes. Seit fast 650 Jahren wird die Reliquie in Maria-Ramersdorf aufbewahrt. Ein Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern stiftete das Kreuz, das sein Vater einst vom Papst erhalten haben soll, im Jahr 1379 der kleinen Kirche. Die hatte sich im 14. Jahrhundert  als Marienwallfahrtsort auch schon einen Namen gemacht und war so der wertvollen Reliquie würdig, erklärt Wechselberger: "Der Kreuzpartikel hat Maria-Ramersdorf außerdem – weltlich gesprochen – ein zweites Standbein verschafft."

Seit Jahrhunderten ist die kleine Kirche eine der meistfrequentierten Doppelwallfahrtskirchen und gehört nach Altötting zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Bayerns. Besonders im sogenannte "Frauendreißiger", dem offiziellen Festmonat der Wallfahrtskirche, kommen jedes Jahr tausende Besucher nach Maria-Ramersdorf. Maria Himmelfahrt am 15. August und das Fest der Kreuzerhöhung am 14. September rahmen den Frauendreißiger thematisch als Doppelwallfahrtsmonat ein.
 
Bei so viel Besuch, wird auch der Sicherheit der Reliquie große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Abgesperrt und alarmgesichert ist der Kreuzsplitter. Außerdem hat Mesner Klaus-Jürgen Mainzer immer ein Auge auf das Kleinod. "Eine große Verantwortung", betont er, passiert sei aber bisher glücklicherweise noch nichts. Dass er durch seine Aufgabe so nah an der Reliquie sein kann, empfindet Mainzer als "sehr erbauend". Fast täglich kommt er mit ihr in Kontakt. Ein Wunsch den viele der Pilger in Maria-Ramersdorf haben. Regelmäßig werden deshalb auch die Besucher mit dem Kreuzpartikel gesegnet. Dafür werden die Gläubigen einzeln mit der Reliquie am Kopf berührt. "Das zeigt den Ansatz Jesu, den Menschen Nähe zu zeigen", erklärt Wechselberger.

Der Glaube steht über der Berechenbarkeit

Ob der Splitter tatsächlich vom Heiligen Kreuz stammt, ist übrigens nicht bekannt. Genaue wissenschaftliche Untersuchungen der Reliquie gab es bislang nicht. Für Harald Wechselberger ist das aber auch nicht so wichtig. Das sei zwar sein fester Glaube, aber er "rechnet das nicht nach". Gerade dass sich der christliche Glaube nicht in einer solchen Berechenbarkeit erschöpft, ist für Wechselberger das besonders Schöne an Reliquien: "Dieser Glaube lädt uns ein, weltweit solche Orte wie Maria-Ramersdorf aufzusuchen."

Text: Korbinian Bauer, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund
Beitrag vom Münchner Kirchenradio, 10. Juni 2021