Auf weiblichen Spuren durch die Münchner Innenstadt - Teil 2 Kirchenhistorischer Rundgang beleuchtet die "Frauen im Hintergrund"

Frauen spiel(t)en in der Kirchengeschichte Münchens oft eine bedeutende Rolle. Dennoch muss man heute schon recht genau hinschauen, um im Stadtbild ihre Spuren zu entdecken. Ein Stadtrundgang mit Dr. Roland Götz vom Archiv und der Bibliothek der Erzdiözese tut genau dies: Jeweils vor Ort entstehen vor dem geistigen Auge kurze Frauen-Geschichten, traurige, halbkomische und erstaunliche – von der namenlosen unehelichen Mutter, die ihr Baby aussetzt, bis zur Kaiserin-Witwe und natürlich zur stärksten Frau Bayerns. Wir sind mitgegangen und stellen im zweiten Teil vier weitere Frauenfiguren vor.
 
Dr. Roland Götz mit sechs Teilnehmerinnen des Kirchenhistorischen Rundgangs durch die Münchner Innenstadt vor der Dreifaltigkeitskirche
Dr. Roland Götz mit sechs Teilnehmerinnen des Kirchenhistorischen Rundgangs durch die Münchner Innenstadt vor der Dreifaltigkeitskirche

Station 6 - Max-Joseph-Platz: Maria Theresia Antonia von Perusa

Kupferstich "Das Pütrich-Kloster und seine Patrone" von Andreas Matthäus Wolfgang aus dem Jahr 1721
Kupferstich "Das Pütrich-Kloster und seine Patrone" von Andreas Matthäus Wolfgang aus dem Jahr 1721
Vor 1800 sah der Max-Joseph-Platz noch ganz anders aus: Es gab kein Nationaltheater, statt dessen stand hier quasi ein Franziskanisches Stadtviertel. Dort, wo heute das Nationaltheater steht, befand sich die Franziskanerkirche mit Kloster, davor ein großer Friedhof. An die Residenz anschließend stand ein Frauenkloster, das Ridlerkloster. An der Ecke der heutigen Perusastraße und Residenzstraße befand sich mit dem Pütrichkloster ein weiteres Frauenkloster. Beide Klöster waren jeweils nach den Patrizierfamilien benannt, welche die Klöster gestiftet hatten.

Eine der Klosterschwestern, deren Grab vor Jahren bei den Erweiterungen der Tiefgarage des Nationaltheaters entdeckt wurde, war Maria Theresia Antonia von Perusa, die von 1714 bis 1757 lebte und sich durch freiwilligen Eintritt ins Pütrichkloster den Verheiratungsplänen ihres Vaters entzog. "In diesem Fall war der Schritt in die Begrenzung des Klosters ein Schritt in die Befreiung", erklärt Roland Götz, "und der Vater hat getobt, dass Maria seine Pläne durchkreuzte." Er versuchte, den Klostereintritt rückgängig zu machen mit der Begründung, der Eintritt sei ohne seine Zustimmung erfolgt, und intervenierte beim Bischof vom Freising und seinem Kurfürsten.

Ohne Erfolg. Maria tat bei Befragungen kund, sie habe den Eintritt aus freiem Willen absolviert. Der Bischof trug ihr allerdings auf, beim Vater schriftlich um Verzeihung zu bitten. Das tat sie auch nach einigem Hin und Her um die Sätze dieses vorformulierten Schriftstückes - das sie demonstrativ mit ihrem Ordensnamen unterschrieb.

Station 7 - Odeonsplatz: Patrona Boiariae

Patrona Bavariae an Residenz
Patrona Boiariae
Von all den Mariendarstellungen, die es in München gibt, ist diese eine der prominentesten. An der Fassade der Residenz findet sich die Bronzestatue "Patrona Boiariae" von Hans Krumper aus den Jahren 1614 bis 1616 - Maria als Schutzpatronin Bayerns. "Das 'Boiariae' ist ein bisschen altertümelnd und ungewöhnlich für unsere Ohren, denen das Patrona Bavariae vertrauter ist", meint Roland Götz.

Herzog Maximilian I. ließ in der laut dem Kirchenhistoriker "aufwendigsten Kunsttechnik, die damals zur Verfügung stand", einen überlebensgroßen Bronzeguss herstellen - den Mond zu Füßen, den Kreis von zwölf Sternen auf der Krone als Himmelskönigin, in einer Hand das Zepter und in der anderen das Jesus-Kind, das den Reichsapfel trägt. Beide schauen in verschiedene Richtungen, so dass die Reisenden und Passanten, welche die Stadt über die damalige Nord-Süd-Magistrale verließen oder in sie strebten, verabschiedet beziehungsweise begrüßt wurden.

Der Gebetsanruf lautet: "Unter deinem Schutz und Schirm flehen wir, Heilige Gottesgebärerin". Unter der Figur brennt ein Ewiges Licht, das heute von der Schlösserverwaltung betrieben wird und als elektrische Leuchte mit der Zeit gegangen ist.

Station 8 - Odeonsplatz: Kurfürstin Henriette Adelaide von Bayern

Kurfürstin Henriette Adelaide von Bayern in einem Kupferstich von Melchior Küsel aus dem Jahr 1657
Kurfürstin Henriette Adelaide von Bayern in einem Kupferstich von Melchior Küsel aus dem Jahr 1657
Eng verbunden mit Kurfürstin Henriette Adelaide von Savoyen, die von 1636 bis 1676 lebte, ist die Theatinerkirche, die von ihr und ihrem Gatten Ferdinand Maria von Bayern gestiftet wurde und in der sie auch beigesetzt ist. Henriette und Ferdinand wurden im Alter von 14 Jahren verheiratet, ohne sich je gesehen zu haben. Die Familien der Beiden arrangierten die Ehe, und bei der Trauung in Turin vertrat der Bruder der Braut den Zukünftigen. "Das war eine so genannte 'Trauung per procurationem', also kraft Vollmacht", erläutert Roland Götz. "Dies gibt es noch heute unter Kirchenrecht, dass unter besonderen Umständen - wenn also die Brautleute nicht gemeinsam erscheinen können - sich Braut oder Bräutigam vertreten lassen können."

Zwei Jahre nach dieser Trauung war es so weit: Henriette wurde von Turin via Innsbruck nach München gebracht, nachdem die Ärzte ihr nun die Reife zum Vollzug der Ehe attestiert hatten. In Kufstein konnte Ferdinand zum ersten Mal seiner Gemahlin ansichtig werden, wenn auch nur aus der Ferne. Nach der Ankunft in München drehte sich alles nur noch um die eine Frage: Wann kommt der Thronfolger?

Nach verlorenen Kindern kam endlich 1662 ein Bub zur Welt, der spätere Kurfürst Maximilian II Emmanuel. Zum Dank stiftete das Paar dem Heiligen Kajetan, dem Mitbegründer des Ordens der Theatiner, die Theatinerkirche. Für deren Bau ließ Henriette, die den Deutschen zu wenig Erfahrung in der Errichtung von Bauwerken solcher Bedeutung unterstellte, Baumeister aus Italien kommen, so dass der italienische Barock Einzug in München hielt. Am Bauwerk ist das Stifterpaar durch die Namenspatronin der Heiligen Kaiserin Adelheid und des Namenspatrons des Heiligen Ferdinand präsent. "Bis zu ihrem frühen Tod hat Henriette den Hof mit weiteren italienischen Kultureinflüssen in Oper, Ballett und Theater aufgepeppt", weiß Roland Götz zu berichten.

Station 9 - Odeonsplatz: Königin Karoline von Bayern

Königin Karoline von Bayern in einem Kupferstich von Karl Ernst Heß nach einem Gemälde von Joseph Stieler
Königin Karoline von Bayern in einem Kupferstich von Karl Ernst Heß nach einem Gemälde von Joseph Stieler
Kein örtlicher Sprung, aber ein zeitlicher ins 19. Jahrhundert. Bayern ist inzwischen Königreich und durch die zahlreichen Gebietsumwälzungen der Napoleonischen Zeit nicht mehr ausschließlich katholisch. 1 Million Bayern sind zu jener Zeit evangelischen Glaubens. Dieses Nebeneinander der Konfession wurde an der Staatsspitze zum Miteinander: Der erste bayerische König Maximilian I. Joseph war katholisch, seine Frau Karoline von Baden evangelisch.

Karoline wurde im Ehevertrag garantiert, dass sie evangelisch bleiben durfte, was Roland Götz zufolge "nicht selbstverständlich war". Sie durfte auch einen evangelischen Hofstaat behalten, zudem stand ihr ein evangelischer Kabinettsprediger zur Verfügung, eine Art Hofkaplan. Ludwig Friedrich von Schmidt stammt wie Karoline aus Baden und begleitete sie von ihrer Trauung 1799 bis zu ihrem Sterbebett 1841 geistlich. 1799 feierte Schmidt in Schloss Nymphenburg den ersten evangelischen Gottesdienst in München seit der Reformationszeit. In der Residenz richtete man eine evangelische Kapelle ein.

Karoline wurde zu so etwas wie einer Schutzpatronin der Evangelischen in Bayern und spielte laut Roland Götz "damit eine eminent wichtige integrationspolitische Rolle für diesen Teil der Bevölkerung". Bei Rosenheim entstand 1802 Großkarolinenfeld, eine Gemeindegründung nach Aufruf von Kurfürst Max an seine zumeist evangelischen Untertanen aus der Pfalz, sich dort auf dem Neuburger Moos anzusiedeln.

1825 starb der König und wurde in der Theatinerkirche beerdigt. 16 Jahre später verschied Karoline und damit in einer Zeit, in der sich die konfessionellen Gegensätze wieder verhärtet hatten, wie ihre Beerdigung sichtbar werden ließ. Karoline starb in ihrem Witwensitz in der Maxburg, neben dem heutigen Erzbischöflichen Ordinariat. Beim Trauerzug zur Theatinerkirche folgt ihr dezidiert katholischer Stiefsohn Ludwig I. dem Sarg, an seiner Seite sein Schwager, König Friedrich Wilhelm IV., der wiederum erste Protestant Deutschlands. Die evangelischen Trauerfeierlichkeiten werden vor der Kirche absolviert, dann übernimmt der katholische Hofklerus ohne liturgische Gewandung den Sarg. Ohne Orgelmusik, Kerzen oder Weihrauch wird der Sarg in die Gruft gebracht. Die so demonstrativ zur Schau gestellte Teilnahmslosigkeit der Katholiken, die sich nach dem damaligen Kirchenrecht richteten, schockierte sogar den überzeugen Katholiken Ludwig I.
 
Teil 1 "In und um die Frauenkirche" finden Sie hier

Teil 3 "Frauen im Vorder- und im Hintergrund" finden Sie hier

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