Bei einer Gedenkveranstaltung im Münchner Stadtteil Milbertshofen-Am  Hart haben Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich  Bedford-Strohm am Samstag, 20. November, an die erste Deportation von  Münchner Juden vor genau 80 Jahren erinnert.
	
	 
		
	
	
		
		
			Demonstrationszug anlässlich des Gedenkens zum 80. Jahrestag der ersten Deportationen Münchner Juden
		
	 
	
	
	
	 
		
	
	
	
	Wer sich den „Greueln der Geschichte“ nicht stelle, der verschließe auch  „die Augen vor den Aufgaben der Gegenwart“ und lasse zu, dass das  Verdrängte wiederkehren könne, so der Erzbischof von München und  Freising. „Die vermeintlich ,alten Geister‘ des Hasses und der  Ausgrenzung sind doch immer noch und wieder präsent, manchmal in neuem  Gewand, aber letztlich doch dieselben, wenn man an die antisemitischen  Verschwörungstheorien denkt, die heute wieder verstärkt im Umlauf sind“,  betonte Marx und forderte: „Diese ,alten Geister‘ müssen wir erkennen  und verbannen, wenn nötig auch mit dem Strafrecht, vor allem aber durch  unser eigenes Verhalten, unsere Zivilcourage, indem wir Stellung  beziehen. Da ist in erster Linie eine Haltung von uns gefordert.“ Zu der  Gedenkveranstaltung hatten die Stadt München, die Gemeinschaft  Sant’Egidio und die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) eingeladen. Neben  Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm sprachen unter anderem  auch Oberbürgermeister Dieter Reiter, Ellen Presser, Leiterin des  Kulturzentrums der IKG, sowie Ursula Kalb von Sant’Egidio.
   
   Kardinal Marx bezeichnete es in seinem Grußwort weiter als „eine  eminente Aufgabe unserer Religionsgemeinschaften, dass wir Formen,  Zeiten und Orte des lebendigen Erinnerns schaffen“. Dies könne am besten  gemeinsam geschehen in der persönlichen Begegnung. „Als Schwestern und  Brüder, als Geschöpfe des einen Gottes stehen wir hier, füreinander  verantwortlich und vor unserem Schöpfer. Arbeiten wir gemeinsam an der  Heilung der Welt“, sagte der Erzbischof.
	
	 
		
	
	
		
		
			Gedenken kirchlicher Würdenträger zum 80. Jahrestag der ersten Deportationen Münchner Juden
		
	 
	
	Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erinnerte an die ledige Münchner  Lehrerin und Schriftstellerin Elisabeth Braun. Die 54-Jährige stand  unter Nummer 975 auf der Deportationsliste. Am 20. November 1941 war sie  zum Güterbahnhof Milbertshofen getrieben und fünf Tage später in Kaunas  ermordet worden. Braun stammte aus einer wohlhabenden jüdischen  Familie, war mit 33 Jahren in die evangelische Kirche eingetreten. 1938  hatte sie in ihr Stadthaus in Bogenhausen, dem Hildebrandhaus, 15  antisemitisch verfolgte Christen und Juden aufgenommen. Als sie erfuhr,  dass sie enteignet werden sollte, setzte sie die Evangelisch-Lutherische  Kirche in Bayern als Alleinerbin ein. Ihr Erbe sollte zur Unterstützung  von antisemitisch verfolgten Christen eingesetzt werden. Nach dem  Krieg, so der Landesbischof, habe die evangelische Kirche das Erbe  angetreten und setze es bis heute für Projekte ein, „von denen wir  hoffen, dass sie im Sinne von Elisabeth Braun sind“.
	
	 
		
	
	
	
	Den 80.  Jahrestag der Deportation nehme die bayerische Landeskirche zum  Anlass,  aller Opfer zu gedenken und dankbar an die mutige Münchner  Protestantin  Elisabeth Braun zu erinnern. „Voller Scham“, so  Bedford-Strohm weiter,  „stellen wir fest, wie wenig die Kirchenleitung  damals zu ihrer  Bewahrung tat“. Einzelne mutige Christenmenschen und  Netzwerke seien  damals für antisemitisch Verfolgte eingetreten, doch  die  Kirchenleitungen seien nicht bereit gewesen, „den von der  Deportation  bedrohten Menschen beizustehen“. 
   
   Veranstaltungsort des  Gedenkens war unter anderem der Vorplatz des  Gymnasiums München-Nord, in  dessen Nähe sich das damalige sogenannte  Judenlager Milbertshofen  befand. In den frühen Morgenstunden des 20.  Novembers 1941 fuhr vom  Güterbahnhof Milbertshofen der erste  Deportationszug nach Osteuropa ab  mit 1.000 Juden, darunter 130 Kinder  und Jugendliche unter 18 Jahren.  Wenige Tage später wurden die  Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen  Frauen, erschossen.
	
	 
		
	
	
	
	Text: Stabsstelle Kommunikation, November 2021