Über 40, katholisch und Single Wie lebt es sich als katholischer Single?

Jedes Jahr steht meine Freundin Sabine wieder vor der Frage: Soll sie sich einen kleinen Weihnachtsbaum kaufen? Lohnt sich das überhaupt - nur für sie allein? Und jedes Jahr wieder sorgt lediglich ein Adventskranz auf ihrem Esstisch für Vorfreude. Immerhin. Nur für sie allein ein kleines Bäumchen zu kaufen, zu schmücken, Kerzen anzuzünden, fände sie komisch, meint sie. Denn da fehle noch etwas. Genau. Ein Ehemann, ein Freund, ein Partner, Familie.

Sie wolle nicht jammern, sagt sie, „denn jammern hilft nix“. Es sei eine simple Bestandsaufnahme aus ihrer Sicht. „Als Single mit 45 kommt man immer wieder an seine Grenzen.“ Grenzen der Toleranz, des Verständnisses, des Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-Machens. „Das Single-Leben ist nicht immer schön“, sagt sie. Sabines Bekannte, die in Beziehung leben, „reden mir Mut zu, beneiden mich sogar: ‚Sei froh, du kannst machen und tun, was du willst.‘ Ha! Klar! Aber man will eben nicht immer machen und tun, was man will – wenn es keinen interessiert.“
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(Foto: Peggy und Marco Lachmann-Anke / pixabay)

Wenn das Leben einen anderen Lauf nimmt

Sabine kommt aus der Arbeit nach Hause, mal müde und genervt oder euphorisch und glücklich, weil sie ein Erfolgserlebnis hatte – aber keiner empfängt sie, nimmt sie in die Arme, hört sich ihren Gram an oder freut sich mit ihr über ihren Erfolg. „Ich bin in einer stillen, einsamen Wohnung. Da ist niemand, der mir ein Essen zubereitet hat, niemand, der eingekauft hat - der Kühlschrank ist leer, das Duschgel alle. Und so zieht sich das durch.“ Alltag eines Singles. Das sei eine Zeitlang mal ganz schön, vielleicht in gewisser Weise sogar erholsam, irgendwann jedoch nicht mehr. Natürlich bespricht sich Sabine mit engen Freunden und Familie, trifft sie, geht manchmal gemeinsam aus. Aber das sei eben nicht dasselbe wie eine Partnerschaft.

„Such dir doch einen netten Freund“, diesen gut gemeinten Ratschlag höre sie oft. Oder: „Ich verstehe gar nicht, dass eine Frau wie du alleine ist.“ Verstehen tue sie das schon lange nicht mehr. Aber Dinge passieren. Sabine blickt zurück: „Man arbeitet während seiner besten Jahre tagein, tagaus, man gerät da einfach so rein. Man lernt auch mal einen Mann kennen – es war bislang nur immer der Falsche.“ Sabine holt weiter aus: Man befinde sich mittlerweile in einer Konsumgesellschaft – das gelte nicht nur für Dinge, sondern auch für Menschen. Vielleicht auch, weil man mit der Zeit wählerischer werde, überlegt die Singlefrau. Und so vergehen die Jahre. Träume von Heirat und Kindern zerplatzen wie eine Seifenblase. „Zuerst ist man noch jung, geht davon aus, alle Zeit der Welt zu haben“, sagt Sabine. Dann falle einem peu á peu auf, wie man plötzlich alleine ist, wenn Freundinnen Junggesellenabschied feiern, wenn Kinder der Freunde getauft werden, wenn man bei Einladungen nur noch auf Pärchen treffe und der einzige Single in der Runde sei. „Da fühlt man sich schnell wie ein Fremdkörper, weil nun auch die Themen andere geworden sind.“

Die Sehnsucht beerdigen

Als sie kurz vor ihrem 40. Geburtstag stand, seien Sabine viele Gedanken durch den Kopf gegangen. „Finde ich noch einen Mann? Klappt es vielleicht doch noch mit Kindern, die man unbedingt haben wollte? Noch hat man etwas Zeit.“ Doch die Jahre, erinnert sich die 45-Jährige, flögen an einem vorüber und man müsse sich eingestehen, dass es für Kinder einfach zu spät ist. Diesen schmerzhaften Gedanken wirklich zuzulassen, falle schwer. Denn man müsse die Sehnsucht beerdigen, müsse abschließen. „Das geht nicht von heute auf morgen – man fällt immer wieder in ein Loch“, lässt sich Sabine in ihr Herz schauen. Sie habe das Gefühl, Ziele nicht erreicht, ja, sogar versagt zu haben. „Und auch da ist kein Partner an der Seite, der das mit einem durchsteht.“

Irgendwann habe sie bemerkt, wie sie immer mehr auf Abstand zu Kindern ging, unbewusst. Natürlich freue sie sich mit den Freundinnen, die stolz ihren schreienden Nachwuchs präsentieren. Doch auch hier würden die Gesprächsthemen plötzlich stark in eine Richtung gelenkt: „Welche ist die beste Windel, wann hat das Wunder-Balg was schon gelernt und wie sieht es mit möglichen Geschwistern aus“, zählt die Betriebswirtin auf. Ihre Themen wie Job, Stress in der Arbeit, das Leben als Single, Politik – für ihre Freundin uninteressant, zweitrangig. „Man entzweit sich, leider.“

Und irgendwann steigen sie dann hoch, die Eifersucht, der Neid. Auch, wenn man nicht wolle, sich dagegen wehre. Eine Frage kreise ununterbrochen durch ihren Kopf, erzählt Sabine: „Warum haben die anderen so scheinbar banale, selbstverständliche Ziele wie Ehe und Kinder erreicht? Und ich nicht?“ Man beginne, an sich selbst zu zweifeln, hadere, schiebe es gerne mal auf den Job, die Jahre, die man hierfür vermeintlich „verplempert“ habe. Sabine lächelt: „Zu zweit ist das Leben einfacher und macht mehr Spaß: beim Einkaufen, an den See fahren, in den Biergarten gehen, Urlaub machen. Das alles alleine? Furchtbar fad!“

Was die Kirche für Singles tut?

Was ist der Sinn des Lebens? Was hat Gott mit einem vor? Um Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, hat Sabine ein offenes Ohr und Unterstützung bei Gesprächen mit Priestern gefunden. „Das ist wunderbar und tut gut“, sagt sie lachend, beklagt aber gleichzeitig, dass das kirchliche Angebot für Singles mit einem Lebenslauf wie dem ihren recht mau sei. „Und das, obwohl es immer mehr Angebote für Alleinstehende, Alleinerziehende oder Verwitwete gibt. Da sehe ich Nachholbedarf“, meint Sabine. Vielleicht Gottesdienste speziell für Singles? Oder gar eine eigene Single-Pastoral wie sie das Erzbistum Köln bereits hat?

Apropos Gottesdienst, fügt Sabine gleich hinzu. Neulich habe sie dort ein süßes, altes Ehepaar beobachtet, das sich an den Händen hielt, liebevolle Blicke austauschte – kurz, eine wunderbare Einheit. Da sei in ihr wieder die Hoffnung aufgekommen, die einzige echte wahre Liebe doch noch zu finden. Es sei doch nie zu spät – „und zu zweit ist man eben weniger allein“.

Text: Susanne Hornberger, Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung

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